Crise écologique et crise sociale

Hervé Kempf, Comment les riches détruisent la planète,
Paris, Editions du Seuil (Poche, Essais 611), Paris 2007.

Hervé Kempf, Journalist bei LE MONDE hat in zwei Büchern Comment les riches détruisent la planète und > Pour sauver la planète, sortez du capitalisme seine Kritik an einem ungebremsten Kapitalismus vorgetragen und vor allem gezeigt, wie soziale Fragen und Umweltschutz eng miteinander verbunden sind. Die Nachweise (S. 127-148) belegen, dass Kempf nicht nur ein Pamphlet verfasst hat, er legt hier die Summe seiner mit bester journalistischer Methode ausgeführten Untersuchungen vor.

Unsere Politiker reisen weltweit zu Kongressen, um die Finanzkrise in den Griff zu bekommen, sie verbuchen es gleich als ihren Erfolg, wenn die Indizes leichte Erholungen der Märkte andeuten, wenn sich langsam wieder Wachstum einstellt. Die gleichen Politiker besuchen Klimakonferenzen und zeigen sich von den Vorhersagen beeindruckt, sind einsichtig und fordern eine Reduktion der Treibhausgase, ohne ein Erfolgsrezept im Gepäck bereitzuhalten.

Kempf erinnert daran, dass das weltweite Artensterben einen engen Zusammenhang mit der ungebremste Landnahme durch den Menschen wie die Überfischung der Weltmeere zusammenhängt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Kurz, die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten ist an ihr Ende gekommen. Aber es geschieht nichts. Der Fortschritt wird weiter durch mit dem Bruttosozialprodukt gemessen, das die Kosten für die Umwelt unberücksichtigt lässt. Die Eliten lassen Umweltfragen nicht an sich herankommen, sie sind im wahrsten Sinne des Wortes von ihrer Umwelt abgeschottet.

Die Armut kehrt in Folge der Globalisierung in verschärftem Maße wieder, wie dies mit vielen Zahlen belegt werden kann. Außerdem ist weltweit der Zuzug in die Städte als Alternative keine Lösung mehr. Die Landflüchtlinge finden dort nur neue Probleme vor. Armut und Umweltprobleme wiegeln sich gegenseitig auf.

Der Reichtum ist auf einige Wenige verteilt, die für Kempf Angehörige einer blinden Oligarchie sind. Die zahlenmäßig geringe Oberklasse, die besonders viel verdient und so bei allen anderen Klassen nach Thorsten Veiblen den Wunsch nach Imitation, Aufstieg und Unterscheidung auslöst, sind Kempf ein Dorn im Auge. Kempf ist überzeugt davon, dass eine Steigerung der Produktion unsere sozialen und Umweltprobleme nicht lösen werden. Mit Veiblen plädiert er für eine Reduktion der Produktion und damit des materiellen Konsums. Viel spricht dafür, so Kempf, dass diese Forderung nicht so schnell zu realisieren sein wird. Aber für Kempf gibt es weitere Anzeichen dafür, dass jetzt gehandelt werden muss:

Er sieht die Demokratie in Gefahr. Sein Vorwurf wiegt schwer. Eine Welt-Oligarchie hat der Demokratie und der Freiheit den Kampf angesagt (S. 93). Er formuliert dieses Vorwurf aufgrund der Anstrengungen vieler Staaten ihre Bürger immer mehr zu kontrollieren. Er denkt dabei an die 500 Seiten des Patriot Act in den USA, aber auch an die RFID-Chips, die wei auch bei den Personalausweisen in Deutschland von immer mehr Staaten, eingesetzt werden. – Ich habe schon immer ein mulmiges Gefühl, wenn der Zugschaffner meine Bahncard in seinem Gerät “durchzieht”: Wieviel Missbrauch kann damit angerichtet werden. Erstmal dient dieser Datenwust der Bahn das optimale Preismodell zu ihren alleinigen Gunsten auf unsere Kosten zu ermitteln, und herauszufinden, wann ich von wo nach wo reise. Die RFID-Technik kann nicht nur den Weg von Leergut überwachen, diese Technik kann dazu missbraucht, uns zu überwachen. – Kempf legt also den Finger auf die Wunde. Und er berichtet auch vom Verrat der Medien (S. 108 ff), die unkritisch über den Krieg in Afghanistan und im Irak berichten.

Was ist zu tun? Kempf ist überzeugt, dass der Glauben an das ungebremste Wachstum nicht gerechtfertigt ist, genauso wenig, wie der technische Fortschritt die Umweltprobleme nicht lösen wird. Das Problem der Arbeitslosigkeit ist für ihn kein isoliertes Problem. In diesem Punkt wird er sehr deutlich. Er hält den Kapitalismus für fähig, eine gewisse Arbeitslosigkeit beizubehalten, um eine Willfährigkeit der Arbeitnehmer und niedrige Löhne beibehalten zu können. (S. 117) Und die Gehälter der oben erwähnten Oligarchie will er von oben her kürzen: RMA – Revenu maximal admissible.

Manche seiner Lösungen sind radikal. Aber er beruft sich auf eine sorgfältige, nachprüfbare Analyse. Er hat ein anregendes Buch verfasst, das man ruhig mal als Messlatte für manche unserer Politikerreden lesen und heranziehen sollte. Kempf trägt seine Überlegungen vor und nennt die Konsequenzen, die unsere Politiker immer wieder gerne übergehen.

Heiner Wittmann

> Hervé Kempf et Stefan Rösler: La crise du climat et la crise du capitalisme. La fin du progrès sans bornes
Veranstaltung im Institut français de Stuttgart am 17. November 2009