Sartre. Ohne Literatur und ohne Kunst.
Dorothea Wildenburg,
Jean-Paul Sartre,
Campus Einführungen, .
Frankfurt/M.: Campus Verlag 2004.
ISBN 3-593-37394-7
Die Darstellung, die Dorothea Wildenburg in der Reihe Einführungen bei Campus über Jean-Paul Sartre vorgelegt hat, bietet auf 150 Seiten eine knappe Einführung in sein Werk. Die Konzentration auf seine Hauptwerke, eine für die solche Einführungen verständliche und oft übliche Entscheidung, wirkt sich aber auf das Ergebnis dieses Buches eher nachteilig aus. L’imagination (1936) und L’imaginaire (1938) werden nicht genannt; folglich fehlt auch jeder Hinweis auf die Kunst, mit deren Darstellung Sartre in L’imaginaire seinen Freiheitsbegriff L’être et le néant (Gallimard, idées Nr. 101, S. 343-373) vorbereitet. Überhaupt kommt gemäß dieser Einführung die Kunst im Werk Sartres nicht vor. Spätestens aber mit der Lektüre der Flaubert-Studie wird jedem Leser der Stellenwert der Ästhetik im Werk Sartres auffallen, wenn er in L’idiot de la famille die zahlreichen präzise durchgeführten Analysen der Werke Flauberts entdecken wird. Wildenburg weist mit Recht daraufhin, daß Sartre den Menschen verstehen will, auch wenn sie den von Sartre intendierten totalen, also umfassenden Ansatz nur streift, aber das Verhältnis des Porträtierten zu seinem Werk und damit zur Literatur und zur Kunst als Thema von Sartres Werken nicht nennt. Die Art und Weise, wie sie die Bedeutung der Literatur in der Flaubert-Studie übergeht, ist bedauerlich, aber erklärlich, allein schon weil in dieser Einführung Qu’est-ce que la littérature? (1947) und außer zwei Interviews die Situations-Bände gar nicht genannt werden.
Ein Kapitel berichtet über die existentielle Psychonalyse, über Sartres Freud-Kritik, über seine Suche nach dem konkreten Urentwuf und auf einer Seite über die Flaubert-Studie. Sein Verhältnis zum Marxismus und zu den Maoisten wird im Kapitel “Sartres ‘neue Passion'” abgehandelt, in dem allerdings jeder Hinweis auf die zahlreichen kritischen Äußerungen Sartres zum Marxismus und der PCF fehlen. Der im wesentlichen philosophisch geprägte Ansatz dieser Einführung muß die Verbindung von Philosophie und Literatur, die Sartre durch seine Beschäftigung mit der Kunst geprägt hat, übersehen. Einführungen dieser Art übergehen viele wesentliche Aspekte seines Werkes, sie nehmen wie hier nur einige Werke in den Blick, zeichnen seine vermeintlichen ideologischen Änderungen nach, stellen sein “Sündenregister” (S. 147 ff.) auf und übersehen dabei die erstaunliche Kontinuität, mit der Sartre sein Werk seit der Beschäftigung mit Jaspers (1927) bis zur Flaubert-Studie geprägt hat.
Dennoch hat Wildenburg aber auf ihre Art eine solide Einführung in seine Philosophie vorgelegt. Ihre wichtigsten Begriffe von L’être et le néant, über die demnächst auf deutsch vorliegenden Cahiers pour une morale bis zur Critique de la raison dialectique werden hier in kurzer und prägnanter Form dargelegt und helfen auch beim Verständnis seiner philosophischen Hauptwerke.
Heiner Wittmann