Wird E-Learning das Lernen verändern?

Nicolas Apostolopoulos, Harriet Hoffmann, Veronika Mansmann, Andreas Schwill (Hrsg.),
E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter
Waxmann, Münster 2009.
ISBN 9783830921998 (ISBN: 3-8309-2199-3)
432 Seiten, Paperback, 2009.

Noch immer gibt es viele unterschiedliche Meinungen, ob das Lernen mit elektronischer Unterstützung effektiver ist und zu besseren Lernergebnissen führen kann. Ist der PC ein Lehrerersatz? Kann ein PC die Motivation eines Lernenden unter bestimm-ten Umständen günstig beeinflussen? Hilft er beim dezentralisierten Lernen? Welche Rolle spielt das Internet bei neuen Lernformen? Können bestimmte fachgebundene Verfahren oder Methoden mit Hilfe der Computertechnik neu gefaßt oder mit ihrer Hilfe weiterentwickelt werden? LNoch immer gibt es viele unterschiedliche Meinungen, ob das Lernen mit elektronischer Unterstützung effektiver ist und zu besseren Lernergebnissen führen kann. Ist der PC ein Lehrerersatz? Kann ein PC die Motivation eines Lernenden unter bestimmten Umständen günstig beeinflussen? Hilft er beim dezentralisierten Lernen? Welche Rolle spielt das Internet bei neuen Lernformen? Können bestimmte fachgebundene Verfahren oder Methoden mit Hilfe der Computertechnik neu gefasst oder mit ihrer Hilfe weiterentwickelt werden? Lohnt sich der immense technische Aufwand hinsichtlich der zu erwartenden Lernergebnisse? Können Computerprogramme Lernergebnisse in irgendeiner Form bewerten und für die Lerner individuelle Förderungen bereitstellen? Das immer noch neue Stichwort Web 2.0, das als Schlagwort das Mitmach-Internet umschreibt, scheint dem Internet mit soziale Medien ganz neue Perspektiven zu eröffnen, deren Auswertung in vielen Bereichen des Lernens noch gar nicht realisiert, geschweige denn wirklich untersucht worden sind.

Stellt man sich diese und ähnliche Fragen, kommt der Band E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter gerade im richtigen Moment und pünktlich, druckfrisch kurz dem Ende der Tagung und verspricht Forschungsergebnisse auf aktuellem Stand. Rund 100 Autoren, die zusammen 37 Beiträge verfasst haben, bieten in diesem Band einen aktuellen Überblick über alle Themenbereiche des “Lernens im digitalen Zeitalter”. Der Band ist das Ergebnis der Tagung mit dem gleichnamigen Titel E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter, die als 14. Jahrestagung von der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) ausgerichtet wurde und an der FU in Berlin vom 14. – 17. September 2009 stattgefunden hat.

Die Versuchung ist groß, den Inhalt jeden Beitrags hier zu referieren, da jeder von ihnen interessante Teilaspekte vorstellt, die sich wie Mosaikbausteine zu einem Gesamtüberblick vereinen lassen und den Veranstaltern der Tagung tatsächlich einen Erfolg bescheinigen. Ihnen ist es gelungen, die vielen Autoren dieser Beiträge zu einem konzentrierten Überblick über dieses Thema zu vereinen, die zunächst eine unglaubliche Vielfalt wiedergeben, aber dennoch zielgerichtet einige Hauptthesen vorstellen und ihre Bewertungen diskutieren.

Die Aufsätze sind in drei Kapitel gegliedert: Neue Lernkulturen – Nachhaltige Veränderungen durch E-Learning, Neue Entwicklungen im E-Learning und Institutionalisierung von E-Learning.

Die Mehrzahl der Beiträge in diesem Band beschäftigt sich mit theoretischen Grundlagen des E-Learning, mit den notwendigen wissenschaftlichen Definitionen und mit Evaluierung von Perspektiven. Es fällt auf, dass Inhalte der Lehre und einzelne Fächer kaum oder höchsten nur am Rand (Wirtschaftsinformatik, S. 19) genannt werden. Ohne Zweifel gibt es Fächer und Themen, wie auch viele Methoden des Spracherwerbs, für die Formen des E-Learning sehr viel besser geeignet sind, als zum Beispiel für philologische Fächer, bei denen oft das Lesen im Vordergrund steht.

Gudrun Bachmann, Antonia Bertschinger, und Jan Miluška sprechen sich in ihren Beitrag E-Learning ade – tut Scheiden weh? dafür aus, den Begriff des E-Learning zu vergessen, ihn nicht mehr zu verwenden, sondern künftig nur noch von “Neuen Medien in der Lehre” zu sprechen. Recht haben sie! Das Lernen mit der Unterstützung durch einen Computer mit einem Lernprogramm hat immer noch mehr mit dem Intellekt des Schülers oder des Studenten als mit der Elektronik zu tun. Vielleicht war es Anfang dieses Jahrtausend die Faszination, die das elektronisch gestützte Lernen auf Didaktiker ausübte, die zu dem Begriff E-Learning geführt hat und die das bloße Mittel gleich zur Bezeichnung der Lernmethode erhob und den Blick auf die vielen Möglichkeiten ganz unterschiedlicher Ansätze computergestützen Lernens verstellte. Be-gnügt man sich auf die Nennung der Neuen Medien, wird das Kreativitätspotenzial erkennbar, das mit ihnen verbunden ist.

Die Beiträge im ersten Teil des Bandes Neue Lernkulturen – Nachhaltige Veränderungen durch E-Learning, stellen Lernverfahren vor, die mit Hilfe der Computertechnik im Verbund mit dem Internet entwickelt wurden. Aber gerade hier fehlen oft praktische Bezügen zu den Inhalten, wodurch der Eindruck entsteht, die technischen Voraussetzungen liegen vor, jetzt werden Anwendungsgebiete gesucht. Der Einsatz von “Lerntagebüchern / Blog” hieß zu Zeiten vom Lernen 1.0 ganz einfach Mitschrift, die man auch schon mal einem Kommilitonen überließ. Elektronisch gestütztes Lernen ist eine willkommene Hilfe für standortunabhängige Lernszenarien. Einige der vorliegen-den Beiträge liefern dazu nützliche Beurteilungskriterien und zeigen mögliche künftige Entwicklungslinien auf.

Elektronisches Lernen kämpft oft mit notwendigen und technisch bedingten Einschränkungen. Computerprogramme können Antworten der Lernenden nur dann evaluieren, wenn ihnen die Antworten in irgendeiner Form vertraut sind, oder ihnen die Analyse und die Beurteilung in einem komplizierten Prozeß, der kaum realisierbar ist, beigebracht worden ist. Folglich müssen sich die Autoren von Lernprogrammen oder Lernumgebungen – mit diesem Begriff geht man vielen Schwierigkeiten aus dem Weg – zunächst auf die Definition von didaktischen Konzepten und Einschränkungen konzentrieren, mit denen der Einsatz elektronischer Unterstützungen erst möglich wird. “Entwurfsmuster”, so wie Christian Kohls sie vorstellt, gehören in diesen Bereich, wenn es darum geht “Komplexität zu reduzieren”, also Lernthemen den Neuen Medien anzupassen. Die “Patternbeschreibung” bei www.e-teaching.org dient solchen Zielen. Die wissenschaftliche Begleitung dieser Lernformen ist sinnvoll und führt zu überzeugenden Ergebnissen, solange man die Vermittlung der Inhalte aus der Perspektive der Neuen Medien betrachtet. Ob allerdings spezifische Inhalte, die über die Vermittlung von Informationen hinausgehen, auf die elektronische Weise wirkungsvoller vermittelt werden, würde nur durch die Konkretisierung von Anwendungsszenarien einsichtig werden. Der Einsatz von Neuen Medien kann auch ganz einfach zu einer Reizüberflutung führen, die den Studenten die Fähigkeit entzieht, eine Vorlesung zu verfolgen und eine nützliche Mitschrift anzufertigen, die ihnen die Fähigkeit vermittelt, nach der Vorlesung die Kernaussagen der wiederzugeben und zu behalten.

Die Beurteilung von Lehre und Unterricht wird durch den Einsatz elektronischer Mittel gefördert, man könnte auch noch sagen auf die Spitze getrieben. Melanie Paschke, Matthias Rohs und Mandy Schiefner haben in ihrem Beitrag Vom Wissen zum Wandel beispielhaft an einem Blended-Learning-Kurs gezeigt, wie die Evaluation durch die Teilnehmer dazu beitragen kann, das “didaktische Design” = Lehrmethode einer Veranstaltung günstig zu beeinflussen. Auch in diesem Beitrag fehlt jeder thematische Bezug, dadurch entsteht der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit der didaktischen Überlegungen, die sich trotz des guten Willens der Autoren von den Inhalten des Studiums entfernen. Auch hier gilt, dass das Lernen mit Hilfe der Neuen Medien in bestimmten Fächern mehr Erfolg haben kann als in andern Fächern. Die Art und Weise, wie die Autoren dieses Beitrags, Studenten nach der Evaluation von Lehr- und Lernstrategien befragen (S. 78 f), lassen eine merkwürdige Distanz zu den Inhalten erkennen. Ob sich dahinter die Vorlesung eines Historikers oder eines Juristen verbirgt? Aber das ist vielleicht eine grundsätzliche Frage von Evaluationen im Hochschulbereich, die über die Fragestellungen von Bewertungen im Bereich des E-Learning weit hinausgeht.

Jutta Pauschenwein, Maria Jandl und Anastasia Sfiri haben in ihrer Untersuchung zur Lernkultur in Online-Kursen verschiedene Formen von E-Tivities mit Hilfe der Aussagen der Studenten evaluiert. Den Autoren gelingt es, interessante Ansätze vorzustellen. Ihre Konzentration auf die Lernenden der beobachteten Kurse übergeht aber an manchen Stellen die didaktischen Vorstellungen derjenigen, die die Kurse geleitet haben. Eine solche Konzentration auf Lernergebnisse aus Lernersicht ist wiederum eine Folge einer Intensivierung von Evaluationsformen, die der Hochschullehre nicht immer förderlich ist. Ein solche Eindruck entsteht, wenn das Feedback sich zunehmend auf di-daktische Fragen oder gar nur auf Fragen der Lernorganisation beschränkt und die inhaltliche Diskussion immer mehr zurückdrängt.

Rolf Schulmeister trägt mit einem Beitrag Studierende, Internet, E-Learning und Web 2.0 zu einer Ernüchterung und einer Ausgewogenheit dieses Bandes bei. Seine Skepis gegenüber dem tatsächlichen Gebrauch und Einsatz von Web.2.0 ist nur zu sehr be-rechtigt. Betrachtet man die Ergebnisse der mg-studie, die er zitiert (S. 131) kann man den Eindruck gewinnen, dass außer dem Kommunikationsangebot des Internets bei Schülern und Studenten und vielleicht noch das Nachschlagen in einer Online-Enzyklopädie kaum etwas anderes hängenbleibt. Schulmeiser dreht die enttäuschenden Ergebnisse seines Beitrags in Positive und erklärt, dass Studenten “eine sehr pragmatische und rationale Einstellung zum Gebrauch der Neuen Medien einnehmen” (S. 140), wobei aber nicht vergessen werden darf, dass nur 1,7 Prozent seiner befragten Studenten an das Veröffentlichen eigener Texte im Internet denkt. Ach. hätte ich doch im Studium dach auch schon meine Internet-Seite mit den Rezensionen gehabt.

Auch Birgit Gaiser und Anne Thillosen widmen ihren Beitrag dem Web 2.0: Hochschulehre 2.0 zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Mit ihren Überlegungen zur “Um-strukturierung der klassischen universitären Vorlesung” (S. 191) bin ich allerdings gar nicht einverstanden. Die einmalige Vorlesung, die den Studenten Konzentration und den Aufbau von Sachkenntnis abverlangt ist nicht durch die überall wieder abspielbare Podcastkino zu ersetzen, sie ist so allenfalls im Sinne einer Dokumentation also einer späteren Veröffentlichung zu ergänzen. Die Überlegungen, die die Autorinnen hier vortragen, entstehen nur durch die technischen Möglichkeiten, sie sind nicht aufgrund inhaltlicher Bedürfnisse gerechtfertigt. Wikis und die “Praxis kollektiven Schreibens” sind ebenfalls technikgetrieben, so wie Beiträge in Wikipedia sich zu einem Spiel wie die stille Post entwickeln, wenn anonyme Autoren Einträge mit dem Antrieb sie in ein bessere Format zu bringen, inhaltlich deformieren ohne bereit zu sein, ihre eigene Identität aufzudecken. Und so kommen wir wieder zu der Frage, ob neudeutsch kollaboratives Lernen unbedingt nur eine Folge von E-Learning sein muss. Die Autorinnen sprechen von “hypertextueller Struktur” und meinen damit die Verweise in alle Richtungen. Wikipedia-Artikel haben oft solche Verweise, die ihren Autoren nützlich er-scheinen, die oft nur wegen ihrer vordergründigen Nützlichkeit gesetzt werden, aber keine inhaltliche Relevanz haben. In den Geisteswissenschaften haben Indizes einen ganz praktischen Sinn, aber die Verweise innerhalb von Texten sind nur selten geeignet, Einsichten und Wissen zu vermitteln. Die Beschreibung von Wikis und Podcasts in der Hochschullehre reicht nicht aus (S. 192), um daraus “bereits eine Veränderung der akademischen Lernstruktur” abzuleiten. Gabi Reinmann fragt iTunes oder Hörsaal? Ihre Zusammenfassung S. 265 f.) zeigt, dass sie sich des Problems, das schon durch den Titel ihres Beitrags aufgeworfen wird, bewußt ist. Es geht um die “bloße Rezeption von Inhalten”, die sie “interaktive[n] und soziale[n] Prozesse des Lernens gegenüberstellt”. Anstatt zu einer Verhärtung beizutragen, will sie moderne Technologien, nutzen, um “eine neue Kultur der mündlichen Weitergabe wissenschaftlichen Wissens zu entwickeln.” (S. 266)

Brigitte Grote und Stefan Cordes konzentrieren sich in ihrem Beitrag Web 2.0 als Inhalt und Methode in Fortbildungsangeboten zur E-Kompetenzentwicklung ebenfalls auf die technischen Möglichkeiten und akzentuieren in dem Titel ihres Beitrags das E. Man kann den Beitrag der beiden Autoren auch als eine soziologische Fragestellung verstehen. Ihr Erstaunen, dass vernetztes Lernen für viele Teilnehmer der von ihnen beobachteten Kurse ungewohnt ist, hängt mit der Erwartungshaltung der Autoren zusammen. Vernetztes Lernen im Web 2.0 ist in sich nichts Neues. Web 2.0 und Social media stellen hier nur Plattformen oder Websites zur Verfügung, mit der real vorhandene Prozesse abgebildet oder unterstützt werden können. Wenn aber ein Wiki oder ein Blog oder eine Website mit Rezensionen den Austausch von Informationen unter den Studenten oder gar nicht den Kontakt zu ihren Hochschullehrern verbessert, dann ist viel gewonnen. Und dafür sind die E-Medien ein Hilfsmittel, sie sind überhaupt nicht geeignet, diese Netzwerkbildung zu ersetzen.

Im dritten Teil Institutionalisierung von E-Learning wird eine beeindruckende Zahl von Lehrformen, die an verschiedenen Hochschulen durch die Neue Medien unterstützt werden, vorgeführt. Einerseits wird die Kreativität der an diesen Projekten Beteiligten (“Brückenkurse zur Senkung der Studenabbrecherquoten” S. 208) deutlich, andererseits kann auch der Eindruck entstehen, dass die Neuen Medien über die Bereitstellung von Informations-Angeboten noch nicht hinausgekommen sind. Vernetzungen in alle Richtungen reicht nicht aus, um den sachgemäßen Vorteil für ein Fach unter Beweis zu stellen.

Statt einer Besprechung auf nur einer knappen Seite zeigen nun vier Seiten, wie anregend der vorliegende Band ist.

Heiner Wittmann

Wir sollen die Herrschaft über die Computer zurückgewinnen.

Frank Schirrmacher,
Payback .Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen
Blessing, München 2009.
240 Seiten. ISBN: 978-3-89667-336-7

Zwei Teile hat das Buch. Zuerst erklärt Frank Schirrmacher, warum wir hinsichtlich unserer digitalen Welt tun, was wir nicht tun wollen, und im zweiten Teil stellt er Überlegungen an, dass wir und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen müssen. Damit sind auch die Hauptthesen dieses Buches knapp und präzise umschrieben. Die Computerwelt hat uns zu Verhaltensweisen verleitet, die wir eigentlich gar nicht mögen, schon gar nicht wahrhaben wollen. Und so lautet die Botschaft des Autors, es ist für eine Rückbesinnung noch nicht zu spät, allerdings muß die Neujustierung der digitalen Welt, womit er aber im wesentlichen unseren Umgang mit ihr meint, unbedingt bald und ohne Zögern erfolgen. Der Befund ist eindeutig und nach der Lektüre sind die Urteile im ersten Teil des Buches (über 160 Seiten) zwar nicht überall wirklich überzeugend, aber der Autor hat sein Anliegen verständlich formuliert. Leider ist der zweite Teil nur knapp halb so lang und bietet folglich auch nur einige Einsichten und Handlungsanweisungen.

Ohne Zweifel kennt sich der Autor in soziologischen Fragen rund um das Internet vorzüglich aus, wie die zahlreichen Belege dies ausführlich dokumentieren. Seine Berufung auf wissenschaftliche Untersuchungen an vielen Universitäten und die Hinweise auf renommierte Experten bergen aber auch Gefahren der Einseitigkeit, weil eine andere Auswahl möglicherweise andere Ergebnisse stützen könnte. Zum Beispiel warnt er in dem Kapitel „Warum Menschen nicht denken“ vor der Verschiebung der Aufmerksamkeit in „Skripte“ (S. 118 f.), eine Art Drehbücher, die unseren Umgang mit digitalen Informationen bestimmen und die es uns erschweren, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden. Schauen wir uns die Argumentation auf diesen beiden Seiten genauer an: Schirrmacher fragt, was geschehe, wenn unsere Aufmerksamkeit aufgefressen werde, und warum es geschehe? Dann folgt eine rhetorische Frage mit einer eindeutigen Antwort: „Ist es dieser Zustand, den der Computer nutzt und verstärkt, ohne dass wir es merken? Kurz gesagt: Ja, er ist es.“ Das ist aber keineswegs so sicher, klingt aber hier nur so. Dann kommt noch eine kurze Erklärung dieser Bestätigung, bevor der Autor den „britische(n) Mathematiker – und einer der Väter der Informatik – Alfred North Whitehead“ als Illustrierung dieses Gedankens zu Wort kommen lässt, der „die dazugehörige Ideologie stellvertretend für viele formuliert: „,Zivilisation entwickelt sich in dem Ausmaß, in dem wir die Anzahl der Operationen ausdehnen können, die wir ausüben, ohne über sie nachzudenken…‘.“ Man könnte diese Passage auch als eine Art Skript oder Modell für das ganze Buch bezeichnen, weil immer wieder Hinweise auf wissenschaftliche Studien oder Aussagen renommierter Wissenschaftler als Belege von Gedankengängen des Autors erscheinen. Dadurch wird aus dem ersten Teil dieses Buches viel mehr eine Art Wissenschaftgeschichte als eine fundierte Kritik an der Art und Weise, wie wir die digitale Welt nutzen oder diese uns benutzt. Dabei gibt es eine Reihe von Überlegungen oder Analysen, die auch ohne wissenschaftliche Untersuchungen, die im übrigen meistens nur bedingt zu den Thesen oder dem Anliegen Schirrmachers passen, unseren Umgang mit der digitalen Welt und die Missstände und die Gefahren, die daraus erwachsen, viel besser illustrieren könnten.

Schirrmachers Anmerkungen zu den Suchergebnissen von Google sind unvollständig. Es sind nicht alleine die Links, die auf eine Website zeigen, die über deren Platzierung im Suchergebnis entscheiden. Wenigsten 8-10 weitere Kriterien von über 100 wären auch zu nennen. Aber das völlige Ungenügen des Google-Algorithmus, die Websites auf der eigenen Ergebnisseite in eine wie auch immer geartetete sinnvollere Reihenfolge zu bringen, die der Bedeutung der Websites auch nur annähernd gerecht werden könnte, fehlt in den Überlegungen des Autors. Dieses elementare Defizit wird Google kaum je in den Griff bekommen. Schirrmacher benennt ganz richtig – aber aufgrund eines anderen Zusammenhangs – den „Kontrollverlust über Informationen“ (S. 58). Die willkürliche Anordnung von Suchergebnissen hat für Studenten und Schüler fatale Folgen. Sie vertrauen nur allzu gerne aus Bequemlichkeit den oberen Suchergebnissen, nutzen vielleicht auch nicht so häufig die vielen Funktionen, mit denen die Suchabfrage präzisiert werden kann. Die vielen Meinungen über Informationsgewinn aus dem Netz, die Schirrmacher zitiert, verstellen den Blick auf das Wesentliche. Welche Gefahren treten bei der Nutzung von Google auf? Welche Websites werden von Google wohl nicht angezeigt werden, welche alternativen Suchformen gibt es? Hätte der Autor diese Fragen wenigstens gestreift, dann würde man seine Feststellung, sein Buch wäre ohne Google nicht geschrieben worden, die richtige Einschätzung verleihen können. Hat er Google in Kenntnis seiner Defizite benutzt oder so wie alle Google nutzen?

Das Wort Wikipedia kommt nur zwei oder dreimal in seinem Buch vor. Leider fehlt im vorliegenden Band eine eingehende Analyse dieses Mitmachlexikons, mit deren Ergebnis er seine These „Mein Kopf kommt nicht mehr mit“ bestens hätte belegen können. Früher gab es in Enzyklopädien präzise Darstellungen eines Sachverhaltes vielleicht mit einigen gezielten Querverweisen. Heute sind manche Einträge in Wikipedia Pro- oder Hauptseminarbeiten geworden, die bisweilen von seitenlangen Diskussionsseiten ergänzt werden, zu denen bei vielen Beiträgee ein nutzloses Versionsgerangel hinzukommt, die die Thesen und die Klagen Schirrmachers wunderbar illustrieren und seiner Untersuchung eine weitere und besondere Schärfe hätten verleihen können, so dass sie manchen der zitierten Untersuchungen wirklich überlegen gewesen wäre.

Die wenigen Bemerkungen über soziale Netzwerke zeugen nicht von einer profunden Kenntnis von deren Konzeption, Möglichkeiten und Gefahren. (Cf. H. Wittmann, Web 2.0 und soziale Netzwerke,- hier:  www.stuttgart-fotos.de/web-2-0-und-soziale-netzwerke – Eine Analyse des ungebremsten Drangs so vieler, in diesen Netzwerken vertreten sein zu wollen, verlangt eine eingehendere Untersuchung. Überhaupt fehlen in diesem Buch Anmerkungen zu Web 2.0, dem Mitmachnetz, um die Frage zu analysieren, ob das mit vielen Web 2.0-Seiten einhergehendes oder vorgegaukelte Mehr an Demokratisierung stimmt, und ob der Begriff der Demokratie sich überhaupt eignet, um die Qualität der Partizipationsangebote zu testen oder zu belegen. Mitmachen und Partizipation, Beeinflussung und Manipulation, die Grenzen sind eben nicht mehr eindeutig zu bestimmen. In diesem Zusammenhang müssten Beispiele und Geschäftsmodelle analysiert und diskutiert werden, um den Partizipationsgedanken von allzu platter Werbung trennen zu können.

Der Autor übernimmt aber lieber Ergebnisse von Studien, so wie das 2007 in den USA durchgeührte „National Enowment of Arts“, mit der das Lesen untersucht wurde. (S. 35) Ihr Ergebnis war die Einsicht, das der Verlust von Lesekonzentration Folgen für den sozialen Aufstieg hat und immer mehr Kinder und Erwachsene nicht mehr systematisch lesen können. Schirrmacher schreibt „Die Studie erbrachte den Beweis für die Veränderung aller Gehirne. Und für die bemerkenswerte Geschwindigkeit, in der die digital entwickelste Gesellschaft der Welt verlernt, komplexe Texte zu erfassen.“ Diese Interpretation der Untersuchungsergebnisse mag zutreffend sein, es stört hier nur, wie diese Studie hier genutzt wird, um in den folgenden Absätzen zu der Einsicht zu kommen: „Unser gesamtes Bildungswesen ist instabil geworden“ (S. 36). Nebenbei bemerkt, der Kritik an den „Zertifizierungen“ „Normen“, mit denen man diesen Missständen abhelfen will, ist voll und ganz zu teilen. Statt sich immer wieder auf Wissenschaftler zu berufen, und die eigene Argumentation an deren Ergebnissen entlangzustricken, gäbe es Beobachtungen in Hülle und Fülle, mit denen die Vermutung „Unser Denkapparat wandelt sich“ vom Autor genausogut hätte belegt werden können. Seminararbeiten, Examensarbeiten und Doktorarbeiten werden durch die Computertechnik immer länger und unlesbarer. Kaum ein Student käme heute noch auf die Idee, seine Arbeit mit Füller auf weißes Papier zu schreiben, wobei er selbst eine wunderbare Entdeckung machen könnte, nämlich die seiner zusammenhängenden Gedanken, die vom Korrekturfunktion der Schreibprogramme ausgelöscht wurden. Der unreflektierte Umgang mit der PC-Technik spiegelt sich auch im oben genannten Informationschaos in Wikipedia wider. Man benötigt keine Studien, in der Art wie Schirrmacher sie immer wieder zitiert, um das Unvermögen vieler mit Schreibprogrammen umgehen zu können, zu analysieren. Ein kürzlich erschienener Band zum
E-Learning 2009 zeigt welche Hoffnungen Pädagogen und Medienwissenschaftler in die PC-Technik setzen. Die Berücksichtigung dieser und ähnlicher Stellungnahmen hätte für Schirrmachers Untersuchung sicherlich weitere interessante Aspekte geliefert.

Die Einsicht Schirrmachers, er hätte sein Buch ohne Google nicht schreiben können, deutet möglicherweise auch auf eine unzureichende Beobachtung und Auswertung unserer Gewohnheiten im Umgang mit der digitalen Welt hin. Ich kenne Studenten, die ganz enttäuscht waren, weil sie keine Sekundärliteratur zu ihrem Thema fanden. Das Werk, das ihnen als Lektüre des Seminars bekannt war, hatten sie noch nicht gelesen und das Googeln hatte Ihnen auch keine Ergebnisse gebracht. Seitdem habe ich Bedenken, wenn Studenten oder auch Autoren sich bei der Informationsbeschaffung auf Google beschränken und ihren Text um die Suchergebnisse herum verfassen.

Aufmerksamkeitsdefizit, Chaos im Kurzzeitgedächtnis, die Vermutung oder Einsicht, „dass die Maschinen uns bereits überwältigt haben“, die Veränderung des Denkens, die Kritik am „Mulitasking“, der Möglichkeit, die zum Zwang mutiert, mehrere Tätigkeiten gleichzeitig auszuführen haben, so der Autor, gravierende Folgen: „Menschen verlieren buchstäblich all das, was sie von Computern unterscheidet – Kreativität, Flexibilität und Spontaneität…“ (S. 69 f.). Ist das wirklich so? Wie immer, da ist ein bisschen was dran und auch wieder nicht. Genauso könnte man mit der Digitaltechnik ein Plus für die Kreativität konstruieren – wie der Autor dies auch im zweiten Teil seines Buches macht.

„In unserer Gesellschaft überlebt nicht mehr, wie es – früher ebenso falsch – hieß, der ‚Tüchtigste‘; sondern der Bestinformierte.“ (S. 121) Mit einem solchen Satz muss man nicht unbedingt einverstanden sein und dies erst recht dann nicht, wenn er am Anfang eines Kapitels steht, also die folgende Argumentation auf dieser Aussage aufbauen. Der Bestinformierte? Gemeint sind wohl diejenigen, die mit den Informationen richtig umgehen können? Auch in diesem Kapitel „Der digitale Darwinismus“ (S. 121-142) zitiert der Autor viele Aussagen von Wissenschaftlern und illustriert damit seine Argumentation. Wenn Studenten die Hnweise auf die Sekundärliteratur n die Fußnoten verbannen und in ihrem Text ihre Argumentation vortragen, können ihre Arbeiten richtig gut werden. Die Arbeitsergebnisse des Soziologen Robert Merton, des Psychologen Geoge Miller, des Philosophen Daniel Dennett, der Informatiker und Kognitionspsychologen Peter Pirolli und Steve Card verleihen der Argumentation Schirrmachers durchaus interessante Aspekte, aber sie machen aus seinem Buch und besonders aus seinem ersten Teil ein Referat über deren Forschungsergebnisse und lenken den Autor und damit auch den Leser vom eigentlichen Thema, wie wir unsere werden Informationen nutzen ab. Das Ergebnis sind dann solche Sätze wie: „Die Auswertung und Analyse unserer Assoziationen, die unsere Aufmerksamkeit im Netz und in allen anderen Informationssystemen lenken und erleichtern soll, halte ich für einen der gravierendsten Vorgänge der aktuellen Entwicklung.“ (S. 142) Man spürt was der Autor hier meint, es geht um die Art und Weise, wie Informationen aufgenommen und von uns, den Nutzern des Internets – und nicht nur durch Hyperlinks – mit anderen Informationen verknüpft wird.

Der Autor betont ausdrücklich, dass sein Buch kein Pamphlet gegen Computer sein soll. (S. 157). Sein erstes Kapitel „Mein Kopf kommt nicht mehr mit“ (S. 13-21) klingt aber ganz anders, bis auf den letzten Absatz, dessen erster Satz „Aber im Internet und den digitalen Technologien steckt auch ein gewaltige Chance…“ den Ton des zweiten Teil seines Buches angibt. Wiederum nennt Schirrmacher viele andere Wissenschaftler und ihre Arbeiten. Aber er kommt auch zu wesentlichen Einsichten, die „Konsequenzen der Informationsrevolution“ in den Schulen und Hochschulen fordern. Recht hat er. Und in diesem Zusammenhang nennt er auch den „Zertifizierungswahn“ und die „groteske Verschulung heutiger Hochschulausbildung“. Und jetzt folgen entscheidende Sätze: „Die Informationsgesellschaften sind gezwungen, ein neues Verhältnis zwischen Wissensgedächtnis und Denken zu etablieren. Tun Sie es nicht, sprengen sie buchstäblich das geistige Auffassungsvermögen ihrer Bewohner.“ Schirrmacher meint wohl, dass die digitale Technik Möglichkeiten bietet, die die Hochschulen bisher nicht wahrgenommen haben. Nebenbei bemerkt, das Wort Informationsgesellschaft ist ein unnützes Kunstwort, Gesellschaften mit mehr oder weniger Information gab es immer. Er meint wohl, dass es auch neue Formen des Umgangs mit Informationen geben wird, aus denen Wissen erzeugt werden kann. Im Grunde genommen öffnet er hier ein weites Feld, nämlich das der Erkenntnistheorien und die werden zunächst einmal nicht grundlegend durch die digitale Technik verändert. Sie gewinnen möglicherweise einige neue Perspektiven hinzu. Es gibt zusätzliche Formen der Wissenserarbeitung, wie die vom Autor zitierte Form der Fragestellung vor einer Vorlesung: „Sie lernen nicht mehr, was sie wissen möchten, sondern was sie nicht verstanden haben.“ Diese Auffassung von einer interaktiv unterstützten Vorlesung teile ich nicht. So etwas entspricht eher der krampfhaften Suche nach einem Anwendungsfeld bestimmter vorhandener Techniken als einer sinnvollen Modifikation des Vorlesungsbetriebs. Aber der Autor ist sich sicher, dass der „Perspektivwechsel in Zeiten des digitalen Lebens“ (S. 221) wichtig ist und kommen wird. Die Gefahren glaubt er bewußt gemacht zu haben: „Aber die Chancen, dass daraus etwas Gutes wird, sind ebenso groß.“ (S. 222) Und: „In den Schulen, Universitäten und an den Arbeitsplätzen muss das Verhältnis zwischen Herr und Knecht, zwischen Mensch und Maschine neu bestimmt werden.“ Die vielen interessanten Ansätze des zweiten Teils wären in ausführlicherer Form noch einleuchtender geworden. Vielleicht haben die vielen interessanten Suchergebnisse zu den Themen des ersten Teils zum Ungleichgewicht dieses Buches mit beigetragen.

Ein Website mit den anklickbaren Links in der Bibliogaphie wäre eine gute Ergänzung für dieses Buch.

Heiner Wittmann

Auf YouTube steht eine Präsentation dieses Buches durch den Autor:

Web 2.0 in der Hochschule: Geschäftsmodelle konzipieren

Medien     Blogs, Web 2009     Urheberrecht


Zur Diskussion:

 

Hochschulrektorenkonferenz,Herausforderung Web 2.0, in Beiträge zur Hochschulpolitik 11/2010,
www.hrk.de/de/download/dateien/Herausforderung_Web2.0.pdf


Web 2.0

Sandra Schön, Martin Ebner, Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
Facebook überall und allumfassend. Die digitale Kontrolle als Bedrohung


Vortrag in der Hochschule der Medien in Stuttgart, 25. Januar 2010

Facebook, Twitter und Blogs
Mit Web 2.0 ein Geschäftsmodell bauen

Bibliographie

Anderson, Chris, Free Kostenlos. Geschäftsmodelle für die Herausforderungen des Internets , Frankfurt/M. / New York: Campus 2009. ISBN: 978-3-593-39088-8

Bächle, Michael, Lehmann, Frank R; E-Business. Grundlagen elektronischer Geschäftsprozesse im Web 2.0 , Müchen. Oldenbourg 2010. ISBN 978-3-486-58362-5
Württembergische Landesbibliothek Lesesaal: Oy 5332

Basic, Robert, Facebook, ein 50 Mrd USD Gorilla, 4. Januar 2011,
www.robertbasic.de/2011/01/facebook-ein-50-mrd-usd-gorilla/
Blogs: Kommentarfrequenz erhöhen, written in basic, 24.1.2011

Blogparade + Sonderheft Kulturmanagement Network + stARTconference: Geschäftsmodelle im Web 2.0
www.startconference.org/2010/04/05/blogparade-sonderheft-kulturmanagement-network-startconference-geschaftsmodelle-im-web-20/

Bornemann, Malte, Die Erfolgswirkung der Geschäftsmodellgestaltung . Eine kontextabhängige Betrachtung Aus der Reihe: Entrepreneurship Wiesbaden: Gabler, 2010, 315 S. Mit 23 Abb. u. 67 Tab. Br. ISBN: 978-3-8349-2240-3

Brealey, R. A., Meyers, S. C., Allen, F., Principles of Corporate Finance , Boston, u.a.: McGraw-Hill 9/2007.

Cario, Sebastian, Blog: Social Media Optimization Monitoring Tools im Überblick
www.elcario.de/social-media-monitoring-tools-im-ueberblick/376/

Gerberich, Calus W., Wachstum durch innovative Geschäftsmodelle , München: Oldenbourg 2010 ISBN: 3486586416 NET Nach Januar 2011
www.oldenbourg-verlag.de/wissenschaftsverlag/wachstum-durch-innovative-geschaeftsmodelle/9783486586411
„Ertragsstarkes Wachstum ist ein immer wichtiger werdendes strategisches Ziel der Unternehmen. Der klassische Weg des Wachstums durch neue Produkte ist immer noch wichtig, doch reicht er heute nicht mehr aus. Wachstum muss heute durch das Schaffen von neuen innovativen Geschäftsmodellen erfolgen. Nicht nur Produkte haben ihren Lebenszyklus, sondern auch Geschäftsmodelle.
Die Unternehmen müssen durch neue Geschäftsmodelle neue Kunden und Märkte erschließen und bei bestehenden Kunden die Potentiale ausschöpfen. Dies geht durch die Verknüpfung von Produkten und Dienstleistungen bis zum konkreten Betreiben von Leistungen beim und für den Kunden. Der Wandel geht vom Product Selling zum Value Selling. Das Lehrbuch zeigt die unterschiedlichen Wege des Wachstums und den Wandel in den Geschäftsmodellen anhand von Best of Class Beispielen.“
2011. ca. 220 S., ISBN 978-3-486-58641-1 ca. € 29,80 In Vorbereitung

Hansen, Robert, Wirtschaftsinformatik Band I (Grundlagen und Anwendungen), 10. Auflage, UTB-Verlag 2009.

Heinemann, G., Haug, A., Web-Exzellenz im E-Commerce: Innovation und Transformation im Handel, Wiesbaden: Gabler, 2010.

Heinemann, Gerrit / Haug, Andreas, Hrsg., Web-Exzellenz im E-Commerce. Innovation und Transformation im Handel, Wiesbaden: Gabler 2010. XII, 358 S. Mit 65 Abb. u. 7 Tab. Br.
ISBN: 978-3-8349-1754-6
Württembergische Landesbibliothek Lesesaal: Oy 5333

Heinemann, Gerrit, Der neue Online-Handel. Erfolgsfaktoren und Best Practices

Heinemann, Gerrit, Der neue Online-Handel : Erfolgsfaktoren und best practices – 2., aktualisierte und erw. Aufl.. – Wiesbaden : Gabler, 2010. – XVIII, 260 S.
ISBN : 3834923125
WLB Lesesaal: Oy 5333 60/44 – nicht ausleihbar Präsenzbestand

Hesseling, C., Bedeutung sozialer Netzwerke für Jugendliche. Universität Leipzig stellt Studie über Facebook, StudiVZ, Jappy, XING & Co vor , Leonardo im WDR 5-Radio zum Mitnehmen

Hofmann, Josephine (Hrsg.), Webbasierte Geschäftsmodelle . – Heidelberg : dpunkt-Verl., 2008. ISBN: 3898645096
www.gabler.de/Buch/978-3-8349-2240-3/Die-Erfolgswirkung-der-Geschaeftsmodellgestaltung.html

Janello, Christoph, Wertschöpfung im digitalisierten Buchmarkt. Aus der Reihe: Markt- und Unternehmensentwicklung / Markets and Organisations Wiesbaden; Gabler, 2010. Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Dres. h. c. Arnold Picot. XVIII, 197 S. Mit 27 Abb. u. 28 Tab. Br.
ISBN: 978-3-8349-2283-0 WLB 60/8248

Kagermann, Henning, Geschäftsmodelle 2010: Wie CEOs Unternehmen transformieren, Frankfurter Allgemeine Buch; Auflage: 2., aktualisierte Auflage. 2007
ISBN: 3899811143 www.dmisg.ch/geschaeftsmod/buch.php

Kittl, Christian, Kundenakzeptanz und Geschäftsrelevanz : Erfolgsfaktoren für Geschäftsmodelle in der digitalen Wirtschaft – 1. Aufl.. – Wiesbaden : Gabler, 2009. ISBN 3834915432
www.gabler.de/Buch/978-3-8349-1543-6/Kundenakzeptanz-und-Geschaeftsrelevanz.html

Kollektive Intelligenz

Kuhlen/Seeger/Strauch,Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, Band I, 5. Auflage, Saur-Verlag, 2004

Meier, A., Stormer, H., eBusiness & eCommerce. Management der digitalen Wertschöpfungskette , Berlin, Heidelberg: Springer 2/2008.

Meier, Andreas, Stormer, Henrik, eBusiness & eCommerce: Management der digitalen Wertschöpfungskette, Springer, Berlin; Auflage: 2. Aufl. 2009.

Orzessek, A., Ein nostalgischer Geburtstagsgruß , Erinnerungen an den Anfang von Wikipedia, in Fazit, DRadio Kulutr, 14.1.2011, 21.35 Uhr.

Oßwald, A., Open Access aus der Perspektive der Informationswissenschaft,
Vortrag im Rahmen der Open Access Week in Köln am 22.10.2009
www.zbmed.de/openaccessweek_2009.html

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Geschäftsmodelle 2010 – Wie Sie Ihr Unternehmen erfolgreich transformieren

Panasonic, Corporate Social Map,  Corporate Social Map

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Wirtz, Bernd W., Electronic Business , 3., vollst. überarb. u. akt. Aufl., Wiesbaden: Gabler 2010. ISBN: 978-3-409-31660-6
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Wirtz, Bernd W., Electronic Business, 3., vollst. überarb. u. akt. Aufl., Wiesbaden: Gabler 2010. ISBN: 978-3-409-31660-6
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—, Medien- und Internetmanagement, 6., überarb. Aufl.. – Wiesbaden: Gabler 2009. – XVI, 831 S. ISBN 978-3-8349-0864-3
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Hochschulrektorenkonferenz, Herausforderung Web 2.0,
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Wittmann, H., Wo führen uns soziale Netzwerke hin? oder Sind soziale Netzwerke wirklich sozial? in: Klett-Cotta Blog, 29. Dezember 2008
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—, Leser, Autoren, Verleger und Herausgeber, in: Klett-Cotta Blog, 22. Juni 2009.

Une introduction à l’étude des Fleurs du Mal.


Pierre Brunel, Giovanni Dotoli (Éd.), 1857. Baudelaire et Les Fleurs du Mal (Biblioteca dela Ricerca, Baris-Paris 4, Schena Editore, Fasano 2007.

Dans son introduction, Georges Molinié a bien raison de souligner avec force la “fracassante modernité” de Baudelaire. Une modernité qui n’a pas passé sous silence son mal et les destructions jusqu’à Auschwitz. Tout en évoquant le mal, les poèmes de Baudelaire réussissent de rappeler “une esthétique de l’illimité au ras de l’humain résiduel”. Pierre Brunel décrit les “Tombeaux poétiques de Baudelaire” en parlant de l’histoire de la réception de ces poèmes. Après tout, il faut toujours revenir à “son tombeau le plus beau et le plus vrai”, justement aux Fleurs du Mal.

Ce recueil qui réunit les contributions d’une journée de commémoration à l’occasion du 150e anniversaire des Fleurs du Mal est une introduction très réussie à l’étude des poèmes de Baudelaire et ceci pour trois raisons. L’effet de la lecture, les interprétations personnelles et les remarques sur la structure et la composition des Fleurs du mal avancent tous les trois des pistes importantes de recherche. Ce volume de 150 pages a le grand mérite de ne pas avoir la prétention de vouloir épuiser le sujet, mais il explique pourquoi il vaut la peine de lire et de bien lire les poèmes de Baudelaire.

Salah Stétié y livre un témoignage émouvant de sa découverte des Fleurs du Mal et fait envie de revivre cette aventure. Stétié évoque la “préhension du paysage” comme l’inconscient et d’autres thèmes qu’il a rencontrés dans ses poèmes et comment il a découvert les rapports entre eux. Giovanni Dotoli, lui, propose une interprétation originale sous le titre “Vertige des Fleurs du mal” en apportant son propre poème sur Baudelaire : “Théâtre immortel de ton âme amère…”. Lise Sabourin s’est penché sur les épreuves de l’édition de 1857 des Fleurs du Mal et elle revient à la question de l’organisation du recueil de Baudelaire en sections. En lisant son article on comprendra ce que la suite des poèmes contribue d’essentiel à leur sens et à leur compréhension.

En ce qui concerne les interprétations personnelles, Gabrielle Althen s’est interrogé sur la douleur essentiellement dans L’Héautontimoruménos qui est l’occasion pour le poète d’évoquer le mal sans passer par des médiations divines ou autres. Ce rapport intime avec le mal soulève aussi la question de faire du mal qui ne perd pas de vue la distinction entre le bien et le mal. De cette manière, ce poème évoque aussi des questions éthiques. Ainsi, il conjuge être et mal et en médite la conscience. Lionel Ray analyse les poèmes sous le titre du “Défini et de l’inépuisable” en partant de l’interprétation de Paul Claudel. Ray relit “La servante au grand cœur…” (1857) et “Petites Vielles” (1861). Maxime Durisotti a relu ” Le Masque ” et tient compte de la place de ce poème dans les Fleurs du Mal, une place qui est particulièrement importante en ce qui concerne son esthétique. Les différents thèmes, et avant tout celui de la modernité, dépendent de cette place devant Hymne à l’a Beauté. Steve Murphy évoque la “Personnalité et impersonnalité du Cygne” et décrit ici en détails et explique “le point de vue de Baudelaire touchant les méthodes de composition s’avère assez variable”. Son analyse est un modèle pour les étudiants qui hésitent de livrer par écrit les fruits de leur lecture de ces poèmes. Murphy y montre comment on peut lier les thèmes des poèmes avec les significations de mots tout en tenant compte de l’histoire contemporaine comme p. ex. la transformation de l’urbanisme parisien. Brigitte Buffard-Moret analyse ” Les Origines de la musique baudelairienne “. En peu de lignes, elle évoque l’histoire littéraire autour de 1857 et détaille les implications de la musique dans Les Fleurs du Mal. Sylvain Détoc propose une analyse du ” Dernier Voyage “. le dernier poème des Fleurs du Mal (1861), et pour conclure, il n’est pas surprenant que Sylvie Thorel, dans son article à la fin du recueil s’interroge sur ” …les Postulation de la morale ” chez Baudelaire. Elle aussi revient à l’histoire littéraire et rappelle entre autres comment le style des poèmes de Baudelaire était, à l’époque déjà, le sujet de beaucoup d’interprétations souvent controversées.

La littérature critique réussit bien surtout, si elle, comme ce livre sur Baudelaire, propose des approches, conduit à des interprétations détaillées sans perdre de vue, comme dans le cas présent, le rapports des Fleurs du Mal a son époque, ce qui n’empêche pas, de voir plus loin et de remarquer qu’on ne se limite pas à constater une modernité de Baudelaire, car il faut bien voir, dans quelle mesure, aussi un poète comme Baudelaire prouve que la poésie, elle aussi, contribue au développement de l’esthétique comme à la critique de la société tout en insistant sur part de prédiction qui revient aussi à la poésie.


Heiner Wittmann

Crise écologique et crise sociale

Hervé Kempf, Comment les riches détruisent la planète,
Paris, Editions du Seuil (Poche, Essais 611), Paris 2007.

Hervé Kempf, Journalist bei LE MONDE hat in zwei Büchern Comment les riches détruisent la planète und > Pour sauver la planète, sortez du capitalisme seine Kritik an einem ungebremsten Kapitalismus vorgetragen und vor allem gezeigt, wie soziale Fragen und Umweltschutz eng miteinander verbunden sind. Die Nachweise (S. 127-148) belegen, dass Kempf nicht nur ein Pamphlet verfasst hat, er legt hier die Summe seiner mit bester journalistischer Methode ausgeführten Untersuchungen vor.

Unsere Politiker reisen weltweit zu Kongressen, um die Finanzkrise in den Griff zu bekommen, sie verbuchen es gleich als ihren Erfolg, wenn die Indizes leichte Erholungen der Märkte andeuten, wenn sich langsam wieder Wachstum einstellt. Die gleichen Politiker besuchen Klimakonferenzen und zeigen sich von den Vorhersagen beeindruckt, sind einsichtig und fordern eine Reduktion der Treibhausgase, ohne ein Erfolgsrezept im Gepäck bereitzuhalten.

Kempf erinnert daran, dass das weltweite Artensterben einen engen Zusammenhang mit der ungebremste Landnahme durch den Menschen wie die Überfischung der Weltmeere zusammenhängt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Kurz, die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten ist an ihr Ende gekommen. Aber es geschieht nichts. Der Fortschritt wird weiter durch mit dem Bruttosozialprodukt gemessen, das die Kosten für die Umwelt unberücksichtigt lässt. Die Eliten lassen Umweltfragen nicht an sich herankommen, sie sind im wahrsten Sinne des Wortes von ihrer Umwelt abgeschottet.

Die Armut kehrt in Folge der Globalisierung in verschärftem Maße wieder, wie dies mit vielen Zahlen belegt werden kann. Außerdem ist weltweit der Zuzug in die Städte als Alternative keine Lösung mehr. Die Landflüchtlinge finden dort nur neue Probleme vor. Armut und Umweltprobleme wiegeln sich gegenseitig auf.

Der Reichtum ist auf einige Wenige verteilt, die für Kempf Angehörige einer blinden Oligarchie sind. Die zahlenmäßig geringe Oberklasse, die besonders viel verdient und so bei allen anderen Klassen nach Thorsten Veiblen den Wunsch nach Imitation, Aufstieg und Unterscheidung auslöst, sind Kempf ein Dorn im Auge. Kempf ist überzeugt davon, dass eine Steigerung der Produktion unsere sozialen und Umweltprobleme nicht lösen werden. Mit Veiblen plädiert er für eine Reduktion der Produktion und damit des materiellen Konsums. Viel spricht dafür, so Kempf, dass diese Forderung nicht so schnell zu realisieren sein wird. Aber für Kempf gibt es weitere Anzeichen dafür, dass jetzt gehandelt werden muss:

Er sieht die Demokratie in Gefahr. Sein Vorwurf wiegt schwer. Eine Welt-Oligarchie hat der Demokratie und der Freiheit den Kampf angesagt (S. 93). Er formuliert dieses Vorwurf aufgrund der Anstrengungen vieler Staaten ihre Bürger immer mehr zu kontrollieren. Er denkt dabei an die 500 Seiten des Patriot Act in den USA, aber auch an die RFID-Chips, die wei auch bei den Personalausweisen in Deutschland von immer mehr Staaten, eingesetzt werden. – Ich habe schon immer ein mulmiges Gefühl, wenn der Zugschaffner meine Bahncard in seinem Gerät “durchzieht”: Wieviel Missbrauch kann damit angerichtet werden. Erstmal dient dieser Datenwust der Bahn das optimale Preismodell zu ihren alleinigen Gunsten auf unsere Kosten zu ermitteln, und herauszufinden, wann ich von wo nach wo reise. Die RFID-Technik kann nicht nur den Weg von Leergut überwachen, diese Technik kann dazu missbraucht, uns zu überwachen. – Kempf legt also den Finger auf die Wunde. Und er berichtet auch vom Verrat der Medien (S. 108 ff), die unkritisch über den Krieg in Afghanistan und im Irak berichten.

Was ist zu tun? Kempf ist überzeugt, dass der Glauben an das ungebremste Wachstum nicht gerechtfertigt ist, genauso wenig, wie der technische Fortschritt die Umweltprobleme nicht lösen wird. Das Problem der Arbeitslosigkeit ist für ihn kein isoliertes Problem. In diesem Punkt wird er sehr deutlich. Er hält den Kapitalismus für fähig, eine gewisse Arbeitslosigkeit beizubehalten, um eine Willfährigkeit der Arbeitnehmer und niedrige Löhne beibehalten zu können. (S. 117) Und die Gehälter der oben erwähnten Oligarchie will er von oben her kürzen: RMA – Revenu maximal admissible.

Manche seiner Lösungen sind radikal. Aber er beruft sich auf eine sorgfältige, nachprüfbare Analyse. Er hat ein anregendes Buch verfasst, das man ruhig mal als Messlatte für manche unserer Politikerreden lesen und heranziehen sollte. Kempf trägt seine Überlegungen vor und nennt die Konsequenzen, die unsere Politiker immer wieder gerne übergehen.

Heiner Wittmann

> Hervé Kempf et Stefan Rösler: La crise du climat et la crise du capitalisme. La fin du progrès sans bornes
Veranstaltung im Institut français de Stuttgart am 17. November 2009

Eine neue Machiavelli-Biographie

Sandro Landi, Machiavel, Ellipses, Paris 2008.

Die Legende Machiavelli übergehe den Autor selbst. Es sei an der Zeit, ihm seine Biographie wiederzugeben, so der Klappentext und so der Auftrag an den Verfasser dieser Studie. In dieser Hinsicht ist die Aufgabe gelöst. Sandro Landi rekonstruiert das Leben Niccolò Machiavellis. Er beschreibt seine Ausbildung, die ersten Publikationen, die Begegnung mit der Politik, die Erfolge und Misserfolge im Kontakt mit den Medici, der Absturz und der mühsame Wiederaufstieg und zeichnet damit zugleich ein beeindruckendes Fresko seiner Zeit.

Der Legende Machiavelli nähert man sich aber nicht auf diese Weise. Die Biographie eines Autors und besonders im Falle Machiavellis ist wie so oft keinesfalls der Schlüssel zum Verständnis seines Werkes. Es bleibt nur die Lektüre aller seiner Werke als einziges Mittel, um, wenn man es wirklich will, die Absichten des Autors zu durchschauen. Die Lektüre der Werke Machiavellis kann man dem Verfasser dieser Studie nicht absprechen, zudem er auch ihre entscheidenden Stellen aufzeigen kann. Aber er hat sie nicht systematisch gelesen, es fehlen die Zusammenhänge zwischen den Werken, er nutzt die wichtigen Stellen meist nur als Illustration der Lebensgeschichte Machiavellis. Der Verfasser skizziert in einem Absatz (S. 125) die Struktur und den Aufbau des Principe; diese Analyse bleibt aber oberflächlich. Eine durchgängige, genaue Lektüre unterlässt er zugunsten der Illustrierung seiner Biographie (S. 125, S. 133-136. S. 156 et passim). Ganz ohne Zweifel ist der Principe ein Buch seiner Zeit, denn sein Ursprung, die darin eingefügten Bezüge können nur mit guten Kenntnissen der Geschichte vollständig erfasst werden. Aber eine Erklärung dieses Buches, die sich auf die Biographie Machiavellis konzentriert und es immer wieder als Versuch, sich den neuen Machthabern zu empfehlen, beschreibt, wird lediglich dessen Lektüre, die auf einen realen Fürsten zielt, favorisieren, und damit das Missverständnis dieses Werkes weiter befördern. Auf diese Weise unterschlägt, wenn auch ungewollt, der Verfasser die für dieses Werk so eminent wichtige Form dieses Traktats, und folglich kann er dem Leser nicht die eigentliche Bedeutung dieses Traktats über die politische Theorie vermitteln, die nämlich das Modell eines Fürsten vorstellt. Eine solche Erkenntnis ist für die Entschlüsselung der Machiavelli-Legende ungleich wichtiger als eine erneute Erzählung seiner Biographie.

Das lange Kapitel über Machiavelli als Historiker (S. 196-206) enthält viele interessante Ansätze, sein Werk zu entschlüsseln. Fast gewinnt man hier den Eindruck, Landi durchbricht hier gerne Aufgaben des bloßen Biographen. Aber der Hinweis auf die Schriften wie die über Castruccio Castracani bleibt auch hier leider nur eine Nebensache. Manche Bemerkungen sind unverständlich. Machivellis Versdichtung Der Goldene Esel nach Apuleus in toskanische Verse soll ihm misslungen sein? Immerhin kann Lani die Bedeutung des Esels als Symbol für die Allgegenwärtigkeit des Schlechten richtig deuten, womit Machiavellis Text aber keinesfalls erschöpfend behandelt worden ist.

Der Verfasser zitiert andere Schriften Machiavellis wie das Theaterstück La Mandragola, aber immer als Illustration seines Lebenswegs und beweist damit einmal mehr, dass die Biographie und das Werkverzeichnis nicht immer harmonieren. Gedichte, Verse, politische Traktakte, Theaterstücke, diplomatische Relationen, Abhandlungen über die Geschichte waren Machiavellis Leben, jedes dieser Genre ist auf das andre bezogen, die Lebensdaten sind nur das Gerüst. Hätte Landi das Werkverzeichnis zur Grundlage seiner Untersuchung gemacht und dann eventuell einige Lebensstationen illustrierend eingefügt, wäre er der Entschlüsselung der Machiavelli-Legende ungleich näher gekommen.

Heiner Wittmann

Thomas R. Flynn, Der Existentialismus und seine Geschichte

Thomas R. Flynn, Existenzialismus. Eine kurze Einführung. Aus dem Amerikanischen von Erik M. Vogt. (Engl. Existentialism. A Very Short Introduction, Oxford University Press, New York 2006), Wien, Berlin: Verlag Turia + Kant, 2007. 191 S., ISBN 978-3-85132-488-4,.

Thomas R. Flynn, Professor für Philosophie an der Emory University, USA, hat eine knappe Einführung in den Existentialismus, für den gemeinhin Sartre und Camus stehen, aus historischer Sicht verfasst. Die enge Verbindung des Existentialismus mit der Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg ist nicht zu übersehen, aber Flynn erinnert daran, dass die Wurzeln des Existentialismus bis in die antike Philosophie reichen.
Flynn weist auf die Bedeutung von Sartres Untersuchung Was ist Literatur? (1947) hin, in der Freiheit und Verantwortung des Schriftstellers als untrennbare Einheit erscheinen, und nennt den Appellcharakter des Kunstwerks als das zentrale Thema der Ästhetik Sartres. Die Auseinandersetzung mit Edmund Husserls (1859-1938) phänomenologischer Methode und seiner Theorie der Intentionalität des Bewußtseins nutzt Sartre bei der Entwicklung seiner Theorie über die Vorstellungskraft, gleichwohl grenzt er sich von Husserl ab. Die Hauptaussagen des Existentialismus Sartrescher Prägung, Verantwortung, Wahl, Situation, Authentizität, Freiheit, Bewußtsein und “mauvaise foi”, werden von Flynn als grundlegende Begriffe in einen Zusammenhang gestellt und dienen hier als Einführung in Sartres philosophisches Hauptwerk.
Nach Flynn wird der Existentialismus nach 1945 im Wesentlichen von Sartre bestimmt. Dabei vernachlässigt er aber doch den erheblichen Einfluß Camus’ auf den Existentialismus. Die Ausführungen zu Camus sind, trotz der Bemerkungen zu Le Mythe de Sisyphe (S. 74 f.) und zum Streit mit Sartre über L’homme révolté (1951), auch im Rahmen dieser Einführung zu knapp geraten.
Trotz aller Verkürzungen, die durch die Konzept dieses Buches als Short Introducation verlangt werden, ist es dem Autor gelungen, eine lesenswerte Einführung vorzulegen.

 

Jüngst erschien eine weitere Einführung mit dem Titel Der Existentialismus von Roland Galle, Universität Duisburg-Essen. Zu Beginn seiner Einleitung spricht Galle von “Anleihen” des Existentialismus bei Hegel, Kierkegaard, Husserl und Heidegger, verzichtet aber auf weitere inhaltliche Ausführungen mit der Begründung, der Existentialismus sei “von einem auffallenden Pathos der Voraussetzungslosigkeit” geprägt. Einer solchen Trennung des Existentialismus von seinem philosophischen Kontext hat Flynn mit Recht widersprochen. Schwerer wiegt die Ausblendung der Ästhetik Sartres und Camus’. Mit der Analyse von Sartres Roman La nausée. Journal (1938) stellt der Autor fest, dass der im Roman geschilderten Auflehnung gegen die Welt “der Begriff der Geschichte und erst recht der des Politischen noch vollkommen fremd” (S. 91) sei. Hier verpasst der Autor die Chance, die von Roquentin am Ende von La nausée deutlich zum Ausdruck gebrachte Bedeutung der Ästhetik für den Existentialismus Sartrescher Prägung in den Blick zu nehmen: “Eine Geschichte zum Beispiel, wie es keine gegeben kann, ein Abenteuer. Sie müßte schön sein und hart wie Stahl und müßte die Leute sich ihrer Existenz schämen lassen,” (Sartre, Der Ekel, in: ders., Gesammelte Werke. Romane und Erzählungen I, Hamburg 1987, S. 91) sagt sich Roquentin auf dem Rückweg nach Paris. Leider erwähnt Galle auch nicht die zahlreichen Studien Sartres über Baudelaire, Flaubert, Leconte de Lisle, Genet, Mallarmé, Tintoretto, Calder, Wols, Masson, Giacometti und Leibowitz, in denen Sartre seine ästhetischen Analysen mit ausgewählten Aspekten der Psychoanalyse unter dem Stichwort la psychoanalyse existentielle verbindet.
Dies gilt auch für Galles Nichtberücksichtigung der Rolle von Kunst und Künstlern im Gesamtwerk Camus’. In langen Passagen in Le mythe de Siyphe und L’homme révolté hat Camus seine Schlussfolgerungen über das Absurde darlegt. Die Kapitel über die Kunst in diesen beiden Büchern sind keine bloßen Anhängsel, sie gehören zu ihrem eigentlichen Konzept und enthalten Camus’ Begründungen hinsichtlich der Zusammenhänge von Kunst und Freiheit.
Diese Aussparungen der ästhetischen Positionen Camus’ und Sartres führen zu einem erheblichen Defizit dieser Studie, die durch ihre perspektivische Enge beeinträchtigt wird.
Roland Galle
Der Existentialismus. Eine Einführung
W. Fink, UTB 3188, Paderborn 2009.

Heiner Wittmann

Web 2.0 – Eine Einführung

Melanie Huber, Kommunikation im Web 2.0,
UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2008.

“Kommunikation im Web 2.0” lautet der Titel einer Einführung in das Mitmach-Netz, die Melanie Huber vorgelegt hat. Ihr Band erklärt als Einführung beinahe lexikonartig Stichwörter wie Weblogs, RSS, Social Networking, Wikis u.v.a.m. Viele dieser Begriffe können bisher kaum mit wissenschaftlichen Websites oder Websites von Universitätsinstituten in Verbindung gebracht werden. Und doch gibt es im Band von Melanie Huber einige bemerkenswerte Passagen, die den Multiplikatoren der internen und externen Kommunikaiton in Unternehmen gewidmet sind, mit denen sie knapp und klar grundlegende Anwendungen von Web 2.0-Techniken, kurz das Mitmachnetz erläutert. Einige Themen wie Blogs und RSS könnten eventuell auch Universitätsangehörige interessieren, die ihre Arbeiten gerne einem breiteren Publikum vorstellen möchten. Zu diesen Themen könnten auch Wikis gehören, die hier leider nur angerissen werden oder im Falle von Wikipedia nur genannt werden. Wikis weisen ein Unternehmen als “innovativ, glaubwürdig und transparent” (S. 83) aus. Aber Plattformen generieren noch keine Inhalte. Über firmeninterne Wikis schreibt sie nur einige wenige Zeilen. In gleicher Hinsicht verpasst sie die Chance, das Ergebnis von Suchmaschinen auch nur annähernd kritisch zu bewerten.

An einer Stelle deutet sie die Poblematik der Geschäftsmodelle an, wenn Sie als Kapitalüberschrift schreibt, Bezahlinhalte hätten kaum eine Chance. Das mag für das Gros der Seiten zutreffen. Dennoch gibt es auch schon erfolgreiche Web 2.0 Seiten, die sich finanzieren können. An dieser Stelle hätte sie zeigen können, dass es im neuen Internet nicht das einzige Geschäftsmodell gibt, sondern dass diese oft neue Formen unterschiedlicher Modelle aus der realen Welt generieren.

Das Kapitel über Soziale Netzwerke ist für sie auch kein Anlass, die Mechanismen dieser Projekte mit einer gewissen Distanz zu untersuchen. Auf der anderen Seite gibt sie nützliche Tipps für Mitarbeiter im Marketing, denen sie Unterschiede zwischen der klassischen Werbung und neuen Marketingformen, wie das Einsammeln von Kundenmeinungen beschreibt. Hier liegen offenkundig die Stärken der Autorin, zu denen auch ihre Bemerkungen über das Issue-Management zählen. Bei vielen Themen bleibt sie eher an der Oberfläche, so gibt sie kaum Tipps zum Bekanntmachen eines Blogs. Die Relevanz von Blogs stellt Huber auch auch der Grad ihrer Verlinkung dar. Hinsichtlich der Suchmaschinenoptimierung lenkt sie wie viele Unternehmen, die sich auf diese Tätigkeit spezialisiert haben, die Aufmerksamkeit ihrer Leser auf technische Aspekte anstatt auf die Inhalte der eigenen Website.

Ein offenes Geheimnis erfolgreicher Web 2.0 Seiten ist der Mix vieler schiedener Ansätze unterschiedlichster Maßnahmen, die die Beteiligung des Kunden herausfordern. Vernetzung, Kundenbindung, Reputationsmanagement sind hier die Stichworte. Aber auch in dieser Hinsicht nimmt der lexikalische Aspekt ihres Buches einen zu großen Raum ein, den die Autorin durch drei Praxisbeispiel zu mildern versucht.

Als Einführung für Web 2.0 – Neulinge ist der Band geeignet. Sie können bald mitreden, müssen dann aber sehr schnell andere Quellen heranziehen, um den Nutzen der vielen in diesem Band beschrieben Features einordnen zu können.

Z. B.:

Social Media Marketing in Deutschland

Blog von Benedikt Krüger

Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (I-IV)
Heiner Wittmann

Hinweise auf Bücher und Zeitschriften – Bibliographie


 Romanistik  Philosophie   Geschichte  Kunst  Französisch    Zeitschriften
 Wirtschaft  Urheberberrecht / Droits d’auteur


Handbuch Französisch: Sprache – Literatur – Kultur – Gesellschaft
Für Studium, Lehre, Praxis. Herausgegeben von Ingo Kolboom, Thomas Kotschi und Edward Reichel, Erich Schmidt Verlag, Berlin, Bielefeld,

2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage,
1062 Seiten, 15,8 x 23,5 cm, kartoniert, Berlin 2008.
Preis: EUR (D) 59,80
ISBN: 978-3-503-09830-9
romanistik.info/internet-francophonie.html

Aus der Presseinformation des Instituts für Romanistik an die Pressestelle der TU für das “UniJournal”:

“TU-Wissenschaftler machen Fachgeschichte: Ein “Handbuch Französisch” für alle, die sich für die französische Sprache, für Frankreich und die deutsch-französischen Beziehungen sowie die gesamte französischsprachige Welt und ihre Kulturen interessieren!

Das hat es seit 1900 nicht mehr gegeben: eine “französische Real-Enzyklopädie”, die den Wissenschaftler wie Laien, den Lehrenden wie Lernenden gleichermaßen interessiert. Zwei Romanisten an der TU Dresden, die Professoren Ingo Kolboom und Edward Reichel, haben zusammen mit ihrem Berliner Kollegen Thomas Kotschi ein fast mehr als 900 Seiten umfassendes “Handbuch Französisch” erarbeitet, das Fachgeschichte macht.

Erstmals werden nicht nur Frankreich und die deutsch-französischen Beziehungen, sondern auch alle anderen französischsprachigen Länder und Regionen in Europa, Amerika, Afrika und Asien mit ihren sprachlichen, historischen, kulturellen, gesellschaftlichen und literarischen Besonderheiten vorgestellt. Das 133 Fachartikel umfassende Handbuch, an dem 125 Spezialisten drei Jahre lang mitgearbeitet haben, erschließt dem Leser enzyklopädisch das aktuelle Wissen der frankophonen Welt.

Es richtet sich an Lernende und Lehrende gleichermaßen, wie auch an ganz allgemein Interessierte, die sich im Bildungs- und Erziehungswesen, in Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft, in Presse, Funk und Fernsehen mit unserem Nachbarland Frankreich oder mit den gegenwärtigen und historischen, kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten anderer ganz oder teilweise französischsprachigen Länder auseinandersetzen.

Dieses “Handbuch Französisch” über die französischsprachige Welt und ihre Kulturen auf fünf Kontinenten, das in dem renommierten Berliner Wissenschaftsverlag Erich Schmidt Verlag erscheint, schließt eine seit vielen Jahren bestehende Lücke in der deutschsprachigen Romanistik und Frankreichforschung!

Die drei Herausgeber sind international renommierte Experten in ihren jeweiligen Fachgebieten: Ingo Kolboom, Professor für Frankreich-Studien und Frankophonie an der Technischen Universität Dresden; Thomas Kotschi, Professor für romanische Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin; Edward Reichel, Professor für französischsprachige und italienische Literaturen an der Technischen Universität Dresden.”


Littérature et morale- Journée d´étude – Organisation scientifique : Fabian Goppelsröder (Stanford/FU Berlin) et Sandra Laugier (Université d’Amiens) Maison Henri Heine, Paris
15 décembre 2005, 10h00. Les actes du colloque sont publiés sur notre site.


Recherches en esthétiques: Nr. 11 – Oktober 2005: Die neue Ausgabe Utopies ist erschienen.


Gilles Floret    Jetzt vollständig hier zum Download.
La Nausée dans la poésie est-allemande entre 1980 et 1989.
Deux figures exemplaires: Hans-Eckardt Wenzel & Steffen Mensching, Nancy 1993.


Heiner Wittmann, Die deutsch-französischen Beziehungen aus Verlagssicht
Hier als Download.
in : “Zwei europäische Völker und ihre Identitäten im Wandel. 50 Jahre deutsch-französische Beziehungen im Prisma des Carolus-Magnus-Kreises“, hrsg. von H.-G, Egelhoff und L. Rüstow unter Mitarbeit von R. Pfromm und C. Theiß. Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Carolus-Magnus-Kreises, 2004. ISBN 3-00-014330-0

Die deutsch-französischen Beziehungen aus Verlagssicht mit der Linkliste zum Artikel

André Guigot: Eine Einführung in Sartres Philosophie

André Guigot, Sartre. Liberté et histoire,
Paris 2007,
Librairie philosophie J. Vrin,. ISBN 978-27116-1913-9

Die von André Guigot verfaßte Studie ist keine einfache Einführung in Sartres Philosophie. Die vielen verschiedenen Themen setzen ein Vorwissen und auch eine gute Kenntnis der Werke Sartres voraus. Damit sei aber nur gesagt, daß Guigots Band dem eiligen Leser eher anspruchsvoll erscheinen mag. Läßt man sich aber auf seine Argumentation ein, dann vermittelt dieses Buch eine sehr präzise, interessante und lesenswerte Einführung in die Philosophie Sartres.

Für seine Darstellung hat André Guigot mit Recht einen chronologischen Aufbau gewählt, der die Entwicklung seines Werkes auf der Grundlage der deutschen Phänomenologie über die Kriegserfahrung hinaus mit seinem Bemühen, die Moral begrifflich zu fassen und seinem Engagement ein theoretisches Fundament zu geben, umfaßt. Gerne wird immer wieder von zwei Abschnitten seiner Entwicklung gesprochen, wobei seine Auseinandersetzung mit dem Marxismus oft als Kennzeichen seines Werkes nach 1950 zitiert wird. Sein Versuch, den Existentialismus mit dem Marxismus zu verbinden, war nicht von Erfolg gekrönt, und Guigot akzentuiert viel mehr das Engagement im Verständnis Sartres und seine Suche nach einer Intelligibilität menschlicher Verhaltensweisen, die sowohl durch eine Dialektik wie auch durch die Geschichte beeinflusst werden, die Sartre bis zur Flaubert-Studie geführt hat.

In fünf Kapiteln untersucht Guigot nacheinander Sartres Auseinandersetzung mit der Phänomenologie, dann die Entstehung seiner ersten Schriften über die Einbildungskraft L’imagination (1936) und L’imaginaire (1940) und deutet mit der Überschrift des 3. Kapitels “L’aboutissement inachevé de L’être et le néant“, das nicht mit einer Lösung, sondern mit Fragen zur Verantwortung endet, eine Kontinuität mit seinen fol-genden Arbeiten an, die im allgemeinen zu der des 2. Sartre gerechnet werden. Im Ka-pitel IV geht es um die Entwicklung von der Moral zur Geschichte, womit Guigot auch hier nebenbei – aber in zutreffender Weise – darauf hinweist, daß in der letzten Zeit zunehmend die Überlegungen zur Geschichte vermehrt in den Blick der Forschung geraten. Seine Anmerkungen zur Ästhetik in Qu’est-ce que la littérature? (1947), seine Réflexions sur la question juive (1946) wie auch die langen Kapitel in den Cahiers pour une morale ([entstanden um 1946)] aus dem Nachlass veröffentlicht: 1983) bieten dazu viele Ansätze. Das letzte Kapitel untersucht das Problem der Gewalt im Rahmen der Geschichte, ein Thema, das im Zuge einer Neubewertung der Critique de la raison dialectique wieder mehr in den Blick geraten dürfte. L’Idiot de la famille (1970/72), das umfangreiche Flaubert-Porträt, hätte vielleicht in diesem Band von Guigot eine größere Aufmerksamkeit verdient als lediglich in der Zusammenfassung behandelt zu werden. Andererseits verleiht Guigot dieser Studie als “prolongement herméneutique de la raison dialectique” (S. 231, vgl. W., Sartre und die Kunst, Tübingen 1996, S. 107 ff.) mit wenigen Worten den Platz, der ihr in Sartres Werk zukommt.

Im Verlauf der Studie entwickelt Guigot die Bedeutung aller wichtigen Schlüsselbegriffe. Dabei fällt auf, daß er schon bezüglich der Einbildungskraft, vor allem bei der Analyse von L’imaginaire sachgerecht und zutreffend die engen Beziehungen zwischen dem Imaginären und der Freiheit herstellt. Auch hinsichtlich seiner Darstellung des Analogons werden Entwicklungslinien deutlich, die bis zur Flaubert-Studie reichen. Zunächst aber erinnert er daran, daß die Theorie der Emotionen und des Imaginären eine Grundlage der Ontologie in L’être et le néant bilden. Tatsächlich ist die Lektüre von L’imaginaire eine wichtige Vorbereitung zu seiner Untersuchung über die phänomenologische Ontologie. Am Ende des zweiten Kapitels bestätigt Guigot in Form eines Resümees, daß die Ablehnung des psychologischen Determinismus kein System begründen könne, denn um die menschliche Realität zu begreifen, werde etwas Grundlegenderes benötigt: Das ist die Ontologie, mit der die Theorie des Imaginären angewandt auf die Kunst aber weitgehend ergänzt um die Fragen der Geschichte wiederaufgenommen werde, so Guigot. Und er ergänzt diese Aussage mit dem Hinweis auf den Zusammenhang von L’être et le néant, Qu’est-ce que la littérature? und den Cahiers pour une morale. . Schließlich ist die Freiheit eine Tatsache, deren Verständnis die menschliche Realität aufdeckt. Es ist nicht einfach, den Kern der Sartreschen Philosophie so verkürzt zusammenzufassen, aber unbestreitbar ist es dem Autor hier gelungen, das Verständnis der Sartreschen Philosophie zu erleichtern.

Im folgenden Kapitel über L’être et le néant zeigt Guigot – um hier nur ein Beispiel zu nennen – bezüglich der Kontingenz wichtige Parallelen zu La Nausée (1938), wodurch wieder die Verbindungen zwischen Sartres literarischem und philosophischen Werk betont werden. Dieses dritte Kapitel seiner Untersuchung zeigt die Fragen, die in L’être et le néant nach dem Anderen, der Angst und der Verantwortung gestellt werden. Dieses Kapitel kann auch als eine Einführung in die Lektüre von Sartres philosophischem Hauptwerk gelesen werden. Durch die Art und Weise, wie Guigot auch die offenen Fragen erläutert, wird der Leser verstehen, wie auch L’être et le néant in die Kontinuität des Sartreschen Denkens eingebunden ist. Im vierten Kapitel geht es um die historische Dimension, deren Einführung Guigot anhand der Überlegungen zu seinem Manifest über die Literatur erläutert: “L’ouvrage critique de Qu’est-ce que la littérature? (1947) fait de la création le sens même de l’interrogation éthique et esthétique,” (S. 135) heißt es bei Guigot, der auf diese Weise an die fundamentale Bedeutung der Ästhetik im Werk Sartres erinnert. Der Schriftsteller ist engagiert, es geht bei Sartre nicht darum, daß dieser sich engagieren kann. Er schreibt und deshalb trägt er dafür eine Verantwortung, woraus auch wieder eine moralische Pflicht (S. 137) entsteht. “Ecrire, c’est agir,” (S. 166) lautet die kurze Zusammenfassung, die auf den Appell (S. 168) an die Freiheit hindeutet. Aber auch die Cahiers pour une morale bleiben unvollendet und erscheinen erst 1983 aus seinem Nachlaßt. Auch dieses Kapitel endet mit einer Bewertung der Unterschiede zwischen L’être et le néant und den Cahiers pour une morale. Es geht u.a. um das unaufhebbare Verhältnis zum Anderen, das durch Abhängigkeit und Verantwortung gleichermaßen geprägt ist. Eine Aktion ist immer durch die Zukunft, das ist wieder das Überschreiten einer Situation aber auch durch die fehlende Garantie für eine moralische Vorschrift geprägt. Eine solche Verkürzung wird dem Autor der Studie sicher nicht gerecht, aber die Lektüre seiner Studie fördert das Verständnis der Philosophie Sartre. Nicht die Brüche charakterisieren sie, sondern sein Bemühen, die menschliche Realität der Freiheit und ihrer Möglichkeiten zu analysieren, wodurch die Kontinuität in seinem Werk gekennzeichnet ist, gehört zu seinen Hauptinteresse.

Es ist die Verbindung zwischen Kunst, Philosophie und Literatur, die in den 30er Jahren mit L’imagination und L’imaginaire sowie dem Roman La nausée sein Anfangswerk geprägt hat. In seinem philosophischen Hauptwerken hat Sartre mit seinen Untersuchungen zur Ontologie, zur Moral und zur Geschichte seine Überlegungen systematisiert und schließlich in der Flaubert-Studie von neuem angewandt. Guigots Studie behandelt kein isoliertes Thema seiner Philosophie, sondern zeigt die Kunst als Ausgangspunkt seines Gesamtwerks, und sie gibt so zu verstehen, daß die Philosophie bei Sartre kein Selbstzweck ist, da sie ein ständiger Bezugspunkt jedes seiner anderen Werke ist, und daher auch nur im Gesamtzusammenhang seines Werkes unter Berücksichtigung seiner Schriften über die Kunst und die Literatur erläutert werden kann.


Heiner Wittmann

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