Bildung in Frankreich

Frankreich Jahrbuch 2005. Bildungspolitik im Wandel,
hrsg. v. Deutsch-Französischen Institut mit W. Asholt u. a.,
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006.
ISBN 2-531.14923-7

Kaum ein anderes Thema wie das der Bildung betrifft in Frankreich alle gesellschaftlichen Bereiche. In vielen anderen europäischen Staaten ist das nicht anders, aber in Frankreich verdienen die bildungspolitischen Debatten eine ganz besondere Aufmerksamkeit, da der dort seit 1968 eingeleitete Reformprozeß keineswegs abgeschlossen ist, aber nun auch zunehmend auf die europäische Bildungspolitik reagieren muß. Dabei geraten die französischen Sonderfälle wie die Classes préparatoires aux Grandes Ecoles (CPGE) und die Grandes Ecoles selbst unter einen immer stärkeren Reformdruck, den Albrecht Sonntag in seinem Beitrag für Frankreichs Schwierigkeiten, sich dem Globalisierungsdruck anzupassen, als möglicherweise charakteristisch bezeichnet.

Hendrik Uterwedde beschreibt die „Brüche im Gesellschaftsmodell“ Frankreichs, die mit der Niederlage des Europa-Referendums und dem in die Krise geratenen Wirtschafts- und Sozialmodell verdeutlicht werden. Zugleich wird verständlich, daß die französische Innenpolitik alleine diese Fragen nicht beantworten kann. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die Ablehnung des Referendums zur Ratifizierung der Europäischen Verfassung auch eine Ablehnung eines Wirtschaftsliberalismus war, von dem man Impulse zu Reformen erwartet wurden, sind die Streiks gegen das Gesetzes-vorhaben der Regierung CEP (Contrat première embauche) nur ein weiteres Zeichen für die überfällige Neuorientierung der Sozial- und Wirtschaftspolitik in Frankreich. Uterwedde erinnert daran, daß ähnlich gelagerte Reformbedürfnisse beiderseits des Rheins von den Wählern unterschiedlich beurteilt werden: In Frankreich gab es die Ablehnung der Europäischen Verfassung und in Deutschland ein „kritisches Ja“ zur Reformpolitik der abgewählten Regierung, was man aber auch durchaus als ein „Nein“ zur Arbeit und insbesondere der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Koalition bezeichnen könnte. Viel wesentlicher ist, daß Uterwedde, wie dies stets im deutsch-französischen Verhältnis auch offiziell immer wieder erklärt wird, darauf dringt, man möge nicht „die im Kern gemeinsame Notwendigkeit, dies- und jenseits des Rheins, die Wirtschafts- und Sozialmodelle in ihren Leitbildern wie auch in ihrer praktischen Ausgestaltung zu erneuern“ (S. 21) übersehen. In der Tat vollzieht sich die tägliche politische Zusammenarbeit auf vielen politischen Ebenen recht lautlos und ist Teil des normalen Tagesgeschäfts geworden. Aber auf zielgerichtete gemeinsame Aktionen und Taten im Wirtschafts- und Sozialbereich beider Länder infolge der vielfach gelobten engeren Zusammenarbeit darf man nach wie vor gespannt sein. In diesem Sinn ist Uterweddes Aufsatz als Auftakt für diesen Band lesenswert, weil er in knapper Form die sozialpolitischen Bedingungen skizziert, in die Frank Baasner im folgenden die „Bildungsdiskussionen in Frankreich“ einfügt. Er konzentriert seine Ausführungen auf den Erziehungsauftrag der Schulen und die Ausbildung in den Hochschulen, die zusammen zum Bereich der „éducation“ gehören und zeigt auf einleuchtende Weise, wie sich das französische Bildungssystem europäischen Anforderungen nicht länger verschließen kann, sondern aus dieser Entwicklung auch neues Selbstbewußtsein gewinnen kann.

Werner Zettelmeier erklärt, wie sich die Rolle des Schulleitungspersonals während der Entwicklung des französischen Schulwesens seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts gewandelt hat. Die Autonomie, die die Lycées durch die Reformen Anfang der 80er Jahre erhalten haben, die sich aber vor allem auf die Verwaltung und nicht auf die unmittelbare Unterrichtsgestaltung bezogen, werden nicht voll ausgeschöpft, was Zettelmeier mit ihrer Doppelfunktion als Verantwortliche für die Verwaltung mit Autonomierechten und als Repräsentanten des Staats erklärt. Seit 1988 gibt es daher Schullei-tungspersonal ohne Unterrichtserfahrung und -befugnis. 2003 entstand eine eigene Hochschule in Poitiers, die Ecole supérieure de l’Education nationale (ESEN), in der Schulleiterpersonal und Schulaufsichtspersonal gleichermaßen ausgebildet werden. Dahinter verbirgt sich die Absicht, diese Berufsgruppen weiter zu professionalisieren. Zettelmeier weist ausdrücklich daraufhin, daß der Erfahrungsaustausch zwischen deutschen und französischen Schulleitern noch sehr wenig entwickelt ist. Aber es gibt Initiativen wie die Europäische Schulleitervereinigung (www.esha.org), außerdem arbei-tet die ESEN in Poitiers an einem Netzwerk, das vergleichbare Institutionen in Europa verbinden soll. Ohne Zweifel bietet die pädagogische Forschung hier interessante Themen für deutsch-französische Projekte, die auch europäische Fragen mit einschließen sollten. Alle Beteiligten können von einer Erweiterung ihrer Horizonte nur profitieren, neue Konzepte kennenlernen und die eigenen Ansätze im Vergleich mit denen der Nachbarn unter neuen Gesichtpunkten evaluieren. Zettelmeiers Beitrag ist bemerkenswert, weil er den Blick auf längerfristige Entwicklungen in Frankreich richtet, die bei uns kaum wahrgenommen werden, aber neue pädagogische Ansätze ermöglichen, die den Anfang der 80er Jahre begonnenen Autonomiebestrebungen in den Schulen bereits eine neue Dynamik verliehen haben.

Philippe Bongrand stellt die ZEP (Zones d’éducation prioritaires) vor, die seit 1981 unter der Federführung lokaler Verwaltungen in Gebieten eingerichtet wurden, wo aufgrund der sozio-ökonomischen Verhältnisse ein erheblicher schulischer Mißerfolg zu beobachten war. Das war ein doppelter Bruch mit der hergebrachten zentralisierten Bildungspolitik und dem 1973 eingeführten Collège unique, das damit keinesfalls angelastet wurde, denn es sind nur 8-10 Prozent der Schüler von den ZEP betroffen. Der schulische Mißerfolg war u. a. ein Ergebnis der Collège-Reform von 1977. Insgesamt sind die Ergebnisse der ZEP umstritten. Die Erwartungen schienen höher zu sein, als die Ergebnisse, die von der Forschung belegt werden können. Bongrand gelingt es aber einen interessanten Einblick in die Reformbedingungen französischer Bildungspolitik zu geben, da er wie Zettelmeier aktuelle Beobachtungen in einen historischen Rahmen bettet.

Albert Hamm zeigt den Zustand des „Hochschulwesens in Deutschland und Frankreich im Spiegel der deutsch-französischen Erfahrung“ und Dieter Leonhard berichtet über die Erfahrungen der Deutsch-Französischen Hochschule auf dem Gebiet der Qualitätssicherung in binationalen und trinationalen Studiengängen. Diese beiden Aufsätze werden durch die Untersuchung von Guy Haug ergänzt, der die Herausforderungen für die Schul- und Hochschulausbildung in einen europäischen Rahmen stellt. Wolfgang Hörner nimmt „Zur unterschiedlichen Logik der Berufsbildungssysteme in Frankreich und Deutschland“ Stellung. Ein markanter Unterschied unter vielen anderen: In Frankreich ist die Berufsbildung weitgehend in staatlicher Hand, dagegen sind in Deutschland dafür die Kammern zuständig.

Die Aufsätze zum Sekundarstufen- und zum Hochschulbereich bieten viele Einzelaspekte, die die Herausgeber geschickt zu einem fundierten Überblick über die französische Bildungspolitik zusammengefügt haben. Dabei werden die schwierigen Ausgangsbedingungen mancher Reformansätze deutlich, vor allem gewinnt der Leser einen interessanten Einblick, wie die europäische Bildungspolitik die nationale Politik beeinflußt und umgekehrt. Der Untertitel „Bildungspolitik im Wandel“ gibt zu verstehen, daß es sich auch in Frankreich um längerfristige Prozesse handelt, die aus langsameren und schnelleren Phasen bestehen, wobei dann aber immer gleich Wechselwirkungen mit allen anderen Bereichen der Politik zu beobachten sind.
Das Jahrbuch enthält vier weitere Aufsätze. Alfred Grosser untersucht mit einem Blick auf seine eigene Biographie das Verhältnis zwischen Juden und Christen. Der Aufsatz stammt aus einem jüngst bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienenem Band Die Früchte ihres Baumes. Céline Caro berichtet über „Umweltpolitik im Paradies der Kernkraftbauer“ und die französischen Grünen. Erst 2002 erschienen Umweltthemen in Jaques Chiracs Wahlkampfreden, bevor 2005 eine Umweltcharta in die Präambel der Verfassung der V. Republik aufgenommen wurde. Céline Caro erklärt die geringen Erfolge der Grünen in Frankreich vor allem mit der ideologischen Zersplitterung der grünen Bewegung und mit deren Konzentration auf die Atompolitik, wobei sie hier immer nur wenig punkten konnten, da Atompolitik und die Unabhängigkeit Frankreichs noch oft in einem einem Zug genannt werden. „Amerikanisches in Deutschland und Frankreich. Vergleich, Transfer und Verflechtung populärer Musik in den 1950er und 1960er Jahren“ ist das Thema, mit dem Dietmar Hüser einen Beitrag zu diesem jungen Zweig der Verflechtungsforschung leisten will, die noch auf einschlägige Fallstudien wartet. Interessant sind seine Ausführungen hinsichtlich des Vergleichs zwischen der deutschen und der französischen Nachkriegszeit und dann die fünfziger Jahre, die in den beiden Ländern auf ganz unterschiedliche Weise den Rock ’n‘ roll empfingen. In diesem Zusammenhang erinnert Hüser auch daran, daß der Kulturtransfer im Bereich der Chanson-Szene sich eher von Frankreich nach Deutschland orientierte und kaum umgekehrt. Der Beitrag von Peter Kuon „60 Jahre Kriegsende-Erinnerungskultur in Frankreich“ zeigt, wie Staatspräsident, Jacques Chirac, zum Beispiel anläßlich der Einweihung der neuen Ausstellung im Pavillon der Gedenkstätte von Auschwitz die europäische Dimension dieser Tragödie genannt hat. Kuon weist daraufhin, daß die Teilung dieser Erinnerung noch nicht als Faktum bezeichnet werden darf, son-dern „in einer erst noch auszubildenden europäischen Identität als unabweisbares gemeinsames Erbe zu verankern“ (S. 228) ist.

Die für dieses Jahrbuch gewohnte Chronik der deutsch-französischen Beziehungen und ein Bibliographie auserwählter Neuerscheinungen der deutschsprachigen Literatur zu Frankreich (S. 276-303) ergänzen den Band.

Heiner Wittmann

Semantisches Web

Tassilo Pellegrini, Andreas Blumauer (Hrsg.), Semantic Web. Wege zur vernetzten Wissensgesellschaft, Springer Verlag, Heidelberg, Berlin 2006.
ISBN 3-540-29324-8

Einige Vorbemerkungen sollen hier eine Begründung liefern, wieso dieser Band auf einer Website für Romanisten besprochen wird. Allein schon weil das Semantische Web sich einen Begriff aus der Sprachwissenschaft ausgeliehen hat, ist es sicher auch für Romanisten und überhaupt auch für Philologen interessant, die Verwendung dieses Begriffes in einem neuen Zweig der Internet-Technik zu verfolgen.

Die Suche nach dem Begriff Romanistik mit einer Suchmaschine offenbart das bereits hinreichend bekannte Problem einer langen nach einem Suchalgorithmus von einer Maschine mit wenig romanistischem Sachverstand geordneten Liste. Aber auch Linklisten wie die auf der Website Romanistik im Internet sind eher eine Momentaufnahme, die nicht immer die Interessen oder die Suchbedürfnisse der Besucher berücksichtigen kann. In diesem Sinn ist eine traditionelle Bibliothek mit fachmännischer Verschlagwortung der heutigen Internet-Ordnung immer noch überlegen.

Das Problem der Ordnung von Informationen gibt es nicht erst seitdem das Internet entstanden ist. Die vielfältigen Vernetzungen jeder Art haben eine Orientierung im Datendickicht des Internets nicht unbedingt erleichtert, sondern die Koexistenz von einleuchtenden, weil vom Sachzusammenhang gebotenen Verlinkungen und solchen, die willkürlich aufgrund bestimmter Individueller Interessen gesetzt wurden, erschweren die Auswahl und die Bewertung von Informationen. Die Organisation der Informationen auf Websites hat sich ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten geschaffen, oder zumindest wird dies von schnell hergestellten Websites zumindest suggeriert. Es gibt genügend Beispiele aus der Arbeit mit Internet-Seiten, die Wissenschaftler, die eher mit traditionellen Mitteln arbeiten, mit Recht in Erstaunen versetzen. Das Zitieren aus der Online-Enzyklopädie

Wikipedia gehört zu dieser Art von Beispielen, die diesem Projekt einen wissenschaftlichen Anspruch verleihen, der in keiner Weise zu rechtfertigen ist. Schon fangen Studenten an, die Inhalte der Online-Enzyklopädie als Zitatenschatz für Seminararbeiten zu nützen. Ein Gewährsmann für die Inhalte der Artikel wird nicht mehr benötigt und der inhaltlichen Willkür wird Tür und Tor geöffnet, weil dem Online-Projekt, an dem jedermann mitschreiben darf, eine Autorität zuerkannt wird, die die Kontrolle einer anonymen Ge-meinschaft der Gewährleistung durch einen individuellen Autor vorzuziehen scheint. Das Vertrauen, das in dieses Online-Projekt gesetzt wird, entspricht dem Vertrauen, daß meist aus Bequemlichkeit in die Ergebnislisten der Suchmaschinen gesetzt wird.

Die Suche nach > Semantic Web mit Hilfe von Google führt zu rund 90 Mio. Webseiten in einer bestimmten Reihenfolge, nicht weil sie die besten Informationen zu diesem The-ma enthalten, sondern lediglich, weil der Suchalgorithmus von Google die gefundenen Seiten in eine bestimmte Reihenfolge stellt, die mit der Qualität oder ihrem Informationsgehalt kaum etwas zu tun haben. Man verweilt oft aus Zeitgründen bei den ersten aufgerufenen Seiten und verleiht ihnen so möglicherweise eine Bedeutung, die eine genaue Durchsicht vieler weiterer Seiten nicht rechtfertigen würde. Mehrdeutige Suchbegriffe werden dabei nicht erkannt und tragen kaum dazu bei, das Suchergebnis qualitativ zu verbessern. Immerhin geben Suchausdrücke, also die Kombination mehrerer Wörter häufigen Benutzern dann doch zu erkennen, daß Google letztendlich eben doch nur eine indexbasierte Suchmaschine ist. Google nutzt heute u.a. die Zahl der Links, die auf eine Seite zeigen, um deren „Qualität“ zu bewerten. Die Höhe des „Pageranks“, der von Suchalgo-rithmus ermittelt wird, entscheidet über die Plazierung des Website im Suchergebnis. Das Verfahren ist wissenschaftlich gesehen untauglich, trotzdem verwenden Betreiber von Websites viel Energie darauf dieses Spiel mitzuspielen.

Schon in den Anfangsjahren des Internets Mitte der 90er Jahre stellte sich immer dringlicher die Frage nach einer Orientierung im Internet, die sich eines Tages von mehr oder weniger automatisch erstellten Listen lösen kann und Methoden einführt, die den Suchergebnissen eine gewisse Qualität verleihen. 1998 trug Tim Berners-Lee einen neuen Ansatz vor,1) der als Semantic Web bekannt wurde. Sein Gedanke zielte auf eine Standardisierung der Verfahren, wie Informationen beschrieben werden sollten. Gemeint waren Zuordnungen, die es ihrerseits „intelligente Agenten“ erleichtern würden, Informationen aus unterschiedlichen Quellen miteinander zu verbinden. Ähnlich wie in der Sprachent-wicklung werden bei diesem Schritt Informationen im Internet Bedeutungen verliehen oder zugeordnet, wodurch das Netz um eine semantische Dimension erweitert wird. Um die Zusammenhänge zwischen diesen Bezügen erkennbar zu machen, sprach schon Berners-Lee davon, Ontologien einzuführen, die in größeren Zusammenhängen Wissensbereiche beschreiben und die Bezüge zwischen Objekten aufdecken sollen. Dieser der Philosophie entlehnte Begriff dient dazu, einen Dialog zwischen einem Anwender und der Maschine zu beschreiben und folglich auch zu steuern. Im Kern bezeichnet eine Ontologie viele Verhältnisse zwischen Informationseinheiten (Entitäten) und den Zusammenhängen, worauf sie sich beziehen, den Relationen. Fragt der Nutzer nach „Bank“ können Suchsysteme, die mit Ontologien arbeiten, denen also definierte Wissensbereiche bekannt sind, zu einem solchen mehrdeutigen Begriff passende Ergebnisse oder zumindest weitere Suchbegriffe vorlegen. Ob allerdings Suchmaschinen eines Tages Fragen nach bestimmten Sachverhalten beantworten können, sei dahingestellt. Das semantische Netz ist der Versuch, die vielen bisher meist auf der Grundlage von HMTL entwickelten Websites, die eigentlich kaum mehr als durch Links untereinander verbunden sind, in ein wissens-basiertes Netz zu überführen.

Mit den Metatags, wie z.B. den „Keywords“, die auf HTML-Seiten eingetragen werden können, und die den Suchmaschinen eine Ordnungshilfe gewähren sollten, wurde wohl viel Mißbrauch getrieben, so daß Google diese Hinweise nicht mehr berücksichtigt. Theo-retisch könnten semantisch orientierte Systeme einer ähnlichen Gefahr ausgesetzte werden, die möglicherweise durch webbasierte Systeme, die vom Betreiber der Seite nicht zu beeinflussen sind, vermindert oder vermieden werden. Ob aber dann nicht neue Probleme auftauchen, wenn der Bedeutungsgehalt der Seite von Programmen definiert werden soll, ist noch gar nicht abzusehen. Ein falsch getaggter Text könnte dann das gleiche Schicksal wie ein in einer Bibliothek verstelltes Buch erleiden, das für die Ausleihe nicht mehr zur Verfügung steht.
Der gerade erschienene Band Semantic Web. Wege zur vernetzten Wissensgesellschaft, (Inhaltsverzeichnis: www.semantic-web.at/springer/), dessen Herausgeber Tassilo Pellegrini von der Semantic Webschool, ein Zentrum für Wissenstransfer in Wien, kommen, bietet einen interessanten Einblick in das Konzept und das Programm dessen, was der Text auf dem Buchrücken als die „nächste Generation des Internets“ bezeichnet. Der Untertitel des Bandes trifft nicht genau das eigentliche Thema dieses Bandes. Es geht nicht nur um bloße Vernetzungen, sondern um den Beitrag semantischer Technologien, d.h. Verfahren und Methoden, die sich explizit auf die Erstellung und Maschinenlesbarkeit von Bedeutungsträgern konzentrieren. Es geht um Methoden zur qualitativen Orientierung im Internet.

Die neuesten Trends im Internet, die mit dem Schlagwort Web 2.0 2) gekennzeichnet werden, drücken sich dauch urch die sprunghafte Zunahme von Blogs aus. Eines der Kennzeichen von Web 2.0 ist eine besonders große Zunahme unstrukturierter Daten, die durch das Tagging der User nur behelfsweise geordnet werden können. Hier setzen die Überlegungen ein, die mit dem Semantic Web in Verbindung stehen, und die sich auf eine Reduzierung, Verdichtung und Strukturierung der Daten beziehen.
Die Linguistik lehrt, daß Semantik „sich mit der Analyse und Beschreibung de sogen. ‚wörtlichen‘ Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken beschäftigt.“ 3) Die Semantik wird von der Morphologie (Flexion- und Wortbildungslehre) wie auch von Syntax (Anordnung von Zeichen) abgegrenzt, die ihrerseits ihren Teil zur Sinnkonstituierung beitragen. Die Semantik konzentriert sich nach V. Nyckees auf die Bedeutungsaspekte, die nicht mit anderen Bedeutungsträgern Ähnlichkeiten oder Beziehungen teilen, sondern die sich auf das Wissen einer Sprachgemeinschaft beziehen. 4) In diesem Sinn bildet die Sprache ein ähnliches System von Konventionen, wie das semantische Web diese im Internet einfüh-ren will. In diesem Sinn gibt es sicher eine gewisse Berechtigung, diesen Begriff zu ver-wenden. Vielleicht stutzt der Leser dann doch, wenn er auf dem Buchrücken des hier zu besprechenden Buches liest: „Semantik ist (…) ein wesentliches Element der Transforma-tion von Information in Wissen, sei es um eine effizientere Maschine-Maschine-Kommunikation zu ermöglichen oder um Geschäftsprozeß-Management, Wissensmanagement und innerbetriebliche Kooperation durch Modellierung zu verbessern.“ Es ist keinesfalls die Semantik die das Entstehen von Wissen bewirkt, allenfalls beschreibt sie Prozesse, wie Bedeutungen entstehen. Ein Buchrücken ist geduldig, und Raphael Capurro hat den Begriff der Semantik in seinem sehr lesenswerten Nachwort „Hermeneutik revisited“ zu diesem Band in einen richtigen Zusammenhang gerückt. Er erklärt auf einprägsame Weise den Zusammenhang zwischen der Hermeneutik und der Semantik. 5) Nach dem griechischen Götterboten Hermes bedeutet Hermeneutik die Verkündung, Auslegung oder Erklärung. Capurro nennt auch Wittgenstein und dessen „Sprachspiele“, die nach seiner Theorie dazu geeignet sind, zwischen verschiedenen Gebilden Bezüge herzustellen und sie so verständlich zu machen. Gerade die Abstraktionsfähigkeit des Menschen ermöglicht es, Bezeichnungen für Maschinen und Computer verstehbar zu machen, sie also in digitale Kombinationen von 1 und 0 zu übersetzen. Diese Strukturen behalten aber nur ihren Sinn, weil die menschliche Welt trotz der immer weiter ausufernden Datenmengen dem Internet erst einen Sinn verleiht. Capurro weist selbst daraufhin, daß das Verstehen nicht auf eine Eigenart des jeweiligen Subjekts ist, sondern eine „Seinsweise“ (vgl. R. Capurro, Hermeneutik der Fachinformation, Freiburg/München 1986, S. 11) bezeichnet, der der Mensch sich nicht entziehen kann. Auf diese Weise entsteht die bereits angedeutete Verwendung der Ontologie im Rahmen des Semantischen Webs.

Capurro vertritt mit Recht der Auffassung, daß die digitale Welt gegenüber der Lebenswelt keinerlei Vorrang besitzt. Allerdings sollte auch die „Kraft des Konkretion“ (S. 531) der Abstraktion der digitalen Welt entgegengestellt werden. Das Semantische Web wird sich nur im Rahmen menschlichen Handelns entwickeln, wenn dieses jeder Abstraktion begegnen kann. Damit nennt Capurro eine ethische Dimension des Semantischen Webs, das er mit einer Art neuen Hermeneutik verknüpft, die die Bewahrung und Verteilung digitaler Inhalte betrifft. Auf diese Weise erklärt er das Semantische Web als ein „weltpolitisches Projekt“ (S. 532), das nicht Technikern oder Politikern überlassen werden darf.

An diesem Band sind 57 Autoren aus 35 Institutionen beteiligt. Es geht darum, Technolo-gien für das Internet zu entwickeln, die sich auf Verfahren stützen, die semantische Bedeutungsträger erkennen und auswerten können. Daten wie E-Mails können heute schon mehr schlecht als recht durch Programme sortiert werden, die z. B. als Spam-Filter, unliebsame E-Mails ausfiltern, oder es gibt auch Programme, die z.B. E-Mails an den richtigen Arbeitsplatz verteilen.

In ihrem Vorwort stellen die Herausgeber drei Trends vor: Es ist eine steigende Nachfrage nach dynamischen Produkt- und Dienstleistungskonfigurationen zu erkennen. Damit ist eine Dynamisierung der Arbeitswelt verbunden, die organisationsübergreifende Strukturen erfordert. Das Anwachsen der Informationsbestände erfordert ständig intelligentere Dialog- und Suchwerkzeugen, um die verlangten Dienstleistungen erbringen zu können. Diese Art der Kreisbewegung der steigende Nachfrage, Dynamisierung und Bereitstellung intelligenter Suchsysteme bestimmt folglich den Aufbau dieses Bandes.

Der erste Teil dieses Bandes enthält eine Reihe von einführenden Artikeln, in denen zu-erst Begriffe (u.a. Semantic Web und semantische Technologien, A. Blumauer, T. Pellegrini) und Standards (Standards für das Semantic Web, K. Birkenbühl) erläutert werden. M. Weber und K. Fröschl untersuchen „Das Semantic Web als Innovation in der ökono-mischen Koordination“ und geben interessante Hinweise auf die „Innovationspotenziale semantischer Technologien“ (S. 105 ff). Im zweiten Teil geht es um die Anwender des Semantic Web. L. Sauermann untersucht den „Semantic Desktop – Der Arbeitsplatz der Zukunft“. Seine systematische Darstellung mit vielen praktischen Beispielen ist auch gut als Einstiegsartikel in das Thema dieses ganzen Bandes geeignet. „Knowledge Visualiza-tion“ ist das Stichwort, mit dem Remo Burkhard die Frage nach der „nächsten Herausfor-derung für Semantic Webforschende“ stellt. Er erinnert daran, daß eine allgemeine Visua-lisierungswissenschaft mit einem entsprechenden Theorierahmen noch immer fehlt. Die Bespiele, die er in seinem Beitrag nennt, zeigen die Ansätze mit denen Verbindungen wie die zwischen der Bildwissenschaft und anderen Disziplinen erarbeitet werden. Der dritte Teil untersucht die Bedingungsfaktoren für das Semantische Web unter dem Aspekt des Wissensmangement. Schmitz et. al. erläutern einen solchen Ansatz auf einer Peer-to-Peer-Basis, während Hannes Werthner und Michael Borovicka die praktischen Zusammenhän-ge zwischen E-commerce und Semantic Web am Beispiel von „Harmonise“, einem EU-Projekt aus der Tourismus-Branche, das mit intelligenten „Networkings“ arbeitet, vorstellen. Im vierten Teil geht es wieder um die Theorie und die technischen Systeme, aber auch um praktische Ansätze, so wie der Beitrag von Andreas Koller, der nachzuweisen versucht, daß eine strukturierte Ablage von Content in Content Management Systemen, eine Voraussetzunge für das Semantische Web ist. Mit vielen Beispielen gelingt es Koller die unterschiedlichen Bedingungen für strukturierten Inhalt dazulegen; zugleich wir aber auch die Komplexität des Semantischen Webs deutlich. Coputerlinguisten werden sich für den von Michael Granitzer verfaßten Aufsatz im vierten Teil dieses Bandes interessieren. Er stellt statistische Verfahren vor, die dringend benötigt werden, ist doch der digitale Datenbestand bereits auf das 37.000-fache der Library of Congress angewachsen, die ca. 17 Millionen Bände besitzt. Merkmalsanalysen, Lemmatisierung, Parsing und Kollokationen gehören zu den Stichwörtern, die Granitzer untersucht, um die Bedingungen der Textanalyse zu erläutern. Gerhard Budin erläutert die „Kommunikation in Netzwerken“ Marc Ehrig und Rudi Studer stellen die „Wissensvernetzung durch Ontologien“ vor. Ihnen geht es um die Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Webservices, die nur, wie sie es nennen, durch eine semantische Integration der Ontologien möglich wird.

Der mit dem semantischen Web verbundene Anspruch wird in der Forschung gerade erst formuliert, noch steht die Realisierung der entsprechenden Anwendungen ganz am Anfang, aber die Hoffnungen, die in dieses Projekt gesetzt werden, lassen die Dimension dieses Projekts erahnen: „Das semantische Web ermöglicht neben erheblichen Verbesserungen der Usability, einen höheren Gebrauchswert verfügbarer Informationsbestände und effizientere Wissensströme.“ 6)

Dieser Band bietet eine gelungene Einführung in das Thema, weil sich seine Autoren an ganz praktischen Beispielen orientieren, viele verschiedene theoretische Ansätze vorstel-len und insgesamt die Perspektiven für des Semantischen Webs in einer spannenden Weise vermitteln. Außerdem ist es den Herausgebern gelungen, durch die Auswahl der Beiträge, die Bedeutung der beteiligten Disziplinen in einleuchtender Weise zu vermitteln.

Heiner Wittmann

1. Tim Berners-Lee, James Hendler and Ora Lassila, A new form of Web content that is meaningful to computers will unleash a revolution of new possibilities http://www.scientificamerican.com/
article.cfm?articleID=00048144-10D2-1C70-84A9809EC588EF21&catID=2
.
2. Tim O’Reilly, What Is Web 2.0? Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html
3. H. Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart 2/1990, S. 672.
4. Vgl. Nyckees, Vincent, La sémantique, Paris 1998, S. 11.
5. Zur Hermeneutik, cf. Vogt, Jochen, Einladung zur Literaturwissenschaft, 3. Aufl., Stuttgart 2002, Kapitel 3: http://www.uni-essen.de/einladung/Vorlesungen/hermeneutik/main.html; H.-G. Gadamer, Wahrheit und Metho-de, Tübingen 1975; id., Semantik und Hermeneutik, in: id., Hermeneutik II. Wahrheit und Methode. Ergänzungen., Tübungen 1986, S. 174-183.
6. Andreas Blumauer, Tassilo Pellegrini, Semantisches Web – schon wieder eine Patentlösung für die Wissensgesellschaft? http://www.semantic-web.at/36.20.20.article.kontext.semantisches-web-schon-wieder-eine-patentloesung-fuer-die-wissensgesellschaft.htm

Bibliographische Angaben:

Bußmann, Hadumod, Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart 2/1990.
Gadamer, Hans-Georg, Wahrheit und Methode, Tübingen 1975
— Hermeneutik II. Wahrheit und Methode. Ergänzungen., Tübingen 1986.
Nyckees, Vincent, La sémantique, Paris 1998.
O’Reilly, Tim, What Is Web 2.0? Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html
Vogt, Jochen, Einladung zur Literaturwissenschaft, 3. Aufl. Stuttgart 2002.
www.uni-essen.de/einladung/
Berners-Lee, Tim, Hendler, James, Lassila, Ora, A new form of Web content that is meaningful to computers will unleash a revolution of new possibilities,
www.scientificamerican.com/article.cfm?articleID=00048144-10D2-1C70-84A9809EC588EF21&catID=2

Niccolò Machiavelli. Dichter – Poeta

Dirk Hoeges,
Niccolò Machiavelli. Dichter – Poeta. Mit sämtlichen Gedichten, deutsch/italienisch. Con tutte le poesie, tedesco/italiano,
Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. u.a. 2006

Mit Professor Hoeges habe ich am 1. September 2007 in Köln ein
Niccolò Machiavelli Gespräch über sein neues Buch geführt.

„Die erste vollständige Übersetzung der Gedichte Machiavellis und ihre Analyse zeigen: Sein Werk ist nur in der Zusammensetzung von Poesie und Prosa zu verstehen. Es enthält eine Systematik der literarischen Formen, die durch Beschränkung auf den Prinicipe verdeckt bleibt. Kompromittiert wird neuerlich der ideologische Kampfbegriff des Machiavellismus. Machiavelli schärft über zahlreiche poetische Formen sein literarisches Profil: Epigramm, Strambotto, Stanza, Madrigal, Sonnett, Kanzone, Canto, Capitolo, Serenade. Poetisiert werden Schlüsselbegriffe seiner Geschichts- und Machttheorie. Fortuna, die Gelegenheit, der Undank, der Ehrgeiz. Sichtbar wird ein Machiavelli, der von persönlicher und säkularer Angst vor der Verdorbenheit des Menschen geprägt, entschlossen ist, seine Würde zu behaupten. Die poetischen Intermezzi aus den Komödien Clizia und La Mandragola erweitern die Perspektive. Er erscheint facettenreich, tragisch und komisch, wie er sich selbst sah, Erotik, frühe und späte Liebe eingeschlossen. Die Poesie bestätigt: Zeit seines Lebens begriff er sich als Zögling der Freien Künste, von Sprache, Literatur und Musik. Das Buch bildet den dritten Teil der Machiavelli Trilogie des Verfassers. Das Leben Castruccio Castracanis aus Lucca, 1998, Die Macht und der Schein, 2000.“ Klappentext.

www.dirk-hoeges.de

www.machiavelli-fuerst.de

 

Zweimal behandelt Machiavelli das Thema eines neues Herrschertyps, der sich in Italien am Beginn der modellhaft zeigt: in „Der Fürst“ und in der Novelle „Das Leben des Castruccio Castracani aus Luca. Dirk Hoeges hat die großartige Novelle neu übersetzt und mit einem Essay herausgegeben, der ein neues Machiavelli-Bild entwirft.

Niccolò Machiavelli.
Das Leben des Castruccio Castracanis aus Lucca, übersetzt und herausgegeben von Dirk Hoeges, C.H. Beck, München 1998.
ISBN 3-406-43357-X

 

Die Geschichte Machiavellis ist die Geschichte seiner Entstellung und Ausbeutung. Sie resultiert aus einer reduzierten Deutung des „Principe“, welche die Komplexität des Humanisten verkennt. Dirk Hoeges entwirft ein neues Bild des Autors, das ihn als bedeutenden Schriftsteller der Renaissance würdigt und zugleich seine erstaunliche Modernität zeigt.
Rezensionen
Dirk Hoeges, Niccolò Machiavelli.
Die Macht und der Schein, C.H. Beck, München 2000.
ISBN 3-406-45864-5

 

Rezensionen – Auswahl:

Hans-Martin Lohmann
Der Schein der Macht Maurizio Viroli und Dirk Hoeges korrigieren das Bild
Niccolò Machiavellis
DIE ZEIT    nicht mehr online

Peter Zaun, Rezension
Dirk Hoeges
Niccolò Machiavelli .Die Macht und der Schein
NDR 4, 1.1. 2000

Patrick Horst    ncht mehr online
SWR2 Buch-Tipp am Mittwoch, 22. November 2000, 16.55 bis 17.00 Uhr, SWR2 Dirk Hoeges, » Niccolò Machiavelli. Die Macht und der Schein «

Ronald Aronson, Camus & Sartre, Amitié et combat

Ronald Aronson, Camus & Sartre, Amitié et combat, übers. v. D. B. Roche, D. Letellier, Alvik Editions, Paris 2005. ISBN 2-914833-28-8 

Über den Streit zwischen Camus und Sartre, der der sich an der Ideologiekritik in L’homme révolté (1951) entzündete und nach einem öffentlichen Schlagabtausch in Les Temps modernes zum vollständigen Bruch zwischen beiden führte, ist immer wieder berichtet worden. 1)

Jetzt ist die französische Übersetzung der Untersuchung (2004) erschienen, mit der Ronald Aronson die Beziehungen zwischen Jean-Paul Sartre und Albert Camus zwischen ihrem ersten Zusammentreffen von 1943 und dem Bruch von 1952 eingehend analysiert. Mit einem Abstand von 50 Jahren, so der Autor, liegen jetzt genügend Dokumente vor, die eine Untersuchung dessen erlauben, was sich zwischen beiden zugetragen hat. Ihre Beziehung wurde so eng, daß schließlich auch ihre Werke Antworten auf Fragen formulierten, die sich beide stellten. Es ergaben sich aber dennoch Differenzen, die Aronson im Vorwort ankündigt, und die schließlich zu ihrem Zerwürfnis führten. Es kommt also darauf an, zu ermitteln, zu welchem Zeitpunkt und aufgrund welcher Themen oder Ereignisse ihre Meinungsverschiedenheiten erkennbar wurden. Der Kalte Krieg und seine Auswirkungen, so lautet Aronsons Erklärung, habe lange Zeit einer Aufarbeitung ihrer Geschichte im Wege gestanden, da ihre Interpreten immer wieder versucht waren, sich für die eine oder die andere Seite zu entscheiden. (Cf. S. 11, 15 )

Nach dem Ende des Kalten Krieges kann nun das historische Verdikt, dass Camus‘ Ideen als einen Irrtum bezeichnete, umgedreht werden, um nun seine politische tadellose Klarsicht zu hervorzuheben. Mit dieser Auffassung entsteht ein methodisches Problem, das den Ansatz dieser Untersuchung betrifft. Muß Camus‘ L’homme révolté unter dem Eindruck der Beurteilung seiner Gegner und damit entsprechend den Spezifika seiner Zeit gelesen werden, um den Streit von 1952 in seiner ganzen Tragweite verstehen zu können? Mit diesen beiden Fragen, die den Beginn ihres Disputs und die Interpretation von L’homme révolté und der daraus erkennbaren Bedeutung für ihren Streit betreffen, soll die vorliegende Untersuchung geprüft werden.

Aronson glaubt nicht daran, daß der Bruch zwischen beiden durch ihre Auffassungen von Anfang an vorherbestimmt gewesen sei, sondern vielmehr der Kalte Krieg habe ihre zunächst guten Beziehungen getrübt und schließlich scheitern lassen. Aronson möchte sich nicht auf die vorhandenen Biographien beider und Zeugnissen andere verlassen, sondern er will sich auf ihre Werke konzentrieren und so die Bezugspunkte finden, die sich auf das Werk des jeweils anderen beziehen.

Camus rezensiert 1938 La nausée (Camus, Essais, Paris 1965, S. 1417-1419) und Sartre rezensiert seinerseits 1942 L’étranger (Sartre, Situations, I, Paris 1947, S. 120-147). Aronson zeigt die Zusammenhänge zwischen diesen Texten der beiden Rezensenten. Wenn auch Sartre bald der Bekanntere von beiden ist, so ist der doch von Camus‘ Engagement überrascht. „Sartre et tout à fait étranger au pragmatisme de l’action.“ (S. 40) erklärt Aronson und erinnert an die immer mal wieder von einigen Autoren geäußerte Verwunderung über Sartres späte Entdeckung der Politik. In der ersten Jahreshälfte 1944, so Aronson, wird Camus, der Chefredakteur der Zeitung Combat ist, zum Mentor Sartres. Die Politik, die beide 1952 trennen wird, hat auch beide zusammengeführt, so lautet Aronsons These. Wenn auch beiden gewisse Grenzen der Übereinstimmung bewußt waren, so wurde doch Camus zu einem der engsten Freunde Sartres.

Der Text, der Sartres Engagement auslöste oder zumindest mitbestimmte, soll Camus‘ Roman La peste (1947) gewesen sein. Aronsons Analyse, wie beide Ihre Ansichten austauschen und gemeinsame Berührungspunkte beibehalten, widerspricht der späteren Darstellung von Simone de Beauvoir, die in den Cérémonies d’adieux behauptete, Camus habe mit dem Existentialismus nichts gemein gehabt. Hier wird beispielhaft der Vorteil von Aronsons Ansatz deutlich, die vorhandenen Werke und Schriften der beiden Autoren genau zu lesen und sich nicht nur auf damalige oder spätere Meinungen und Aussagen zu verlassen. Die zunehmende Politisierung Sartres entwickelt sich parallel zu der Camus‘ aber manchmal auch in umgekehrter Richtung. Damit deutet der Autor Sartre Verhältnis zur Kommunistischen Partei an, das die Qualität ihrer Beziehung bald beeinflussen sollte. Ihre Haltungen zur Geschichte lassen weitere Indizien erkennen, die ihre unterschiedlichen Auffassungen andeuten. Die präzise Untersuchung ihrer Texte, die nach der Befreiung entstanden sind, bietet dafür interessante Nachweise. Gerade in bezug auf die Begründung der Freiheit, in deren Rahmen Sartre, so der Autor, seine eher unhistorischen Begriffe der Situation und der absoluten Freiheit zumindest bis zum zweiten Band der Critique de la raison dialectique nicht mit den Realitäten der Menschen in Verbindung bringt, möchte Aronson deutliche Unterschiede zwischen beiden erkennen.

Aronson hält sich an den eingangs versprochenen Vergleich der Texte der beiden Autoren, führt aber immer wieder Äußerungen wie z.B. von Simone de Beauvoir an, erklärt aber auch, welche Details sie aus mehr oder weniger offenkundigen Gründen ausläßt (S. 110), und er beschreibt die Rollen von Merleau-Ponty und Arthur Koestler. Aronson zeigt auch, daß Camus Sartre nicht genau liest und beschreibt, wie es zu unterschiedlichen Interpretationen des Geschichtsbegriffs bei beiden kommt. Die Übereinkunft zwischen Sartre und Camus, daß das Kapitel über Nietzsche aus L’homme révolté in Les Temps modernes veröffentlicht werden soll, zeigt, daß beide von dem herannahenden Gewitter noch nicht so recht etwas ahnen. Nach dem Erscheinen des Buches (1951) kommt es 1952 zum Bruch zwischen beiden, der von der heftigen Ideologiekritik Camus, seine Ablehnung des Kommunismus, und Sartres heftiger Reaktion als Antwort auf Camus Klagen wegen der Rezension aus der Feder Francis Jeansons sich vollzieht: Aronsons Satz „On a vu devenir Sartre un révolutionnaire, Camus devenir un homme révolté.“ (S. 191) läßt noch ein wenig die Absicht erkennen, doch ein Lager wählen zu wollen, die Aronson zu Beginn des Kapitels allen Interpreten von L’homme révolté zuschrieb. 2)

Beide hätten, so Aronson, in den Monaten nach dem Ende ihrer Freundschaft wenig geschrieben.- Camus veröffentlicht 1954 die Novellensammlung L’été, deren Themen seine Grundüberzeugungen Revue passieren lassen und er schreibt mehrere wichtige Texte über die Aufgaben des Künstlers -. Sartre veröffentlicht die Artikelserie Les communistes et la paix. 1956 erscheint La Chute, mit dem Camus sogleich einen beachtlichen Erfolg erzielt. Aronson liest diesen Roman als eine Antwort auf die Vorwürfe, die Sartre 1952 an Camus gerichtet hatte. 1975 erwähnte Sartre in einem Interview das Zerwürfnis mit Camus, erklärte daß er sich gegen den Brief Camus‘, der mit den Worten „Monsieur le Directeur“ begann, gewandt habe. Aber, er fügt auch hinzu: Camus sei vielleicht der letzte gute Freund gewesen.

Aronson zeigt in überzeugender Weise, wie es aufgrund der Zeitumstände und der unterschiedlichen Geschichtsauffassungen Sartre und Camus‘ zu ihrem Streit kam, der das Ende ihrer Freundschaft besiegelte. Er zeigt aber auch, daß der Streit an beiden nicht spurlos vorbeigegangen ist und wie ihre späteren Werke immer wieder von diesem Streit geprägt sind. Nach Camus‘ Tod hat Sartre in seinem Nachruf auf die Nähe Camus‘ zu den französischen Moralisten hingewiesen. Er ordnete Camus in die lange Reihe der Erben der Moralisten ein , deren Werke das repräsentieren, was zum Ursprünglichsten der französischen Literatur gehöre. Und Camus habe durch die Hartnäckigkeit seiner Verweigerungen gegen die Machiavellisten und das goldene Kalb des Realismus die Existenz der Moral bestätigt.

Heiner Wittmann

www.logosjournal.com/issue_4.1/aronson_postel.htm:
Camus, Sartre, and Us: The Story of a Friendship and the Quarrel That Ended It
An Interview with Ron Aronson
With Danny Postel

1) Cf. u.a. : C. Kuhn, „Monsieur le Directeur“, „Mon cher Camus“. Die Anatomie eines Bruchs, in: B. Wilczeck, Hrsg., Paris 1944-1962. Dichter und Denker auf der Straße, Bühl-Moos 1994, S. 93-102;
H. Wittmann, Albert Camus. Kunst und Moral, Kapitel V: Albert Camus und Jean-Paul Sartre, Frankfurt/M. 2001, bsds. S. S. 94-98.
2) Cf. H.Wittmann, Sartre und die Kunst. Die Porträtstudien von Tintoretto bis Flaubert, Tübingen 1996, S. 73-88: Die Kritik am Marxismus.

Brigitte Sändig, Albert Camus, Autonomie und Solidarität

Brigitte Sändig, Albert Camus. Autonomie und Solidarität,
Würzburg: 
Königshausen & Neumann 2004.
ISBN 3-8260-2630-6 

In diesem Band sind 25 Aufsätze versammelt, von denen die größte Anzahl nach 1989 verfasst wurde. Die Autorin hat ihnen durch eine Kapiteleinteilung im Inhaltsverzeichnis eine Struktur gegeben: „Die Bindung an Algerien“, die bis zu seinem Tod sein Werk bestimmt hat, versammelt die Aufsätze des ersten Kapitels. Mit „Kunstausübung, Kunstreflexion“ ist das zweite Kapitel überschrieben, in dem u.a. Camus‘ Literaturverständnis mit dem Sartres verglichen wird. Das Kapitel „Geschichte und Politik“ enthält Betrachtungen zur Zeitgeschichte, Spanien, Deutschland im Jahr 1945, zu seinem Eintreten gegen die Todesstrafe und eine Untersuchung seiner Bezeichnung der „Geschichte von Europas Hochmut“. Das Kapitel „Wirkungen“ enthält Aufsätze, in denen sein Werk mit denen anderer Schriftsteller wie Rachid Mimouni oder Gunter Grass und Christoph Hein verglichen wird. Der letzte Abschnitt „Aufnahme“ läßt die Rezeption Camus‘ in der DDR Revue passieren.

Das erste Kapitel über Algerien enthält vor allem Analysen mit biographischem Interesse in bezug auf seine Herkunft und unterstreicht mit Zitaten aus seinen Tagebüchern und aus dem Romanfragment Le premier homme und der Novellensammlung L’exil et le royaume seine enge Bindung an Algerien. Ohne Zweifel muß sein Werk vor dem Hintergrund dieser Lebensgeschichte gelesen werden. Sändig stellt durchaus kritische Fragen, die Camus‘ Verständnis des Zusammenlebens von Kolonisierten und Kolonisatoren betreffen. Ihr Erstaunen über die Wortwahl Camus‘, „er spricht … sogar vom „Golgatha-Weg der Kolonisierung des 19. Jahrhunderts“ (S. 43) ist nicht berechtigt. In der Fußnote gibt Sändig auch den französischen Wortlaut dieser Passage an „le calvaire des colons de 1848“ an. Es sind aber nicht Camus‘ Worte, sondern er erwähnt hier lediglich in einer Notiz in seinen Fragmenten im Anhang das Buch Calvaire des Colons de 48 von Maxime Rasteil (1930). Sein Verhältnis zu Algerien muß sicherlich durch eine genaue Lektüre seiner Artikel in seinen Actuelles-Bänden ergänzt werden. Es ist richtig, daß er sich nach 1956 sich zu diesem Thema kaum noch geäußert hat und lediglich seine innere Zerrissenheit erkennen ließ.

Das zweite Kapitel enthält den Aufsatz „Zur Funktion von Kunst und Künstler“ (1974), der 1975 in den Beiträgen zu romanischen Philologie veröffentlicht wurde. Im Ansatz untersucht sie hier seine Kunstkonzeption vor dem Hintergrund seiner Biographie. Angesichts der von Camus immer wieder evozierten Absurdität der Welt wird die Kunst für ihn zur einer „Form subjektiver Lebensbewältigung.“
(S. 59) Es ist richtig, die Entwicklung seiner ästhetischen Vorstellungen besonders eng an die Kriegsereignisse und seine Erfahrungen in der Résistance zu knüpfen. Sändig weist auch auf die Rede „Le Témoin de la liberté“ hin, in der Camus 1948 die Aufgaben des Schriftstellers präzisiert. Er und die Künstler dürfen dem Leid der Menschen gegenüber nicht teilnahmslos bleiben. Daraus ergibt sich eine etwas nuancierte Auffassung des Begriffs ‚Engagement‘, so wie ihn Sartre versteht. Allerdings darf diese Unterscheidung nicht zu stark akzentuiert werden, indem zu verstehen gegeben wird, Camus wende sich allein gegen tödliche Ideologien. Sartres ursprüngliches Verständnis des Engagements (Qu’est-ce que la littérature? 1947) enthält zunächst nur die aus jeder Aktivität eines Schriftstellers entstehende Verantwortung, als Ausdruck seines Engagements ohne, daß er sich expressis verbis für eine Ideologie einsetzt: „Je dirai qu’un écrivain est engagé lorsqu’il tâche à prendre la conscience la plus lucide et la plus entière d’être embarqué…“ Sartre, Qu’est-ce que la littérature?, Paris 1948, S. 98. Ohne Zweifel ist der Streit zwischen Camus und Sartre auch auf unterschiedliche Auffassungen in diesem Bereich zurückzuführen, aber in bezug auf die Wirkungsmöglichkeiten der Kunst und die Aufgaben des Künstlers ergeben sich zwischen beiden erstaunliche Parallelen, die auch von ihrem Streit nicht verwischt werden können. Mit Recht weist Sändig auf Camus‘ Bemerkung hin, daß die Forderung der Revolte z.T. eine ästhetische Forderung sei. (S. 66) Das ist tatsächlich der Kerngedanke von L’homme révolté, mit dem die Kunst dem Künstler die Aufgabe verleiht, die Welt neu zu erschaffen, wie Camus dies in einem übertragenem Sinn ausdrückt. Camus hat seine theoretischen Überlegungen in seinem Roman La chute (1956) und in der Novelle Jonas ou l’Artiste au travail (1957) fortgeführt. Außerdem hat er seine Überlegungen zur Kunst und zur Verantwortung des Künstlers in seiner Nobelpreis-Rede eindeutig dokumentiert. 1974 hat Sändig folglich die besondere Stellung der Kunst im Werk Camus‘ beschrieben, sie zitiert Marx in bezug auf die Kunstproduktion Jonas‘, sie zeigt Camus‘ Ideologiekritik, aber die besondere Stellung der Kunst in ihrer ihr eigentümlichen Autonomie, die er allen Ideologien entgegensetzt, tritt nicht ganz so deutlich hervor.

Der folgende Aufsatz „Was kann Kunst? Zum Literaturverständnis von Camus und Sartre“ ist 1991 entstanden. Das von Sändig gewählte Zitat, mit dem der Beitrag des Schriftstellers hinsichtlich der „Bildung einer konstruktiven und revolutionären Ideologie“ (Sartre, Qu’est-ce que la littérature? op.cit., S. 289) dargestellt wird, verleitet sie zu der Anmerkung, so – wenn auch die Unerfüllbarkeit beinahe zugegeben wird – „überfrachtet Sartre den Schriftsteller nicht nur quantitativ, sondern nagelt ihn gewissermaßen auf die engagement-Funktion, ja auf die Erstellung von Ideologie fest.“ (S.83) Zu diesem Sachverhalt folgert sie: „Solch konkret-soziale Funktionssetzungen liegen Camus fern.“ (ib.). Nun darf aber das gerade erwähnte Zitat Sartres nicht ohne den in Qu’est-ce que la littérature? unmittelbar folgenden Satz gelesen werden: „Il s’agit malheureusement d’espoirs anachroniques : ce qui était possible au temps de Proudhon et de Marx ne l’est plus.“ (S. 289 f.) In der Tat, Sartres Literaturmanifest ist eine Neubegründung der Rezeptionsästhetik, so wie sie ein Emile Hennequin im Sinn gehabt hat, es ist aber kein Vademekum für das Erstellen ideologischer Schriften.

Das dritte Kapitel „Geschichte und Politik“ enthält einen Aufsatz, in dem sein Verhältnis zu Spanien untersucht wird und einen über die Beziehungen Camus‘ zum Deutschland des Jahres 1945. Das letzte Kapitel dieses Abschnitts stellt die Frage nach der Bedeutung von Camus‘ „Geschichte von Europas Hochmut“, ein Gedanke, mit dem Camus seinen Essay L’homme révolté (Der Mensch in der Revolte,Le mythe de Sisyphe,Sisyphos, Hamburg 1953, S. 13, L’homme révolté, in: Essais, Paris 1965, S. 420) die Einleitung nennt. Camus erklärt diesen Ausdruck, so Sändig, mit dem „schrankenlosen Autonomieanspruch des Subjekts“, woraus auch für Verbrechen ein Legitmationsanspruch entstände, der im 20. Jahrhundert einen Höhepunkt erreicht. Als Resultat ihrer Untersuchung verweist die Autorin auf C.G. Jung und nennt die Notwendigkeit, heute psychische Realitäten, womit auch das Unbewußte gemeint ist, anzuerkennen. Sändig unterstreicht ihr Ergebnis mit dem Hinweis auf Camus‘ Lektüre der Werke C.G. Jungs und A. Adlers. (S. 201). Der Verlauf der Argumentation in ihrem Beitrag visiert das hier dargestellte Ergebnis an. Es ist aus dem Zusammenhang des Textes nicht klar erkennbar, ob Camus an dieser Stelle mit seinem Begriff vom Hochmut Europas wirklich den von der Autorin evozierten Autonomieanspruch zum Ausdruck bringen will. Dieser Begriff steht am Ende des vorletzten Absatzes der Einleitung, die im letzten Absatz, die Revolte als das Thema seines Essays in den Vordergrund rückt, die er mit der Frage nach einer Regel verbindet, die das Absurde nicht vorgeben kann. Er erwähnt auch die Hoffnung nach der Schöpfung, und erinnert daran, daß der Mensch das einzige Wesen sei, das sich weigern kann, das zu sein, was er ist. Insoweit wird hier eine gewisse Autonomie angedeutet, die aber nicht ausreicht, den hier beschriebenen Ansatz der Autorin zu stützen. Läßt man sich aber dennoch auf den von der Autorin gewählten Ansatz ein, findet man hier eine sehr komprimierte, aber interessante Fassung der Grundprobleme von L’homme révolté, die allerdings vom dritten Teil des Essays mit den Überlegungen zur Kunst nicht getrennt werden sollten. Vielleicht war das auch ein Grund für die Schärfe der Auseinandersetzung mit Sartre, bei der lediglich die Ideologiekritik Camus‘, der Verriß von Francis Jeanson und die Antwort von Camus (Monsieur le Directeur…) eine Rolle spielten.

Zusammen mit den im letzten Teil folgenden Aufsätzen, die die Werke Camus‘ mit denen anderer Autoren vergleichen, dokumentiert dieser Band langjährige, beharrliche Forschungen. Manchmal wird der Blick der Autorin durch die Konzentration auf Details etwas eingeengt. Der Blick auf sein Gesamtwerk mit all seinen Facetten und die behutsame Reduktion biographischer Elemente, die dessen Wirkungsgeschichte eher behindern, ist im Zusammenhang aller Aufsätze angelegt, da sie dem Leser eine eindrucksvolle Perspektive auf die Bedeutung des Werks Camus‘ öffnen.

Heiner Wittmann

Albert Camus – Websites

Albert Camus. Kunst und Moral


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Rezensionen Rezension
Albert Camus. Réflexions sur le terrorisme.  Textes choisis et introduits par Jacqueline Levi-Valensi,  commentés par Antoine Garapon et Denis Salas, Paris 2002.      Rezensionen

Anläßlich der Tagung Albert Camus und die Kunst (14. bis 16. November 2003) im Schwäbischen Tagungs- und Bildungszentrum Kloster Irsee hat
Rupert Neudeck einen Vortrag mit dem Titel Camus der Journalist gehalten. Gesellschaften und Vereinigungen  La Société des Études Camusiennes auf der Website von G. Bénicourt
Camus Studies Association Die Website der Société des Etudes Camusiennes in den USA.

Websites zu Albert Camus und seinen Werken

L’Algérie redécouvre son „immense écrivain“, Le Monde, 4.5.2006
Le journalisme, „au service de la vérité“, Le Monde, 4.5.2006
Albert Camus, toujours moderne, Le Monde, 4.5.2006
Une conscience en action, Le Monde, 4.5.2006

Le Web Camus Website von Georges Bénicourt: Links ***
Camus als Journalist
Albert Camus – Schriftsteller, Philosoph, Dramatiker, Journalist – Website von Rodion Ebbighausen

Péter Nádas: „Der Fremde“ von Albert Camus Mein Jahrhundertbuch (9)
L’actualité universitaire sur Camus
Resources for Albert Camus Linkliste
LTHS & RBHS Engaged Learning Projects, Illinois. USA
Albert Camus Critical Interpretation Homepage, Paul M. Willenberg
The Notebook on Albert Camus
Department of Philosophy, Baylor University, Waco: Linkliste
Nobelpreis 1957
La vie d’Albert Camus Maël Monnier

1957 erhielt Albert Camus den Nobelpreis für Literatur.

Seiten über Camus‘ Werke

Rezension
Albert Camus. Réflexions sur le terrorisme
Textes choisis et introduits par Jacqueline Levi-Valensi,
commentés par Antoine Garapon et Denis Salas, Paris 2002.
Albert Camus : L’Étranger Maël Monnier
Die Philosophie-Seiten: A. Camus Dieter Köhler
Camus.online.fr: über Le Mythe de Sisyphe, L’homme révolté, La peste und
Le premier homme
Le premier homme: Catherine Camus, in: http://www.spikemagazine.com
Albert Camus, Der Fremde, Aus dem Französischen von Uli Aumüller / Reinbek,
Rowohlt, 1994. Rzension von R. Markner. in: Der Rabe (Zürich) Nr. 45, 1996, S. 218. Internet-Seiten über Albert Camus und seine Werke Le Web Camus Website von Georges Bénicourt: Links ***
Camus als Journalist
Albert Camus – Schriftsteller, Philosoph, Dramatiker, Journalist – Website von Rodion Ebbighausen

L’actualité universitaire sur Camus
Resources for Albert Camus Linkliste
LTHS & RBHS Engaged Learning Projects, Illinois. USA
Albert Camus Critical Interpretation Homepage, Paul M. Willenberg
The Notebook on Albert Camus
Department of Philosophy, Baylor University, Waco: Linkliste
Nobelpreis 1957
La vie d’Albert Camus Maël Monnier
Seiten über Camus‘ Werke

Rezension
Albert Camus. Réflexions sur le terrorisme
Textes choisis et introduits par Jacqueline Levi-Valensi,
commentés par Antoine Garapon et Denis Salas, Paris 2002.

Forum Albert Camus Philippe Beauchemin
L’Etranger d’Albert Camus
Auf der Website http://www.francealacarte.org.uk/, le réseau culturel français au
Royaume-Uni.
Die Philosophie-Seiten: A. Camus Dieter Köhler
Camus.online.fr: über Le Mythe de Sisyphe, L’homme révolté, La peste und
Le premier homme
Le premier homme: Catherine Camus, in: http://www.spikemagazine.com
Albert Camus, Der Fremde, Aus dem Französischen von Uli Aumüller / Reinbek,
Rowohlt, 1994. Rezension von R. Markner. in: Der Rabe (Zürich) Nr. 45, 1996, S. 218
Camus im Schulunterricht

www.klett-franzoesisch.de/camus.html
Dossier pédagogique von Dr. Ernst Kemmner
Albert Camus – L’étranger auf der Website des Oberschulamtes Stuttgart

Bienvenue sur Albert Camus Collège Albert Camus, Maux
Camus.net Lycée Albert Camus, Fréjus
A. Camus, La Peste Unterrichtsreihe von B. Miklitz-Kraft

Tintoretto in der Scuola di San Rocco

Astrid Zenkert, Tintoretto in der Scuola di San Rocco, Ensemble und Wirkung,
Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen 2003. 264 Seiten. 50 Schwarzweiß-Abbildungen.
ISBN 3-8030-1918-4

Sartres Studien über Tintoretto, besonders auch seine Beschreibungen der Gemälde in der Scuola di San Rocco, verleiten immer wieder dazu, bei Kunsthistorikern nachzusehen, ob seine Schlussfolgerungen sich mit ihren Ergebnissen messen können. Die Studie von Astrid Zenkert ist eine willkommene Gelegenheit, ihre Beobachtungen mit denen Sartres zu vergleichen.

Zenkerts Untersuchung bezieht sich ausschließlich auf die Gemälde, die Tintoretto zwischen 1567 und 1588 für die Scuola angefertigt hat. Sartre hingegen nennt vor allem die „Kreuzigung“ in seinem Fragment La Reine Albemarle ou le dernier touriste (Paris 1991, S. 142-145). Zusammen mit den Analysen in den anderen Fragmenten (bsd. Saint Marc et son double.Le sequestré de Venise. Inédit, in: Obliques, 24/25, Nyons 1981, S. 171-203) analysiert Sartre anhand präziser Bildbeschreibungen, wie Tintoretto den Blick des Betrachters lenkt und leitet daraus Hinweise auf die Maltechnik des Meisters ab. Es ist kein Mangel, wenn Astrid Zenkert, Sartres Untersuchungen nicht nennt, denn ihre Studie konzentriert sich auf die Ensemblewirkung der Gemälde vor allem in der „sala dell’albergo“ mit der „Kreuzigung“ und der „Sala superiore“ mit den großen Deckenbildern und den vielen Wandbildern in Scuola di San Rocco.

Tintoretto bemühte sich erfolgreich um den Auftrag, die ganze Scuola auszumalen. Spätestens nach seiner Aufnahme 1565 in die Bruderschaft war er seinem Ziel sehr nahegekommen. Die Wände der Scuola bot ihm die besondere Möglichkeit, großformatige Gemälde mit Bezügen unter- und zueinander anzufertigen. Zu Recht unterstreicht Zenkert die zentrale Bedeutung dieser Ensemblegestaltung für das Verständnis der Bilderzyklen Tintorettos in der Scuola. Der Überblick über den Stand der Forschung präzisiert die Thesen ihrer Untersuchung. Die Art und Weise, wie Tintoretto bewußt die Beziehungen zwischen den Gemälden gestaltete, ist bisher nur in Ansätzen aber nicht genügend gewürdigt worden.

Mit ihren Analysen der „Kreuzigung“ und des „Christus vor Pilatus“ im „Sala dell’albergo“ erarbeitet Zenkert einprägsame Belege für ihre Thesen. Zum einen beschreibt sie sehr anschaulich, wie die „Kreuzigung“ zum Beispiel die Männer bei der Aufrichtung des Kreuzes zeigt und nennt ausdrücklich die Anstrengungen und die Bewegungen der Männer und damit die kinematographischen Effekte. Sartre erinnert immer wieder an die verschiedenen Zeitabläufe auf Tintorettos Gemälde und nannte damit auch Interpretationsansätze, die auch von Kunsthistorikern in ihre Analysen einbezogen werden.

„Christus vor Pilatus“ (5.15 * 3.80) ist neben der Eingangstür zu der „sala dell’albergo“ angebracht. Die unterschiedlichen Schrägsichten auf das Bild, je nachdem an welchem Platz sich der Betrachter befindet, erlauben jeweils einen ganz andern Blick auf das Bild. In diesem Falle ist es das Gesims der Palastarchitektur, das auf dem Bild als eine wuchtige Schräge erscheint. Aus der Sicht der gegenüberliegende nördlichen Ecke, an der Stelle, wo die Ratsmitglieder sich hinter die banca zu ihren Sitzplätzen begaben, wird das Gesims als waagrechte Linie erkennbar. (S. 35 und 67) Diese Beobachtung ist wichtig, da Zenkert auf ganz ähnliche Weise die weiteren Gemälde in der Scuola analysiert.

Zenkert untersucht auch die Frage, wie die Ensemblewirkung entstand und wendet sich gegen die These, daß das Konzept für die Gesamtdekoration erst nach und nach entstand. Hier berücksichtigt sie ausführlich die verschiedenen Positionen der Forschung. Die Bezüge der Gemälde untereinander, besonders die von ihr an vielen Beispielen erläuterte Mehrsichtigkeit, mit der sie die Verbindung zweier Bilder in der Schrägsicht offenzulegen versucht, sind überzeugende Belege für ihre Thesen. Auch hinsichtlich der Autorenschaft des Bildprogramms (s. S. 180-184) zeigt sich Zenkert überzeugt von konzeptuellen und gestalterischen Fähigkeiten Tintorettos.

Das „Letzte Abendmahl“, das südlichste Bild der Ostwand, ist das Bild, daß man von der prächtigen Treppe aus beim Betreten des Saales als erstes erblickt. Ihren Hinweis auf die Verbindung des in diesem Bild dargestellten Tisches mit dem Altar an der Südseite des Saales unterstreicht die Bildkomposition des „Letzten Abendmahles“, das tatsächlich für genau diese Stelle der Wand gemalt worden ist. Zenkert vergleicht dieses Bild mit dem, das den gleichen Titel trägt, in der Kirche San Giorgio Maggiore, das dort an der rechten Wand des Presbyteriums hängt. Hier erstreckt sich der Abendmahlstisch von links vorne nach rechts hinten. Wiederum ist der Effekt erkennbar, daß der Tisch rechtwinklig zu den Seitenwänden des Presbyteriums steht, wie der wirkliche Altar. Genauso entwickelt auch Sartre seine Analysen der Bilder Tintorettos, in dem er Beobachtungen auf einem Bild mit denjenigen auf anderen Bildern überprüft, Thesen verifiziert und Schlüsse auf die Maltechnik Tintorettos zieht.

Zenkerts Studie ist nicht nur für Kunsthistoriker eine interessante Studie, mit der die Ensemblewirkung der Bilder Tintorettos in überzeugender Form dargestellt wird. Ihre Arbeit beruht auf präzisen Analysen der Bilder, mit denen die deren gegenseitige Bezüge aufdeckt und die Illustration der Eucharistie erläutert. Die Konzentration auf die Bilder der Scuolo di San Rocco ist durch deren einmaliges Ensemble völlig gerechtfertigt. Die Beziehungen zwischen diesen Bilder der Scuola und vieler anderer, die Tintoretto für viele andere Kirchen und Gebäude gemalt hat, auch zugunsten ihrer eigenen Thesen, geraten dabei etwas aus dem Blick. In diesem Sinne sind gerade Sartes Tintoretto-Studien eine wichtige Ergänzung zu ihrem Buch.

Heiner Wittmann

Der Betrachter muss immer mitarbeiten

Lars Blunck
Between Object & Event.
Partizipationskunst zwischen Mythos und Teilhabe.
VDG Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2003

I. Rezension:

Mit seiner Untersuchung über die Einbeziehung des Betrachters in die Entstehung des Kunstwerks oder in den Ablauf eines ästhetischen Prozesses hat Lars Blunck einen wichtigen Abschnitt der Kunstgeschichte, untersucht, der von den Experimenten und Exponaten Joseph Cornells und Marcel Duchamp bis Tom Wesselmann, Jime Dine und deren Abkehr von der Idee der Zuschauerbeteiligung in der Pop Art reicht.

Mit seiner Definition der Assemblage in ihren vielfältigen Ausprägungen von der Collage über Objektkunst bis zum Ready-Made entscheidet sich Blunck mit einem Verweis auf William C. Seitz dazu, die Assemblage als eine Gattungsbezeichnung zu benennen, sie aber gleichzeitig auch als Bezeichnung für eine bestimmte „künstlerisch-technische Vorgehensweise“ heranzuziehen. Der zweite Teil der einleitenden Begriffsbestimmung erläutert die Idee der Partizipation. Auch hier wird William C. Seitz genannt, der 1961 in seinem Aufsatz „The Art of Assemblage“ auf die Zuschauerbeteiligung hinwies. Frank Popper stellte 1975 Kontemplation und Partizipation gegenüber. Mit ihren Aussagen präzisiert Blunck diesen Begriff im Rahmen seiner Arbeit, in der vor allem die „taktil-kinästhetische Wahrnehmung“ als eine wesentliche Voraussetzung für eine Partizipation gelten soll.

Die nachfolgenden Kapitel sind ein veritabler und interessanter Gang durch die Kunstgeschichte. Einzelne Kunstwerke von Duchamp, die Miniaturmuseen von Cornell, die Music Box (Elemental Sculpture, um 1953, Sammlung Jasper Johns, New York) und die White Paintings (1951, im Besitz des Künstlers) von Robert Rauschenberg werden besprochen. Die Werke von Jasper Johns von Construction with Toy Piano (1954, Öffentliche Kunstsammlung, Basel) bis Target with Four Faces (1955, The Museum of Modern Art, New York) werden im wesentlichen hinsichtlich ihres Beitrags zum Partizipationsgedanken untersucht. Dabei zeigt Blunck auf, wie sich Johns von dieser Partizipation offenbar distanziert hat.

Andere Wege ging Allan Kaprow mit seinen Assemblagen von Grandma’s Boy (1956/57, The Newark Museum) bis zu seinen Happenings in 6 Parts, die im Oktober 1959 in einer theaterähnlichen Form aufgeführt wurden. George Brecht stellte 1961 seinen Wandschrank Repository (The Museum of Modern Art, New York) vor, der zunächst als Beitrag zu einem Event hergestellt worden war. Water Yam (1963, Staatsgalerie Stuttgart) ist eine Edition, die Brecht 1963 entwickelte. Ihre Karten enthielten unterschiedliche Hinweise auf Events, sogenannte Events-Scores.

Die Involvierung des Betrachters wird mit Edward Kienholz‘ Tableaus und Environments erläutert. Mal sind des Spiegel, die den Betrachter in die dargestellten Szenen integrieren: Roxys, 1962, 1968, documenta Kassel 1968. Aber auch hier zeigt sich, daß die Situationsgebundenheit der Kunstwerke den Partizipationsgedanken verändern oder abschwächen: z.B. E. Kienholz, The Portable War Memorial, 1968, Museum Ludwig, Köln.

Im letzten Kapitel erläutert Blunck die Abwendung von der Idee der Zuschauerbeteiligung in der Pop Art, so wie sie mit den Werken von Tom Wesselmann und Jime Dine gezeigt werden kann. Beide Künstler lehnten diese Partizipation an ihren Assemblagen grundsätzlich und ausdrücklich ab. Ihr Versuch, die „konventinelle Trias von Künstler, Werk und Betrachter“ zu restaurieren, kann möglicherweise, wie Blunck erklärt, „das Wirkungsfeld einer neuen Ästhetik – der amerikanischen Pop Art“ einleiten.

Der hier so kurz umrissene Gang durch die Kunstgeschichte ist eigentlich eine Geschichte der Partizipation des Betrachters, wie sie sich ab der zwanziger Jahren entwickelte und in den sechziger Jahren auch zunehmend theoretisch von den Künstlern selbst reflektiert worden ist. Blunck gelingt es vor allem, die Unterschiede zwischen den Intentionen der Künstler und den Ergebnissen ihrer Werke hinsichtlich der Teilhabe der Betrachter präzise herauszuarbeiten.

Mit den Ergebnissen von Bluncks Untersuchung erhält der Museumsbesucher nicht nur eine nützliche theoretische Grundlage für die Betrachtung dieser Werke, sondern zugleich auch eine fundierte Einführung in die Kunst des 20. Jahrhunderts.

II. Der Betrachter muß immer mitarbeiten, ob er will oder nicht

Ohne jedoch den theoretischen Ansatz von Bluncks Untersuchung schmälern zu wollen, muß doch auf den auch vom Autor selbst mehrfach zitierten Zusammenhang zwischen Betrachterpartizipation und der Rezeptionsästhetik hingewiesen werden.

1946 beschrieb Jean-Paul Sartre in Qu’est-ce que la littérature? die Entstehungs eines Kunstwerks: „[…] l’opération d’écrire implique celle de lire comme son corrélatif dialectique et ces deux actes connexes nécessitent deux agents distincts. C’est l’effort conjugué de l’auteur et du lecteur qui fera surgir cet objet concret et imaginaire qu’est l’ouvrage de l’esprit. Il n’y a d’art que pour et par autrui.“ (Sartre, Qu’est-ce que la littérature? Paris 1947, S. 55 – vgl. H. Wittmann, Sartre und die Kunst. Die Porträtstudien von Tintoretto bis Flaubert, Gunter Narr Verlag, Tübingen 1996, S. 62.) Wenn der Autor und der Künstler ihre Arbeiten beendet haben, sind ihre Werke keinesfalls vollendet. Autor und Leser, Künstler und Betrachter, so darf man mit Blick auf Sartres Ästhetik mit vollem Recht hinzufügen, müssen notwendigerweise zusammenarbeiten, da nur das Ergebnis der gemeinsamen künstlerischen oder schriftstellerischen Arbeit als Kunstwerk bezeichnet werden könne.

Sartre hat seine Porträttechnik, die er mit der Analyse der Werke vieler Schriftsteller und bildender Künstler entwickelt hat, auch auf die Analyse der Werke Tintorettos übertragen. Mit der Interpretation vieler Werke des venezianischen Malers hat Sartre eindrucksvoll gezeigt, wie der Maler durch die Komposition der Bildelemente, durch Einführung der dritten Dimension und die zeitlich vesetzten Szenen auf dem gleichen Bild die Blicke des Betrachters lenkt: „Le Tintoret va mettre le public au travail. Cyniquement. Chacun de ses ouvrages réclamera notre concours; le peintre, au nom de son Art, nous affectera de passions et fera de nous les ‚supporters‘ réels de son monde imaginare.“( Sartre, Saint Marc et son double. Le Séquestré de Venise. Inédit, in: Obliques 24/25, Sartre et les arts (éd. M. Sicard), Nyons 1981 (171-202), Vgl. loc cit., S. 186.)

Schon in der Literaturwissenschaft ist Sartres Beitrag zur Entwicklung der Rezeptionsästhetik übergangen oder nur am Rande erwähnt worden. Er ist kein Kunsthistoriker im eigentlich Sinn, dennoch darf sein Beitrag gerade hinsichtlich der Strategien, wie Künstler ihre Kundschaft miteinbeziehen, nicht unterbewertet werden. Zum einen hat Sartre sich auf Künstler konzentriert, die wie Flaubert, Baudelaire oder Tintoretto für ihre Zeit etwas grundlegend Neues schufen und dieses Ziel auch nur durch aktive Leser- und Betrachterbeteiligung auch im Sinne der Ablehnung und Zustimmung erreichen konnten. Zum anderen hat Sartre immer wieder die Interpretation der Werke durch die Biographien der Künstler mit Nachdruck abgelehnt und stattdessen den Vergleich des Projekts der Künstler mit dem Ergebnis ihrer Werke bevorzugt. Und Sartre hat mit L’être et le néant (1943) ein theoretisches Werk vorgelegt, mit dem er seinen Künstlerporträts ein Fundament verleiht, das im 20. Jahrhundert einzigartig ist. Seine theoretischen Ausführungen zum Blick, zur Freiheit des Menschen und sein Situationsbegriff gehören zu den Grundlagen, mit denen er die Verantwortung des Künstlers und vor allem seiner Rezipienten für die Kunst begründet.

Wenn auch manche Ansätze der Literaturwissenschaft der Philosophie und der Kunstgeschichte auseinanderliegen, so sind fundamentale Verbindungslinien aufzuzeigen, die keinesfalls bloß auf eine beliebige Interdisziplinarität hinweisen, sondern gemeinsame Grundlagen in den Blick nehmen.

Heiner Wittmann

Intellektuelle in Frankreich und Deutschland

Der Intellektuelle und der Mandarin Für Hans Manfred Bock. Hrsg. v. F. Beilecke, K. Marmetschke, Intervalle 8. Schriften zur Kulturforschung, Kassel University Press, Kassel 2005, 809 Seiten.

Im ersten Satz dieser Festschrift, deren Titel an Fritz. K. Ringers Untersuchung Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890-1933 1 erinnert, steht: „Das Konzept des Intellektuellen als Sozialfigur hat in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre verstärkt Eingang gefunden in sozial- und geisteswissenschaftliche Forschungen.“ Ein Blick in einschlägige Bibliographien genügt , um einer solchen Feststellung zu widersprechen. Die Arbeiten aus den 90er Jahren von G. Hübinger, W. Mommsen, M. Gangl, G. Raulet, W. Bialas u.a., die in einer Fußnote angegeben werden, rechtfertigen allenfalls die von den beiden Herausgebern beabsichtigte Fokussierung des Themas auf die Frage „ob und in welcher Weise Intellektuelle zur Konstituierung kollektiver Verhaltensdispositionen und Deutungsmuster beigetragen haben.“ Die Autoren des Vorworts geben sich alle Mühe, den Blick unnötigerweise einzuengen und den Leser auf eine Geschichte der Intellektuellen anhand vieler individueller Exempla („akteurszentrierte Arbeiten zu Persönlichkeiten“) einzustimmen. Die Vielfalt der folgenden Artikel verlangt eine Einordnung, in „1. die sozialstrukturellen Entwicklungsbedingungen“, dann „2. die politische Generationszugehörigkeit“ und schließlich „3. die informellen Gruppenbildungen“, dadurch wird deutlich, welche Mühen die Herausgeber hatten, die heterogene Sammlung der ihnen vorliegenden Aufsätze in eine gewisse Ordnung zu zwängen, die im Ergebnis keineswegs überzeugt. Immerhin wird im Vorwort auch eine historische Dimension mit der Figur des „Mandarin im Wilhelminischen Kaiserreich“ gestreift oder des „kulturellen Mittlers zwischen zwei Nationen (z.B. Diestelbarth und Bertaux)“, womit der erste Satz dieses Vorworts noch einmal in Frage gestellt wird.

Im ersten Teil wird mit einem Aufsatz von Michel Trebitsch über die Geschichte der Intellektuellenforschung in Frankreich eine Perspektive aber nur im Rahmen eines Literaturberichts vorgegeben. Er referiert die Arbeiten von Jean-François Sirinelli, dessen Arbeiten von Pierre Bourdieu einer Analyse intellektueller Milieus ergänzt wurden. Seine Schüler wie Christophe Charle konzentrieren sich auf Untersuchungen hinsichtlich des Grads an Autonomie der Intellektuellen, die von anderen wie Jean-Louis Fabiani auf die Untersuchung von Institutionen ausgeweitet werden. Trebitsch erinnert ausdrücklich an Sartre, der den Intellektuellen vor allem aufgrund seiner kritischen Funktion definierte und ihn als „Anderen“ gegenüber dem Staat, der Macht und überhaupt jeder Orthodoxie beschrieb. Mit seiner Bemerkung über Sartre hat Trebitsch wohltuend und ausdrücklich zu Protokoll gegeben, daß für die Theorie ein kaum mehr als 100 Seiten langes Buch wie das Plaidoyer pour les intellectuels 2 von Sartre genügt, und damit hat er den Unterschied zwischen einer biographischen Annäherung aufgrund von Einzelschicksalen und einer Theorie des Intellektuellen hinreichend deutlich gemacht.

Die folgenden Aufsätze des ersten Teils dieses Bandes referieren einzelne Positionen, die für sich genommen meist interessante Ausblicke bieten. Lothar Peter bezeichnet Pierre Bourdieu als „weder ‚totaler‘ noch ‚spezifischer‘ Intellektueller. Johannes Thomas berichtet unter dem Titel „Jacques Derrida – oder von der Undenkbarkeit eines notwendigen intellektuellen Engagements“ über Derridas Amerikakritik und dessen Europakonzeption und begründet seine Einschätzungen mit einer Darstellung der Zeichentheorie Derridas und dessen Auseinandersetzung mit Husserl. Der Beitrag von Christoph Scheerer über die französische Wirtschaftstheorie hinsichtlich der Regulierung der Wirtschaft paßt nicht in den ersten Teil dieses Bandes, in dem noch Eike Henning eine Theorie politischer Kontingenz bei Max Weber und Carl Schmitt andeutet. Er beginnt bei Machiavellis Fürst und entwickelt eine historische Perspektive als Bestandteil einer Handlungstheorie. Machiavellis Trennung von Tugend und Moral ist später durch ideologische Orientierungen ersetzt worden: Mit einer Bemerkung deutet Henning die Überlegenheit Machiavellis an: „Il Principe ist ein Buch, das empirisch dem Verhalten politischer Akteure nachspürt.“ Wieso empirisch? Machiavelli untersuchte historische Fakten, zog seine Schlüsse, beschrieb die Auswirkungen der politischen Fehler seiner Zeit und begründete die politischen Wissenschaften. 3 Max Weber gilt bei Henning als Antipode zu Schmitt. Der Beitrag über Pop-Stars und „Vor-Ort-Intellektuelle“ von Dietmar Hüser erscheint im ersten Teil etwas unvermittelt, zeigt aber einen interessanten Ausblick auf die Texte der Rapper: „Die meisten Texter sind bestrebt, mit Wörtern als Waffen authentische Straßenliteratur vorzulegen.“ Robert Picht berichtet, wie er zusammen mit Hans Manfred Bock als DAAD Lektoren Anfang der siebziger Jahre aktiv an der Veränderung der französischen Deutschland-Studien beteiligt war und wie sie diese Erfahrungen nach ihrer Rückkehr auf Deutschland übertrugen, um die Frankreich-Studien in Deutschland durch Kooperation und interdisziplinäre Ansätze neu zu gestalten. Picht, der lange Jahre Leiter der Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg war, zeigt, wie die verstärkte Interaktion zwischen beiden Ländern notwendigerweise in ein „Stück europäische Öffentlichkeit“ mündete.

Der 2. Teil „Der Intellektuelle und der Mandarin seiner Zeit“ enthält Aufsätze wie der von Niels Beckenbach über die 1968er Bewegung, über Institutionen, wie der von Nicole Racine über Anne-Heurgon-Desjardins und die Dekaden von Cerisy 4, und von Detlev Sack über Renate Mayntz, Fritz Scharpf (Max-Planck-Institut für Sozialforschung in Köln) sowie viele biographische Artikel über u.a. über Botho Strauß, Lucien Lévy-Bruhl, Arnold Zweig, Benno Reifenberg und die Frankfurter Zeitung, Benedetto Croce, Jorge Semprún. Kaum einer der hier vorgestellten Autoren paßt nicht in diesen Teil des Buches; dennoch ist es ein rechtes Durcheinander in zeitlicher und thematischer Hinsicht, das hier dem Leser zugemutet wird. Eine Auswahl der genannten Personen, die stellvertretend für andere eine bestimmten Typus des Engagements repräsentieren, hätte dem Thema und dem Anliegen dieses Buches viel mehr genutzt.

Der 3. Teil ändert die Perspektive und rückt „Intellektuelle und Mittler im deutsch-französischen Spannungsfeld“ in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und verrät so auch das Anliegen, des Bandes, der sich im wesentlichen auf die deutsch-französische Geschichte beschränkt. Hansgerd Schulte erinnert an Joseph Rovan (1914-2004) und dessen außerordentliche Verdienste für die deutsch-französische Kooperation in Europa. Weitere Aufsätze untersuchen das Engagement u.a. von Gilbert Ziebura, Edmond Vermeil, Eugen Ewig, Theodor Heuss, Klaus Mann, Heinrich Mann, Felix Bertaux und und Hermann Hesse. Auch hier die gleiche Vielfalt wie im zweiten Teil, die die Bezüge zwischen den Aufsätzen missen lässt, und den Leser enttäuscht zurücklässt.

Die Wirkung intellektuellen Engagements wurde keinesfalls erst zu Beginn der 90er Jahre entdeckt. Wenn Ulrich Pfeil in seinem Beitrag über Eugen Ewig an Ernst Robert Curtius und dessen Band „Deutscher Geist Gefahr“ (Berlin 1932) erinnert, so müsste an dieser Stelle auch Karl Mannheim erwähnt werden, wodurch die Bedeutung intellektueller Auseinandersetzungen erst so recht verdeutlicht wird. Dirk Hoeges hat in seiner Untersuchung Kontroverse am Abgrund. Ernst Robert Curtius und Karl Mannheim 5 schon auf Intellektuelle und ‚freischwebende Intelligenz‘ in der Weimarer Republik hingewiesen und mehr als deutlich gemacht, dass Intellektuelle, zu denen auch Curtius gehörte, sich sehr wohl einzumischen wussten. Er und Mannheim haben keinesfalls Gelegenheitsschriften verfaßt. Ihrem Engagement und auch ihrer Gegnerschaft zur beginnenden Diktatur in Deutschland lag eine Theorie des Intellektuellen zugrunde (Cf. Hoeges, op. cit., S. 187 ff.), die die hier zu besprechende Festschrift nicht einmal zwischen den Zeilen auch nur erahnen lässt. Es wird die These aufgestellt, dass diese Theorie erst in den 90er Jahren allmählich formuliert wird, und weil dem keinesfalls so ist, fühlt sich der Leser hier zu Recht mehr als irritiert. Die Rolle der Intellektuellen nahm aber auch andere Züge an, die mit dem Aufsatz Die wahre Leidenschaft des 20. Jahrhunderts ist die Knechtschaft (Camus). Die Nationalintellektuellen contra Menschen- und Bürgerrechte. Ernst Jünger, Martin Heidegger, Carl Schmitt 6 verdeutlicht wird. Manche Intellektuelle begaben sich in Abhängigkeiten oder gar Komplizenschaften, wenn auch nur temporär, in jedem Fall ist die Geschichte der Intellektuellen nicht in bloßen Lebensläufen abzuhandeln. Auch Sartre schien solchen Versuchungen nachgeben zu wollen, bis er sich dann aber doch wieder auf die Unabhängigkeit des Intellektuellen besann.

Solche Ansätze, die eine gründliche Analyse der Geschichte der Intellektuellen in diesem Jahrhundert bieten würden, blendet dieser Band aus. Zwar läßt der Titel und der Umfang des vorliegenden Buches eine umfassende Theorie des Intellektuellen vermuten; er enhält aber nicht mehr als eine Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen in Lebensläufen. Das Ergebnis ist enttäuschend, da wichtige Arbeiten zu diesem Thema nicht genannt werden. 7 Und außerdem: Intellektuelle gibt es nicht erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Die Weltgeschichte weist genügend Namen von Rang auf, die eine solche Verengung des Blicks keineswegs rechtfertigen, wie dies erst kürzlich beispielsweise in der Festschrift für Dirk Hoeges 8 demonstriert worden ist. Das Bewusstsein der Unabhängigkeit durch die eigene Literatur und das intellektuelle Engagement, das sich als ein roter Faden durch die Literaturgeschichte zieht, war den Autoren von Bernardo Machiavelli, über Luigi Alamanni, Condorcet, Achille Murat, Jacques Maritain bis Camus und Sartre bewußt und selbstverständlich. In diesem Sinne kann es nicht angehen, daß auf einmal ein neuer Begriff erfunden wird, der die Entdeckung des Intellektuellen als Ereignis feiert. Der „zivilgeschichtliche Akteur“ (F. Beilecke) ist als Bezeichnung neu, aber die Schriftsteller, die das Ancien Régime zu Fall gebracht haben, hat es schon früher gegeben. Und es ist nicht sicher, dass heutige Intellektuelle es verdienen, ein „fait social“ genannt zu werden, wie Beilecke die „Sozialfigur bezeichnet, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in allen Gesellschaften westlicher Prägung in Erscheinung getreten ist.“ Davor nannte man sie Schriftsteller und Philosophen, die sich in die Politik einmischten oder durch ihre Werke gesellschaftliche Entwicklungslinien vorzeichneten, und die heutigen „Sozialfiguren“ in ihrem Anspruch als Intellektuelle nicht nachstanden, sondern eher überlegen waren.

Die bloße Mitwirkung bei der Gründung binationaler Einrichtungen, wie Beilecke dies vorträgt, genügt indes noch nicht, um der Erkundung der „politischen Handlungsspielräume“ ein besonders wissenschaftliches Interesses an einem Ausbau der Netzwerkforschung zuzugestehen. Alle Definitionsversuche, die die Intellektuellen in erster Linie in ein Netzwerk einbinden möchten, entdecken früher oder später, daß die historischen Bezügen ihr wesentliches Netzwerk sind, um sich in der Literatur und in der Politik ihrer Zeit Gehör und Stimme zu verschaffen. Dabei geht es um die Verantwortung des Intellektuellen, die Jean-Paul Sartre 1946 in dem Aufsatz „Ecrire pour son époque9 eindeutig gekennzeichnet hat: Der Künstler und damit ist auch der Intellektuelle gemeint, muß darauf achten, daß sein Werk ausdrücklich als eine Waffe im Kampf, den die Menschen gegen das Übel führen verstanden werde (S. 671). Was von ihm bleibt, ist die Art und Weise, wie er welche Wahl in seiner Zeit getroffen hat, um diese zu überschreiten. Sartre hat das Maß für das Wirken des Schriftstellers und damit der Intellektuellen sehr deutlich formuliert: „…solange seine Bücher Wut, Unbehaglichkeit, Hass, Liebe provozieren, wird er leben, auch wenn er nur noch ein Schatten ist.“ 10 Der Abschnitt wird hier zitiert, um eine Dimension aufzuzeigen, die der vorliegende Band nur am Rande streift, ja eigentlich unterschlägt. Es geht nicht um die Taten, es geht um die moralischen und ethischen Implikationen, die das Handeln der Intellektuellen bestimmen, und die dem theoretischen Teil dieser Festschrift einen roten Faden hätten geben können, den die Herausgeber nicht ausrollen.

Für eine solche Theorie gibt es heute wahrlich genug Gründe, zu denen ein ganzer Themenbogen gehört von Europa, über das Thema Krieg und Literatur, die Intellektuellen und der Zustand der Universitäten in Deutschland, die Folgen der Globalisierung, wobei hier nicht die Kritik am üblichen Gerede über dieses Thema gemeint ist, sondern das was Geisteswissenschaftler und Intellektuelle dazu sagen könnten.

Reinhart Meyer-Kalkus erinnert im dritten Teil unter dem Titel an „Die Gärten Epikurs in Sanssouci – Französische Epikureer und Materialisten am Hofe Friedrichs II. von Preußen“ und damit an die deutsch-französischen Kulturbeziehungen im 18. Jahr-hundert. Sein Aufsatz hätte im ersten Teil dieses Buches dazu beigetragen, die notwendige historische Perspektive für alle Autoren dieses Bandes weit zu öffnen. Eva Sabine Kuntz berichtet schließlich über „Deutsche und französische Jugendliche“ und deren Begegnungsmöglichkeiten von heute. Joachim Umlauf stellt das Lektorenprogramm des DAAD vor. Damit wird ein nützlicher Ausblick auf die Vermittlertätigkeit gegeben, als Fazit dieses Bandes reicht das aber nicht aus.

Heiner Wittmann
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1. Ringer, F. K., Die Gelehrten, Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890-1933, Stuttgart 1987.
2. Sartre, J.-P.,Plaidoyer pour les intellectuels. Première conférence. Qu’est-ce qu’un intellectuel? [Trois conférences données à Tokyo et Kyoto en septembre et octobre 1965], in: ders. Situations, VIII, autour de 68, Paris 1972,., S. 375-400; Deuxième conférence. Fonction de l’intellectuel, S. 400-430; Troisième conférence. L’écrivain est-il un intellectuel? S. 430-455. – Weitere, z.T. schwer zugängliche Texte Sartres zum Thema des Intellektuellen sind zusammen in der deutschen Ausgabe erschienen: Plädoyer für die Intellektuellen. Interviews, Ar-tikel und Reden 1950 – 1973 (Übs. H. v. Born-Pilsach,  E. Groepler, T. König, I. Reblitz, V. v. Wroblewsky), in: ders. Gesammelte Werke in Einzelausgaben  (Hrsg. V. v. Wroblewsky), Politische Schriften, Band 6, Reinbek bei Hamburg 1995.
3. D. Hoeges, Niccolò Machiavelli. Die Macht und der Schein, München 2000.
4. Cf. „Sartre. Littérature et engagement“, Décade in Cerisy-la-Salle unter der Leitung von M. Rybalka  und M. Sicard, 20.-30. Juli 2005 :
5. Cf. Hoeges, D., Kontroverse am Abgrund: Ernst Robert Curtius und Karl Mannheim. Intellektuelle und „freischwebende Intelligenz“ in der Weimarer Republik, Frankfurt/M. 1994.
6. Hoeges, D., Die wahre Leidenschaft des 20. Jahrhunderts ist die Knechtschaft (Camus). Die Nationalintellektuellen contra Menschen- und Bürgerrechte. Ernst Jünger, Martin Heidegger, Carl  Schmitt, in: W. Bialas, G. I. Iggers, (Hrsg.), Intellektuelle in der Weimarer Republik [Schriften zur politischen Kultur der Weimarer Republik, Band 1], Frankfurt/M. u.a. 1996, (91-104).
7. Cf. Gipper, A., Der Intellektuelle. Konzeption und Selbstverständnis schriftstellerischer Intelligenz in Frankreich und Italien 1918-1930, Stuttgart 1992. Cf. jetzt auch: Buß, M., Intellektuelles  Selbstverständnis und Totalitarismus Denis de Rougemont und Max Rychner – zwei Europäer der Zwischenkriegszeit, Reihe: Dialoghi / Dialogues Band 8, Frankfurt/M. 2005.
8. Rohwetter, C., Slavuljica, M., Wittmann, H., (Hrsg.), Literarische Autonomie und intellektuelles Engagement, Der Beitrag der französischen und italienischen Literatur zur europäischen Geschichte (15.-20. Jh.) Festschrift für Dirk Hoeges zum 60. Geburtstag, Peter Lang, Frankfurt/ M. 2004, darin auch: Buß. M., Intellektuelle und Politik. Deutsch-französische Lernprozesse im 20. Jahrhundert, S. 327-346.
9. J.-P. Sartre, Ecrire pour son époque, in : M. Contat, M. Rybalka, Les écrits de Sartre. Chronologie. Bibliographie commentée, Paris 1970, p. 670-676. Cf. H. Wittmann, L’intellectuel est un suspect, [Vortrag bei der Tagung der Deutschen Sartre-Gesellschaft 1989 im Kloster Walberberg] in: R. E.Zimmermann, Hrsg., Sartre. Jahrbuch Eins, Münster 1991, S. 66-84, wieder abgedruckt in: ders.,  Sartre und die Kunst. Die Porträtstudien von Tintoretto bis Flaubert, Tübingen 1996, S. 165-180.
10. Sartre, loc. cit., S. 676, übers. v. Vf.

Sartre und Foucault


Thomas R. Flynn, Sartre, Foucaul, and Historical Reason. Volume Two. A Poststructuralist Mapping of History, The University of Chicago Press, Chicago, London 2005. ISBN (paper) 0-226-25471-2

Sartre, Foucault und die Geschichte

Dieser kürzlich erschienene Band folgt dem ersten Band „Toward an Exististentialist Theory of History“. Der Autor beabsichtigt eine Rekonstruktion des philosophischen Geschichtsansatzes von Foucault zu unternehmen. In dieser zweibändigen Studie sollen die Geschichtstheorien zweier führender französischer Intellektuellen untersucht werden. Flynn verspricht sich durch diesen Vergleich weiterführende Erkenntnisse vor allem, weil beide sich kannten, aber die Methoden und Konzepten des jeweils anderen rundherum ablehnten. In diesem zweiten Band werden zuerst die Grundlagen des Foucaultschen Ansatzes untersucht, der er in einem zweiten Schritt mit Sartre verglichen wird. In der Einleitung erklärt Flynn detailliert den Aufbau seiner Untersuchung. Das 1.Kapitel führt den Leser in das Denken Foucaults ein und legt drei Abschnitte seines Denkens dar: der archäologische, der genealogische und der problematische Ansatz. Im 2. und 3. Kapitel wird sein Bezug auf die Ereignisgeschichte und sein Nominalismus untersucht, der ihn dazu führt „Macht“ an sich in Frage zu stellen und sich auf individuelle Aktionen zu konzentrieren. Es folgen zwei Kapitel, in denen er Autor einzelne Schriften Foucaults analysiert. Im 2. Teil des Buches wird das Werk Foucaults der Dialektik Sartres gegenübergestellt. Auf diese Wei-se wird z.B. das Konzept des „vécu“ von Sartre mit dem Foucaultschen Ausdruck der Erfahrung verglichen.

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