Poesie und Identität

Khalid Hadji,
La présence poétique
Lecture d’Arman Monjo, Abdelllatif Laâbi et Mahmoud Darwich.
Université Sidi Mohammed Ben Abdellah, Fès, 2006

Die présence poétique ist etwas, das bei einem Autor das verlangen, sowohl im Glück wie im Unglück zu sprechen, bezeichnet. Außerdem bezeichnet sie auch das Bewusstsein, das der Autor von seiner Identität, seiner Sprache und seiner Lebensumgebung hat. “Das Gedicht kann einen Sinn erzeugen, weil seine Wörter, obgleich es dieselben sind, etwas anderes aufdecken kann,” heißt es in der Einleitung zu diesem Band, in dem es darum geht, die Formen und Figuren dieser “présence poétique” zu analysieren, um die Frage zu beantworten, warum auf die Dringlichkeit, die Welt zu bewohnen, ein so großer Wert gelegt wird? Es geht um das Verhältnis von Poesie und Existenz, das die Werke der für diese Studie ausgewählten Dichter bestimmt.

Armand Monjo (1913-1998), ein Freund von Jean Giono und Pablo Picasso. Von ihm stammt eine zweisprachige Anthologie Poésie italienne (Seghers, Paris 1964). Trotz seines Engagements sei er nur wenig bekannt geworden. Abdellatif Laâbi (1942 in Fès geboren) gehört zu den Mitbegründern der Zeitschrift Souffles. Von ihm erschien zuletzt Fragments d’une genèse oubliée (1998). Seine Poesie, die jede Form der Reduktion überschreiten will und die Sprache neu bewerten will, bringt ihn in die Nähe zu Mahmoud Darwich (geboren 1941 in Galiläa). Zuletzt erschien Onze planètes (1992).

Die Fragen nach der Präsenz, das Sein-in-der-Welt und dem Standort berühren die Philosophien, die das Sein befrgaen, vor allem die Ontologie Martin Heideggers, erklärt der Autor dieser Studie, die er in drei Teilen vorlegt: Im ersten Kapitel “Ecriture de la présence” geht es um die Darstellung der Welt, die Dichtung, die Dauer und schließlich um die Entwicklung des poetischen Gedankens. Im zweiten Kapitel untersucht der Autor die Symbolik unter dem Stichwort der Mimesis und im dritten Kapitel steht die Semiotik im Vordergrund seiner Untersuchung.

Im ersten Kapitel wird die “présence poétique” als eine Offenbarung der Welt verstanden. Diese poetische Präsenz ist aber gleichzeitig auch als eie Art geheimnisvolles Einverständnis mit der Wlet zu verstehen. Es geht aber hier auch um das Lebendige selbst, durch das der Sinn entsteht, dne der Autor auch als Wiederaneignung einer verlorenen Substanz bezeichnet. Gegenwart und Abwesenheit kennzeichnet die poetische Entwicklung im zweiten Kapitel, wobei der Zeichenvorrat des Dichters, deesen er sich bedient, auf einen Erkenntnisakt zielt: Der Sinn entsteht durch die Beschreibung der Formen der Existenz. (S. 91). Die “présence poétique” bedeutet eine Projektion des Seins auf die Existenz, die auch das Anderssein des eigenen Ichs einschließen kann.

Diese Studie über drei Dichter, die aus verschiedenen Kulturen stammen, zeigt bei ihnen ganz ähnliche Ansätze, mit der ihrer Dichtung die eigene Identität zu untersuchen und auszudrücken. Mit dem bezug auf theoretische Texte zur Poetik wie u.a. auch von Paul Ricoeur, Yves Bonnefoy, der Autor nennt auch Käte Hamburger verleiht er seiner Studie ein solides theoretisches Gerüst. In diesem Sinne geht es in seiner Studie nicht nur um die Interpretationen ausgewählter Gedichte, sondern auch um eine vergleichenden Analyse dreier Poetiken, wobei der Autor Ähnlichkeiten und Unterschiede aufdeckt.

Heiner Wittmann