Sartre von A-Z
Cabestan, Philippe
Dictionnaire Sartre
Paris: Editions Ellipses , 2009.
224 Seiten
ISBN 978-2-7298-4347-2
Cabestan weist in der Einleitung seine Leser daraufhin, dass die Einheit von Sartres Denken keinesfalls durch eine Aufzählung einzelner, isolierter Begriffe erklärt werden kann. Es geht nur darum, mit diesem Band Sartre-Lesern einige Brücken zum Verständnis anzubieten. Ein Leser, der sich nur auf die Lektüre von Cabestan Dictionnaire beschränkt, wird auch die Entwicklung der Begriffe im Werk Sartres übersehen. Damit meint der Autor auch die persönliche Entwicklung Sartres, die für manche Interpreten auf der Suche nach seinen ideologischen Veränderungen besonders wichtig ist. Ihnen gegenüber betont der Autor mit Recht die Beharrlichkeit Sartres, seine frühen Erkenntnisse, die die Einheit seines Werkes bestimmen, zu der seine Entwicklung gehört, eine totalisation, die erst mit seinem Leben endete. Allerdings erinnert Cabestan mit einem Beispiel an Sartres eigene Versuche, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen: 1975 erklärter er in einem Gespräch mit M. Contat, dass die Freiheit ohne die Möglichkeit ihrer Entfremdungen nicht verstanden werden könne. (Situations, X, 13) Ob durch eine solche Aussage die Bedeutung der von Cabestan in diesem Zusammenhang zitierten Schriften L’existentialisme est un humanisme (1947) oder L’être et le néant, in ihrer Aussagekraft wirklich tangiert werden?
Jeder Sartre-Leser wird in diesem Dictionnaire nach den Stichworten suchen, die ihm vertraut sind. Eine Seite zum Stichwort Ästhetik im Werk von Sartre reicht natürlich nicht aus. Aber Passagen, die Cabestan zitiert oder resümiert, erinnern den Leser an wichtige Werke Sartres : Qu’est-ce que la littérature?, La responsabilité de l’écrivain und bestimmte Texte in Les Ecrits de Sartre. Stichwörter wie Analogon, Beau, Création, Esthétisme, Gestalttheorie, Image et Imagination, littérature engagée, Œuvre d’art, Perception, Phénoménologie, Prose et poésie, Psychanalyse existentielle, Regard, Sens et signification d’une œuvre d’art, Universel singulier u.a. belegen wie eng Sartres Ästhetik mit seiner Philosophie verbunden ist. Es ist nur zu leicht, Lücken in den einzelnen Beiträgen aufzuspüren. Die Lektüre der hier genannten Einträge gibt aber tatsächlich einen kompakten Einblick in seine Philosophie, und Cabestan vermittelt auf geschickte Weise Querverbindungen zu anderen Themen und erklärt, Abgrenzungen und Gegensätze Sartres zu anderen Autoren.
Natürlich habe ich in meinem eigenen Zettelkasten zu L’Idiot de la famille nachgesehen und nach Karteikärtchen mit wichtigen Stichwörtern gesucht. So scheint die literarische Seite seines Werkes in diesem Dictionnaire weniger stark als die Philosophie vertreten zu sein. Déréalisation, Individu, Laideur, Vérité, Artiste, Confiance, Nature, Activité passive, Appel hätten vielleicht einen eigenen Eintrag verdient, aber viele andere Begriffe, die möglicherweise auch noch fehlen, sind in den vorhandenen Einträgen zu finden. Die Suche nach fehlenden Stichwörtern war eine gute Übung, denn damit wurde deutlich, wie sorgfältig und mit welchem Sachverstand Cabestan die Auswahl der Stichwörter vorgenommen hat.
Einträge wie der zum Marxismus zeigen in aller Kürze Sartres Entwicklung. Nannte er ihn noch 1960 eine unüberschreitbare Philosophie unserer Zeit, so war er 1975 auf der Suche nach einer Philosophie, die ihn überschreitet. Nur den Marxismus von Marx hielt Sartre für unüberschreitbar, den seiner Anhänger kritisiert Sartre in scharfer Form, aber auch Marx gegenüber bewahrte er eine kritische Distanz. Beispiele wie diese zeigen, wie es dem Autor gelingt, auf zwei Seiten eine sehr komplexe Frage im Rahmen der zur Verfügung stehenden Seiten präzise darzustellen.
Die einzelnen Einträge sind alle nach einer ähnlichen Form gestaltet: Bien et Mal: „Libre, l’homme doit agir et par ses actions décider lui-même du bien et du mal. Le Bien ‚existe pas en dehors de l’acte qui le fait‘ (Cahiers pour une morale, p.573)“
Im ersten Absatz jedes Beitrags erscheint ein knapper Satz, der die Bedeutung des Stichworts umreißt, der dann von einem Zitat als Beleg gefolgt wird. Auf diese Weise vermittelt der Autor am besten sein Wissen und seinen Einblick in das Werk Sartres und macht aus den Beiträgen tatsächlich Bücken, die das Verständnis zwischen dieses Begriffen erleichtert. So auch im Artikel Responsabilité: „Reprenant l’acceptation courante de ce temre, Sarte définit la responsabilité comme la conscience d’être l’auteur d’un événement ou d’un objet.“ Et Cabestan ajoute une citation clé de Sartre: „En ce sens, la responsabilité du pour-soi est accablante.“ (L’être le néant, p. 612 f.)
Die anfängliche Skepsis weicht beim Ausprobieren dieses Buches der Überzeugung, ein nützliches Buch in der Hand zu halten.
Was die Website der Editions Ellipses betrifft, so ist es sehr schade, dass dort nicht mehr über dieses Buch zu erfahren ist. Immerhin, der Verlag hat einen Blog, auf dem kürzlich eine neue Version der Website angekündigt wurde.
Heiner Wittmann
Colloque Levinas et la philosophie du XX° siècle en France
organisé par Jean-Michel Salanskis (univ. Paris X) et Frédéric Worms
(univ. Lille III, CIEPFC, ENS)
Cogito et phénoménologie : Husserl, Sartre et Levinas
Philippe Cabestan (philosophe) [27 avril 2006 à 14h00]
Enregistrement audio de la conférence de Philippe Cabestan