Literatur ohne Politik? Geht das gut?

Prof. Dr. Gunther Nickel, der beim Deutschen Literaturfonds in Darmstadt für Gutachten und Projekte zuständig ist (ARD: „Pro Jahr wandern rund 300 Manuskripte deutscher Autoren über seinen Schreibtisch. Außerdem lehrt Nickel als Professor an der Universität Mainz Neuere Deutsche Literaturgeschichte,“) hat im September 2010 in einem ARD-Interview unter der Überschrift > Wie viel Politik sollen Literaten wagen? * zu der Frage, Wie viel Politik sollen Literaten wagen? Stellung genommen. Anlass für dieses Interview war die Befürchtung, die Günter Grass im „Spiegel“ vertreten hatte, „ein Beitrag junger Literaten zur Entwicklung der Demokratie drohe aktuell abzureißen“.

Der erste Satz der Antwort von Gunther Nickel schreckt auf: „Ich weiß nicht, warum sich ausgerechnet Autoren politisch einmischen sollen und nicht auch andere Berufsgruppen – zum Beispiel Metzger, Schuster oder Juristen.“ Und der zweite Satz ebenfalls: „Das mag vielleicht daran liegen, dass Herr Grass meint, die Affinität zum Wort würde Schriftsteller in die Lage versetzen, in politischen Bereichen ein profunderes Urteil zu fällen. Aber das ist ja nicht der Fall.“ Ein Germanistikprofessor spricht Autoren politische Stellungnahmen, politischen Einfluß ab? Folgt man ihm, dürfen Autoren gar keine politischen Ansichten oder Meinungen vertreten? Was ist denn das für ein Literaturbegriff? Gunther Nickel sagt auch noch Erstaunlicheres: „Wenn ich beispielsweise in der aktuellen Debatte über Migration, Bildungspolitik und den Missbrauch des Sozialstaates, die Thilo Sarrazin angestoßen hat, mitreden will, dann nützt mir meine Sprachkompetenz allein gar nichts.“ Folgt man Gunther Nickel, dann würde die Literatur gar keine Funktion, keine gesellschaftliche Relevanz, keine Wirkung und keinen politischen Einfluss haben. Vielleicht ist das Ansichtssache, und der Interviewte hat mit Sicherheit nicht die programmatische Schrift von Jean-Paul Sartre, Was ist Literatur? im Sinn, wenn er auf diese Weise antwortet, und man könnte es dabei bewenden lassen. Aber da Professor Nickel für Gutachten im Deutschen Literaturfonds zuständig ist und im Rahmen dieser Aufgabe Gutachten über literarische Texte verfasst, muß man doch viel genauer hinsehen.

In der gleichen Antwort präzisiert Nickel seinen Standpunkt und bringt ihn auf den Punkt: „Dass Autoren, wie alle Bürger, eine politische Haltung entwickeln sollten, das ist schon ganz recht. Aber das sollten sie als Privatpersonen tun. Das Politische steht mit den besonderen Anforderungen, die an sie als Verfasser von literarischen Texten gestellt werden, in gar keinem Zusammenhang.“ – Das kann man und muß man zugunsten aller Autoren, die sich mit ihren Werken für die Analyse von Geschichte, der Gesellschaft und Politik einsetzen, mit Entschiedenheit zurückweisen. Machiavelli, Montaigne, Pascal, Molière, Rousseau, Voltaire, Condorcet, Goethe, Schlegel, Schiller, Chateaubriand, Balzac, Stendhal, Flaubert, Zola, Sartre, Camus und viele andere hätten keine Zeile geschrieben , wenn sie zu politischen Fragen keine Stellung hätten beziehen dürfen. Politische und gesellschaftliche Visionen werden nicht oder nur selten von Politikern entwickelt. Sie werden vornehmlich von Intellektuellen und Literaten aufgrund ihrer Analysen erdacht. Sie sind es, die mit ihren Werken gesellschaftliche Entwicklungen antizipieren können. Der Versuch, ihnen diese Fähigkeit abzusprechen, offenbart ein sehr merkwürdiges Literaturverständnis.

Und Nickel fügt hinzu: „Wenn sich Autoren als politische Repräsentanten begreifen, dann ist die Frage zu klären, wer sie denn eigentlich dafür gewählt hat. Wir leben schließlich in einer Demokratie, in der wir durch politische Repräsentanten vertreten werden.“ Das ist nicht das Problem der Literaten, sondern ihr Glück. Niemand hat ihnen ein Mandat gegeben (s. Sartre, Plaidoyer pour les intellectuels, in: ders. Situation, VIII. Autour du mai 68 , Paris 1972), 1) und die meisten von ihnen werden sich hüten, ein solches Mandat wahrzunehmen. Als Intellektuelle sind sie in erster Linie unabhängig und frei, nur so können sie schreiben. Sartre und Camus, in diesem Punkt sind sich beide trotz ihrer politischen Auseinandersetzungen einig. Aber Nickel sagt noch mehr: „Dass Schriftsteller wie Grass hier so eine herausragende Rolle spielen wollen, vermag ich überhaupt nicht zu akzeptieren.“ Es geht nicht um die Rolle, die der Autor spielen will, es geht um das, was er schreibt. Ihm einen politischen oder gesellschaftlichen Einfluß absprechen zu wollen, heißt ihn zu vereinnahmen, ihm seine künstlerische Freiheit und seine Unabhängigkeit nehmen zu wollen. Das verbirgt sich hinter dem Angriff auf die Literatur, denn so müssen die Worte Nickel gewertet werden.

Und Nickel fragt: „Was qualifiziert sie (i.e. die Literaten W.) denn dazu, im politischen Bereich mehr sagen und etwas lauter sagen zu dürfen, als jeder andere Bürger?“ Und jetzt kommt eine kleine Einschränkung, die aber Nickel auch nicht rettet: „Das, was Herr Grass als Forderung stellt, ist für mich nur unter einer Voraussetzung plausibel: Nämlich dann, wenn es sich nicht als Forderung an die Schriftsteller als Schriftsteller und nicht mit dem Hintergedanken einer Exponierung der Schriftsteller zu so einer Art politischem Sprachrohr jenseits irgendwelcher Legitimationsinstanzen verstehen lässt.“ Der Autor darf also nicht in den Verdacht kommen, irgendeine politische Richtung zu unterstützen? Die Verabsolutierung der Politik, der Nickel hier das Wort redet, erklärt, warum er den politischen Einfluß von Autoren nicht verstehen will und ihn ablehnt. Die Politik umfasst alle Organisationsformen eines Gemeinwesens, sie bestimmt damit aber nicht die Inhalte. Eine solche Definition wird hier naturgemäß sehr verkürzt vorgetragen; ihr Inhalt wird aber dennoch verständlich. Mit anderen Worten: Das Nachdenken über und die Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse beeinflusst die Politik aber nicht umgekehrt.

Und Nickel sagt noch mehr: „Und an diesem Modell des Dichters (im vorhergehenden Satz erwähnt Nickel Schiller, W.), des Verkünders von Wahrheit gegenüber der Obrigkeit, orientiert sich Herr Grass noch immer. Das ist aber ein Modell, das meiner Meinung nach schon im 20. Jahrhundert nicht mehr funktioniert hat und im 21. Jahrhundert erst recht nicht. Diese Art von Privilegierung des Künstlers, die im 19. Jahrhundert geradezu kunstreligiöse Züge annahm, die sollte eigentlich wirklich vorbei sein.“ Nein, sie ist nicht vorbei. Jeder Versuch, dies zu behaupten, nimmt den Schriftstellern von heute ihre fundamentale Freiheit, überhaupt schreiben zu können.

Nickel: „Es hindert Autoren nichts daran, sich schlau zu machen, Kenntnisse zu erwerben in einem Bereich, der politisch relevant ist. Aber das ist für sie dieselbe Arbeit wie für jeden anderen Menschen, da nutzt ihnen ihr Status als Autor erst mal gar nichts.“ Das stimmt nicht. Ein Schriftsteller geht mit Sachverhalten, Analysen anders um als z.B. ein Journalist, der für das Tagesgeschäft recherchiert. Von Fall zu Fall dürfte die Recherche so mancher Autoren dem kurzlebigen Tagesgeschäft weit überlegen sein. Das ist nun einmal so. Und jetzt geht es doch ans Eingemachte, wenn Gunther Nickel seine Vision der Literatur wie folgt zusammenfasst: „Und dann könnten sie (i. e. die Autoren., W.) versuchen, das, was sie recherchiert haben, zum Gegenstand eines literarischen Textes zu machen. Aber Maßstab des literarischen Textes wäre dann doch nicht die politische Meinung, die dort vertreten wird, sondern die Art und Weise, in der sie gestaltet ist. Das ist ja das literarische Kriterium und nichts anderes.“ Das ist nicht ganz falsch. Die Form eines Textes ist ein wichtiges literarisches Kriterium, das stimmt. Aber es ist gerade die Form, die die Werke der Autoren allen anderen kurzlebigen Textformen, die im politischen Alltag verfasst werden, so überlegen, viel kompetenter, viel politisch einflussreicher und treffsicherer macht.

Und nach dem Interview wird der Leser auf der Internetseite der ARD, wo das Interview mit Professor Nickel veröffentlicht wird, aufgefordert, seine Meinung zu hinterlassen: “ Warum sollte sich Literaten zu gesellschaftlichen Themen äußern beziehungsweise nicht äußern?“ Nochmal. Literatur ist immer eine Äußerung zu politischen und gesellschaftlichen Fragen, deshalb ist diese Frage falsch gestellt. Es gibt keine literarischen Texte, die politische Enthaltsamkeit üben. Oder sie sind völlig wertfrei und wollen ohne jede Bedeutung daherkommen. Literatur setzt sich aus Wörtern zusammen, und sowie eine Sache benannt ist, bekommt oder empfindet der Leser eine bestimmte Einstellung zu ihr.

Heiner Wittmann

* Möglicherweise führt der Link bald ins Leere, weil die Sender oft Ihre Seiten ändern und Beiträge wieder löschen.

1. Vgl. dazu auch: D. Hoeges, Beantwortung der Frage: Was ist Gegenaufklärung? (II.) Nationalintellektuelle, Postmoderne und die Preisgabe der Menschen- und Bürgerrechte, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte , Bd. 1/2, Heidelberg 1997 (105-122).

Auf nach Paris!

GEO spezial
Paris Nr. 4 August/September 2010

Sie wissen schon alles über Paris? Und überhaupt Sie haben sowieso längst Ihre vertrauten Gewohnheiten in Paris? Und vielleicht würden Sie dieses Heft im Zeitschriftenladen nicht angucken, weil Hefte mit Fernreisezielen daneben liegen. Dachte ich zuerst auch. Aber betrachtet man die Themenvielfalt dieses Heftes, dann merkt man schnell, dass der Redakteur dieses Heftes, Michael Stührenberg, hier seine Paris-Kenntnisse auf lehrreiche und unterhaltsame Weise zugleich vermittelt. Doch der Reihe nach.

Den Eiffelturm kennt jeder, aber die Aufnahmen von Stéphane Compoint, der mit Hilfe einer ferngesteuerten Kamera an einem Helium-Ballon seine Fotos zum Beitrag über das Wahrzeichen von Paris geliefert hat, hat noch nicht jeder gesehen. 60 Tonnen Farbe werden zur Zeit auf dem Gerüst des Turms verteilt, um ihn wieder für mehrere Jahre vor den Wetterkapriolen zu schützen. Geo war mit dabei und hat die Arbeiter in windiger Höhe beobachtet. Man bekommt wieder richtig Vorfreude darauf, bald wieder auf den Turm zu steigen. – 397 Souvenirläden gibt es in der Stadt, und in einem der Arrondissements der Stadt gibt es nur einen. – Paris ist teuer und in den letzten Jahren immer teurer geworden, das stimmt. Aber der Gang abends um und über die erleuchteten Seine-Inseln ist immer noch kostenlos. Gehen Sie mal an einem Sommerabend auf den Pont des Arts: Foto: S. 32 f. Katharina Peters hat noch viel mehr ausprobiert. Folgen Sie ihren Vorschlägen auf S. 39, und Sie erleben mehr von der Stadt als bei einer teuren Stadtrundfahrt.

Michael Stührenberg nimmt uns in einige ausgewählte Museen mit. Kennen Sie die schon alle? Das Musée Carnavalet? Oder waren Sie schon mal im Maison de Balzac? Und Stührenberg verrät ihnen anschließend die besten Baguette-Adressen in Paris. – Am besten hat mir der Artikel über die Pariserinnen und ihre Fotos gefallen: Baudouin hat die Fotos gemacht und Hans-Heinrich Ziemann hat die Pariserinnen befragt.

Ulrich Fichtner fragt, ob das Klischee stimmt? Ist Paris die Stadt der Liebe? Der SPIEGEL-Rerporter hat sich an vielen Orten in Paris umgesehen: Ein richtiger Mini-Stadtführer auf drei Seiten. Sebastian Kretz hat einige Luxushotels der Stadt besucht. Und die Zahl der Luxushotels wird weiter zunehmen. Zum Trost für uns alle, die wir immer nur draußen daran vorbeischlendern, hat Kretz auf Seite 80 fünf schöne Hotels für unter 150 Eur/Nacht für uns notiert. Michael Stührenberg begleitet uns auch in die Banlieues: eine ganz andere Stadt mit ihren eigenen Problemen tut sich dort auf. Nicolai Ouroussoff zeigt uns die neuesten Architektur-Ideen, die auf Wunsch des Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy in Einklang mit dem Grand Paris, der Metropole der Zukunft, gebracht werden sollen.

Waren Sie schon mal in den Buttes Chaumont? Lou hat sich in den Kopf gesetzt, dass man dort mit den Bäumen reden kann. – Wie vermeidet man das ewige Schlangestehen? Rafael, Orlando, Stan und Tom Waldeck erklären Ihnen, wie man das vermeiden kann und trotzdem zu seinem Ziel kommt. Das Reise- und Service-Dossier im Anhang bringt alle Paris-Reisenden, ob sie nun zum 30. oder zum ersten Mal in die Hauptstadt reisen, hier auf den neuesten Stand: Der Serviceteil ist nach Quartiers geordnet, so müssen Sie ihre vertrauten Wege nicht verlassen und entdecken trotzdem viele neue Adressen, vorausgesetzt, Sie vergessen nicht, das Heft vor Ihrer nächsten Reise einzupacken. Heft und Fahrkarte für den TGV oder den Thalys nach Paris kaufen, und nach drei oder vier Stunden kommen Sie an und sind mit diesem Heft auf angenehmste Weise auf ihren Ausflug nach Paris vorbereitet.

Mein Tipp für einen Paris-Abend: Sollte Sie mal zufällig abends alleine in Paris sein:

Gehen Sie in die La Hune, so heißt die Buchhandlung zwischen dem Café Les deux Magots und dem Flore, die bis Mitternacht geöffnet ist, kaufen Sie sich ein Buch, das Sie immer schon mal habn wollten oder ein ganz neues, bestellen Sie im Deux Magots ein Glas mit einem guten Rotwein: Il est servi. / Es ist angerichtet heißt dieses Foto.

Leider zitieren die Autoren dieses Heftes meinen Frankreich-Blog nicht. Nicht schlimm. Sie kennen ihn jetzt ja: Juni 2010 in Paris oder Fin août: un week-end à Paris.

Geo-Spezial: Paris Nr. 4 August/September 2010

Heiner Wittmann

Georges Brassens und seine frühen Lieder

Im Verlag Nachlese Radebeul ist ein Band mit den frühen Liedern einschließlich ihrer deutschen Nachdichtungen aus der Feder von Ralf Tauchmann unter dem Titel Der starke Tobak des Monsieur Brassens erschienen. Kaum war das Buch hier angekommen, habe ich es mir am Schreibtisch bequem gemacht und eine CD von Brassens aufgelegt

Das Vorwort berichtet über Brassens Kindheit in Sète und erinnert an die allgegenwärtige Präsenz der Musik und die von Generation zu Genration vererbten Lieder. Er kommt ins Collège Paul-Valéry in Sète, dort begegnet er seinem Lehrer Alphonse Bonnafé, dem es gelingt dem jungen Georges die Dichtkunst näherzubringen und einen prägenden Einfluss auf den Schüler auszuüben. Eine erste wenn auch flüchtige Bekanntschaft mit der Polizei endet glimplich und die erwartete zusätzliche Bestrafung durch den Vater kommt nicht: “Willst Du was essen?” fragt sein Vater stattdessen. Es folgt eien erste Reise nach Paris, der Kriegsausbruch, Arbeitsdienst in Basdorf. Im März 1944 gelingt es ihm, in Paris unterzutauchen. Er schreibt Artikel und Lieder und 1952 kommt sein Erfolg: ” Letztlich ist es die Kraft seiner anarchistisch angehauchten, tabubrechenden Texte, die ihm 1952 zum Durchbruch verhelfen.” (S. 29). Diese Ausgabe enthält Lieder der Jahre 1952 bis 1950 und jetzt erinnere ich mich wieder daran, wie präsent die Dichtung in Brassens’ Werk ist. Wie gut er die Gedichte von Baudelaire, Verlaine, Rimbaud und vielen anderen kannte.

Im Anhang seines Buches stehen Anmerkungen zu ausgewählten Liedern. Hier zeigt Tauchmann seine profunde Kenntnisse des Brassenschen Œuvres.

Die Übertragungen vermitteln den Spaß, die Lieder auch auf Französisch zu lesen und man merkt wie nach ihrer Lektüre beim Zuhören das Verstehen des französischen Textes immer leichter fällt. Wie schon mal > woanders gesagt, Französisch ist nicht schwer, und mit wenigen > Grundkenntnissen kann man diese zweisprachige Ausgabe zur Hand nehmen und spielend leicht mehr französische Begriffe und Redewendungen lernen. Und nebenbei erinnert Ralf Tauchmann mit gutem Recht an so manches vergessene Lied von Georges Brassens.

Heiner Wittmann
40 Lieder französisch-deutsch
NachLese Radebeul
September 2010
228 Seiten Paperback
ISBN: 978-3-9814895-0-7

Albert Camus und die Kunst

Albert Camus et le monde de l'art

Elisabeth Cazenave,
Albert Camus et le monde de l’art
Préface de Philippe Lejeune
140 illustrations couleur
Atelier Fol’Fer éditions
Co-édition Association Abd-El-Tif, Anet 2009.

Elisabeth Cazenave hat mit ihrem Band Albert Camus et le monde de l’Art (1913-1960) ein livre-témoin vorgelegt. Sie erinnert an die zahlreichen Künstler, denen Camus immer wieder begegnet ist und denen er – das ist diesem Band leicht zu entnehmen – grundlegende Inspirationen für sein Werk verdankt. Auch 50 Jahre nach seinem Tod werden immer noch Bücher und Aufsätze geschrieben, deren Autoren sich immer noch auf eine Analyse des Absurden und der Revolte beschränken, ohne die Kunst im Werk von Albert Camus in den Blick zu nehmen: „L’art et la révolte sont confondus chez Camus dans la recherche d’une unité universelle, ses amis partagent la même enquête.“ (S. 67) schreibt E. Cazenave.

Die vielen Abbildungen von Werken der Künstler, mit denen Camus freundschaftlich verbunden war, und von denen einige, wie Pierre-Eugène Clairin für Noces, auch die Illustrationen für seine Bücher geliefert haben, machen aus diesem Buch ein beeindruckendes Zeugnis für die enge Verbindung von Kunst und Literatur in seinem Werk. Nach einer kurzen biographischen Einleitung folgen Kapitel über das Mittelmeer mit Abschnitten über Tipasa und Djemila, die Villa Abd-El-Tif, in der von 1907-1962 87 Künstler gearbeitet haben und über Realtität und Mythos. La Maison de la culture, das 1936 in Algier gegründet wurde, zusammen mit dem Theater (1936-1939) und dann die Berichte über das journalistische Engagement von Camus illustrieren sehr nachhaltig seinen Hinweis auf die Kunst, so, wie er ihn in seiner Nobelpreisrede formuliert hat: Die Kunst gehört nicht dem einzelnen Künstler, sie muss sich an alle richten.

Im Anhang dieses Buches werden über sechzig Künstler von Maurice Adrey (18-99-1950) über Sauveur Galliéro (1914-1963), Richard Maguet (1896-1940) bis Marie Viton (avant 1900-1950) mit ihren Beziehungen zu Camus vorgestellt.

Nach der Lektüre dieses Bandes darf man sich zu Recht fragen, wieso die Bedeutung und die Tragweite der Kunst im Werk von Camus so lange unterbewertet oder gar übersehen wurde? Es ist der Autorin dieses Bandes in eindrucksvoller Weise gelungen, die in diesem Band versammelten Abbildungen von Kunstwerken keinesfalls als bloße Illustrationen vorzulegen, auch nicht immer wieder das Absurde als Lebensanschauung Camus‘ endlos zu wiederholen, sondern es nur als eine Diagnose zu erwähnen, nach der man sich wieder der Handlung und damit auch der Kunst als ein Mittel die Welt zu beschreiben zuwendet. Das Buch erscheint zum richtigen Zeitpunkt, ist es doch eine sehr treffende Ergänzung für viele Biographien Camus, die die Tragweite der Kunst, in Le mythe de Sisyphe, in La peste oder in L’homme révolté nicht ihrer Bedeutung entsprechend wahrnehmen. In seiner Nobelpreisrede hat Camus die Kunst unmißverständlich in das Zentrum seines Werkes gerückt. Er hat sich allerdings auch in ihr gegen den Mißbrauch der Ideologien verwahrt.

Man darf aber doch anmerken, dass Jean-Paul Sartre in diesem Band nicht erwähnt wird. Bedenkt man sein sehr ausgeprägtes Interesse für die Kunst, z. B. seine Rezension des L’étranger und an die Freundschaft, die beide bis zu ihrem Streit verbunden hat, so wie den Nachruf den Sartre im Januar 1960 formuliert hat, hätte er in diesem Band nicht fehlen dürfen. Er und Camus haben sich mit ihrem Gesamtwerk für die unaufhebbare Verbindung von Kunst und Freiheit eingesetzt. In bezug auf Camus ist die Kunst in seinem Werk von vielen Autoren nicht erkannt worden. Wird sie berücksichtigt, kann der eigentliche Gehalt und die Bedeutung seines Werks besser verstanden werden. Sartres La Nausée ist nur im Rahmen seiner anderen philosophischen Werke zu verstehen, L’étranger hingegen ist selbst ein Kunstwerk, das die Autonomie der Kunst auf eine sehr nachhaltige Weise illustriert. In diesem Sinn öffnet E. Cazenave neue Perspektiven zum Verständnis seines Werkes.

Heiner Wittmann

Sartre und Tintoretto

Der Künstler verkauft Visionen. Jean-Paul Sartre und Tintoretto

> Sartre und die Kunst

Vortrag. Freitag, 12. 1. 2007, 19 h 30
Institut français, Berlin, Kurfürstendamm 211, U1 Uhlandstraße

Auf Deutsch und Französisch. Der Vortrag wird von Vincent von Wroblewsky gedolmetscht.
Eine Veranstaltung der Sartre-Gesellschaft und des Institut français, Berlin.

“L’artiste, c’est l’ouvrier suprême: il s’épuise et fatigue la matière
pour produire et pour vendre des visions.”
J.-P. Sartre, Le Séquestré de Venise,
in: id. Situations, IV, Paris 1964, S. 319.

Der Maler Jacopo Robusti, genannt Tintoretto (1518-1594), gehört einer ganz anderen Epoche an, als die Künstler, Schriftsteller und Dichter, deren Werke Jean-Paul Sartre in seinen Künstlerstudien untersucht hat. In ihnen hat er ein Verfahren entwickelt, mit der er auch die Gemälde des venezianischen Meisters untersucht.

Es liegen mehrere Fragmente seiner Studie über Tintoretto vor. 1957 wendet er seine psychanalyse existentielle, die er im letzten Kapitel von L’être le néant (1943) beschrieben hat, auf den Künstler an. Im gleichen Jahr verfaßt er den Aufsatz Questions de méthode, in dem der Beitrag der Hilfsdiziplinen (Psychonalyse u.a.) zu seiner progressiv-regressiven Methode erläutert werden. 1961 vergleicht er viele Gemälde Tintorettos untereinander, bevor er 1966 das Bild San Girogio uccide il drago (1558, National Gallery, London) in all seinen Details untersucht. Ein weiteres Fragment erscheint 2005 im Ausstellungs-katalog der Pariser Nationalbibliothek unter dem Titel Un vieillard mystifié (Sartre, éd. M. Berne, Gallimard, Paris 2005, S. 186-190), in dem Sartre das Selbstporträt des Meisters (1585, Louvre, Paris) analysiert. Die Bedeutung der Beziehungen zwischen Theorie und den Künstlerporträts für seine Ästhetik wird mit dem ersten Satz der Flaubert-Studie “L’Idiot de la famille est la suite de Questions de méthode” ausdrücklich unterstrichen.

Sartre hat mit mehreren, unterschiedlichen Ansätzen die Gemälde Tintorettos untersucht. Dabei wird eine Porträtmethode erkennbar, mit der Sartre Grundsätze seiner Philosophie nutzt, um eine Ästhetik zu formulieren. Wie in seiner Literaturtheorie geht es auch bei Tintoretto um die Mitarbeit des Rezipienten, also hier des Betrachters, den der Maler mittels seiner Maltechnik an der Entstehung des Werks beteiligt. Bei Tintoretto, wie bei den anderen Künstlern, deren Werke Sartre untersucht hat, gehören die Freiheit und die Unabhängigkeit zu den Bedingungen seines Erfolgs.

“Après sa première nuit vénitienne, l’animal touristique seréveille amphibie; il constate en même temps qu’il lui a poussé des nageoires et il retrouvé l’usage de ses pieds. Ce matin, je marche, je vais au hasard … suivant des calli, traversant des ponts, débouchant sur des campi, m’égarant, tombant dans un cul de sac, revenant sur mes pas, repassant par les mêmes calli et les même campi sans trop m’en aviser. ”
J.-P. Sartre, La Reine Albemarle ou le dernier touriste, fragments, éd. A. Elkaïm-Sartre, Paris 1991, S. 84.
“A Venise, les Vénetiens sont chez eux. Et il suffit d’un ciel un peu doux, comme ce matin, d’une lumière un peu tendre, gaie come un sourire, pour que le touriste se sente un peu moins touriste, presque vénetien.” Sartre, op. cit., S. 86
“Au bout d’un certain temps, ce qui m’inquiète c’est presque moral : à moins de monter sur le Campanile de Saint-Marc, Venise est une ville qui se dérobe à toute vue d’ensemble. Elle fuit, vous contraint à vous prendre dans le détail…” Sartre, op. cit., S. 106
“Venise a ses propres coordonnées : la place Saint Marc, la lagune, les Fondamenta Nuova : elle ignore les points cardinaux. Je me trompais, tout à l’heures, en disant qu’elle fabrique ses vitesse : à l’intérieur de Venise il n’y a pas de vitesse du tout.” Sartre, op. cit., S. 87.
“L’humidité dans l’air, au ciel. L’eau. Douce humidité, fraîcheur, fond de l’air tiède. Gondole. La gondole c’est exactement un fiacre.” Sartre, op. cit.,. S. 80.
“Les campis ne sont parcurus par aucune ligne,droite ou courbe : ce sont des étendues de pierre stragnante, de marécages de pierre.” Sartre, op. cit., S. 88
“L’eau à Venise palpite, elle se dilate et se contracte, dit-on, notre univers. Sorti de la gondole, je reste longtemps à regarder une crème verdâtre à la surface du rio, qui tantôt se resserre, tantôt file doucement vers le canal de la Giudecca, tantôt recule et tantôt s’arrête. Sartre, op. cit., 109
“Venise est la ville qui protège le moins contre l’espace. Le ciel et l’eau sont complices, ils sont trop. L’eau s’enroule sur elle-même, le ciel a un autre genre de foisonnement, il écarte les regards, il éblouit,distend par des épanouissements mats de lumière.” Sartre, op. cit., S. 104
Links zum Buch Sartre und die Kunst Sartre-Gesellschaft Bibliographie Colloque, GES, Paris

Crise écologique et crise sociale

Hervé Kempf,
Pour sauver la planète, sortez du capitalisme,
Paris, Editions du Seuil 2009.

Zwei Jahre nach seinem Band > Comment les riches détruisent la planète, hat Hervé Kempf, Journalist bei LE MONDE, den Titel seines neuen Buches auf den Punkt gebracht. Wollen Sie den Planeten retten, dann geben Sie den Kapitalismus auf, fordert er.

Eine Verschärfung der Umweltprobleme werde unsere Zivilisation zu einer schweren Existenzkrise führen. Er ist überzeugt, dass unsere natürlichen Lebenssystems sich bald schon nicht mehr selbst regenerieren können. Kempf will mit seinem Buch erklären, dass nur eine Reduzierung der sozialen Ungleichheit die Zivilisation vor Schlimmeren bewahren kann. Für ihn sind Umweltschutz und soziale Fragen eng miteinander verbunden.

Korruption, Spekulation wie ungebremstes Wachstum und der Triumph der Ungleichheit sind für ihn die Kennzeichen des Kapitalismus. Aber er erkennt eine Nervosität der Märkte, die u. a. auch durch die Ungleichheit ausgelöst wird. Kempfs Überlegungen erinnern an Richards Sennets Buch: Der Verfall des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt/Main, S. Fischer Verlag 1998, das einen so viel schöneren englischen Titel The Fall of Public Man hat. Die Mitreisenden, die im Zug telefonieren: “Ja Schatz, ich sitze im Zug…” und ihre Sorgen alle mitteilen, nehmen an dieser Gesellschaft nicht mehr teil. Die Solidarität in der Gesellschaft ist in Gefahr oder bereits verschwunden, und Kempf nennt einige Beispiele von der Werbung bis zur Sexualität, die er in seinem Kapitel Indoktrinierung notiert. Und wieder warnt er vor der RFID-Technik, die zur totalen Überwachung eingesetzt werden kann. Einen Austausch ohne Worte nennt er das. – So wie unsere Kuhlschränke sich eines Tages selber prüfen und die Bestellung zu ihrer Auffüllung verschicken können. –

Le Mirage de la croissance verte: Grünes Wachstum? Tschnernobyl hat keine Euphorie zugunsten der Abschaffung der Atommeiler ausgelöst, und die Atomenergie hält keine Lösung für den Klimawandel bereit. Die Windkraft wird nach ihrer Besichtigung von Kampf ebenfalls abgeschrieben. Das Abholzen der Wälder, wie die Versenkung von CO2 bei der Gasförderung, wie Erdölgewinnung in Canada aus ölhaltigen Sand sind für Kempf bemerkenswerte Misserfolge.

Kempf weiß, dass er auch Konferenzen nicht immer die besten Karten hat, und er berichtet davon, wie seine Ideen von den Skeptikern aufgenommen werden, S. 109 ff.: Sollen wir zum Kerzenlicht zurückkehren und unser Handy abgeben?

Im letzten Kapitel berichtet Kempf von alternativen Wirtschaftsformen und dem langem Atem, den diese Veränderungen erfordern. Er erwähnt die Siedlungs- und Wohnungsfragen unserer Zeit, die es mit sich bringen, dass Arbeitnehmer lange Anfahrtszeiten haben – die Eigenheimzulage und KM-Pauschale haben bei uns die Zersiedelung der Landschaft und den Bau von Rennpisten nachhaltig erfolgreich gefördert -. Kempf fordert eine neue Verdichtung in unseren Städten, wodurch ein neues Verhältnis zum Auto entstehen könnte. Richtig, wir brauchen keine > Hauptstätter Straße mit 14 Spuren. – Stattdessen lieber Versuche, den Feinstaub mit diversen Mitteln zu binden… -.

Das Buch sticht aus der Fülle an Diskussionsbeiträgen zum Klimawandel heraus. Der unbedingte Zusammenhang zwischen sozialen Fragen und Umweltfragen wird in dieser Schärfe und mit diesem Konsequenz nicht von allen geteilt. Mit seiner wohlbelegten Analyse (Nachweise, S. 135-152) hat Kempf einen interessanten Beitrag zur Klimadebatte vorgelegt.

Heiner Wittmann

> Hervé Kempf et Stefan Rösler: La crise du climat et la crise du capitalisme. La fin du progrès sans bornes
Veranstaltung im Institut français de Stuttgart am 17. November 2009

Sartre von A-Z

Cabestan, Philippe
Dictionnaire Sartre
Paris:   Editions Ellipses , 2009.
224 Seiten
ISBN 978-2-7298-4347-2

Cabestan weist in der Einleitung seine Leser daraufhin, dass die Einheit von Sartres Denken keinesfalls durch eine Aufzählung einzelner, isolierter Begriffe erklärt werden kann. Es geht nur darum, mit diesem Band Sartre-Lesern einige Brücken zum Verständnis anzubieten. Ein Leser, der sich nur auf die Lektüre von Cabestan Dictionnaire beschränkt, wird auch die Entwicklung der Begriffe im Werk Sartres übersehen. Damit meint der Autor auch die persönliche Entwicklung Sartres, die für manche Interpreten auf der Suche nach seinen ideologischen Veränderungen besonders wichtig ist. Ihnen gegenüber betont der Autor mit Recht die Beharrlichkeit Sartres, seine frühen Erkenntnisse, die die Einheit seines Werkes bestimmen, zu der seine Entwicklung gehört, eine totalisation, die erst mit seinem Leben endete. Allerdings erinnert Cabestan mit einem Beispiel an Sartres eigene Versuche, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen: 1975 erklärter er in einem Gespräch mit M. Contat, dass die Freiheit ohne die Möglichkeit ihrer Entfremdungen nicht verstanden werden könne. (Situations, X, 13) Ob durch eine solche Aussage die Bedeutung der von Cabestan in diesem Zusammenhang zitierten Schriften L’existentialisme est un humanisme (1947) oder L’être et le néant, in ihrer Aussagekraft wirklich tangiert werden?

Jeder Sartre-Leser wird in diesem Dictionnaire nach den Stichworten suchen, die ihm vertraut sind. Eine Seite zum Stichwort Ästhetik im Werk von Sartre reicht natürlich nicht aus. Aber Passagen, die Cabestan zitiert oder resümiert, erinnern den Leser an wichtige Werke Sartres : Qu’est-ce que la littérature?, La responsabilité de l’écrivain und bestimmte Texte in Les Ecrits de Sartre. Stichwörter wie Analogon, Beau, Création, Esthétisme, Gestalttheorie, Image et Imagination, littérature engagée, Œuvre d’art, Perception, Phénoménologie, Prose et poésie, Psychanalyse existentielle, Regard, Sens et signification d’une œuvre d’art, Universel singulier u.a. belegen wie eng Sartres Ästhetik mit seiner Philosophie verbunden ist. Es ist nur zu leicht, Lücken in den einzelnen Beiträgen aufzuspüren. Die Lektüre der hier genannten Einträge gibt aber tatsächlich einen kompakten Einblick in seine Philosophie, und Cabestan vermittelt auf geschickte Weise Querverbindungen zu anderen Themen und erklärt, Abgrenzungen und Gegensätze Sartres zu anderen Autoren.

Natürlich habe ich in meinem eigenen Zettelkasten zu L’Idiot de la famille nachgesehen und nach Karteikärtchen mit wichtigen Stichwörtern gesucht. So scheint die literarische Seite seines Werkes in diesem Dictionnaire weniger stark als die Philosophie vertreten zu sein. Déréalisation, Individu, Laideur, Vérité, Artiste, Confiance, Nature, Activité passive, Appel hätten vielleicht einen eigenen Eintrag verdient, aber viele andere Begriffe, die möglicherweise auch noch fehlen, sind in den vorhandenen Einträgen zu finden. Die Suche nach fehlenden Stichwörtern war eine gute Übung, denn damit wurde deutlich, wie sorgfältig und mit welchem Sachverstand Cabestan die Auswahl der Stichwörter vorgenommen hat.

Einträge wie der zum Marxismus zeigen in aller Kürze Sartres Entwicklung. Nannte er ihn noch 1960 eine unüberschreitbare Philosophie unserer Zeit, so war er 1975 auf der Suche nach einer Philosophie, die ihn überschreitet. Nur den Marxismus von Marx hielt Sartre für unüberschreitbar, den seiner Anhänger kritisiert Sartre in scharfer Form, aber auch Marx gegenüber bewahrte er eine kritische Distanz. Beispiele wie diese zeigen, wie es dem Autor gelingt, auf zwei Seiten eine sehr komplexe Frage im Rahmen der zur Verfügung stehenden Seiten präzise darzustellen.

Die einzelnen Einträge sind alle nach einer ähnlichen Form gestaltet: Bien et Mal: „Libre, l’homme doit agir et par ses actions décider lui-même du bien et du mal. Le Bien ‚existe pas en dehors de l’acte qui le fait‘ (Cahiers pour une morale, p.573)“

Im ersten Absatz jedes Beitrags erscheint ein knapper Satz, der die Bedeutung des Stichworts umreißt, der dann von einem Zitat als Beleg gefolgt wird. Auf diese Weise vermittelt der Autor am besten sein Wissen und seinen Einblick in das Werk Sartres und macht aus den Beiträgen tatsächlich Bücken, die das Verständnis zwischen dieses Begriffen erleichtert. So auch im Artikel Responsabilité: „Reprenant l’acceptation courante de ce temre, Sarte définit la responsabilité comme la conscience d’être l’auteur d’un événement ou d’un objet.“ Et Cabestan ajoute une citation clé de Sartre: „En ce sens, la responsabilité du pour-soi est accablante.“ (L’être le néant, p. 612 f.)

Die anfängliche Skepsis weicht beim Ausprobieren dieses Buches der Überzeugung, ein nützliches Buch in der Hand zu halten.

Was die Website der Editions Ellipses betrifft, so ist es sehr schade, dass dort nicht mehr über dieses Buch zu erfahren ist. Immerhin, der Verlag hat einen Blog, auf dem kürzlich eine neue Version der Website angekündigt wurde.

Heiner Wittmann


Colloque Levinas et la philosophie du XX° siècle en France
organisé par Jean-Michel Salanskis (univ. Paris X) et Frédéric Worms
(univ. Lille III, CIEPFC, ENS)

Cogito et phénoménologie : Husserl, Sartre et Levinas
Philippe Cabestan (philosophe) [27 avril 2006 à 14h00]
Enregistrement audio de la conférence de Philippe Cabestan

Können Schüler mit Hilfe des Computers besser lernen?

Können Schüler mit Hilfe des Computers besser lernen?
Rolf Plötzner, Timo Leuders, Adalbert Wichert (Hrsg.)
Lernchance Computer.
Strategien für das Lernen mit digitalen Medienverbünden
> Waxmann, Münster 2009.
ISBN 978-3-8309-2216-2
Beim Konzipieren und Herstellen von Computerprogrammen für die Schule stießen wir schon in den 90er Jahren tagtäglich auf ein immer wieder kehrendes Problem. So ausgetüftelt diese PC-Programme auch waren, sie mußten immer möglichst viele Antworten des Schülers kennen, um ihm ein Feedback geben und dazu beitragen zu können, seine Lernleistung zu verbessern.

Dieses grundlegende Problem ist auch heute noch nicht perfekt gelöst worden. Aber die Lernforschung hat erhebliche Fortschritte gemacht, und der Band Lernchance für den Computer dokumentiert diesen Fortschritt im Bereich der Mediengestaltung und der Mediennutzung. Dazu kommen Medienverbünde, also die gemeinsame Nutzung von Texten, Bildern, Videosequenzen und Simulationen. Daraus werden Lernstrategien abgeleitet, die sich aber auch heute noch daran messen lassen müssen, inwieweit sie dem Schüler eine sinnvolle Rückmeldung geben können.

Helmut Felix Friedrich untersucht das Lernen mit Texten. Sein Beitrag macht den Verwendung des Computers im Lernprozess einsichtig. Der Schüler ist in diesem Fall von keinem Feedback abhängig, er benutzt die PC-Technik als ein echtes Hilfsmittel. Die vielen Anregungen für die Arbeit mit Texten und Lesestrategien vermitteln hier wichtig Einsichten in die Methoden, wie Schülern die Aneignung von Texten vermittelt werden kann. Tina Seufert untersucht das Verhältnis von Text und Bild: Lernen mit multiplen Repräsentationen – Gestaltungs- und Verarbeitungsstrategien. In diesem Sinn analysieren Maria Bannert und Peter Reimann das Metakognitive Fördern des Lernens mit digitalen Medien durch Prompting-Maßnahmen. Auch die beiden folgenden Beiträge über das Strategische Lernen mit interaktiven digitalen Medienverbünden lösen sich vom Problem des Programm-Feedbacks und konzentrieren sich auf die Initialisierung von Lernprozessen. Die Beiträge Lernen mit informierenden Bildern in Texten und Lernen mit illustrierten Texten können die Krux eines Sammelbandes nicht verbergen. Es entsteht hier der Eindruck einer gewissen Redundanz, die sich aber beim genauen Lesen wieder relativiert. Die Autoren dieser Beiträge stellen unterschiedliche Ansätze vor, die für die Entwicklung des Designs von Lernprogrammen sehr nützlich sein können. Ihre Anmerkungen gehen weit über bloße Designüberlegungen hinaus und stellen alle Facetten des komplizierten Verhältnisse von Texten und Bildern vor, das übrigens vom Fernsehen heute mit seinem ihm als Medium inhärenten Drang immer Bilder zu zeigen kaum noch beachtet wird. Besonders Berthold Metz und Adalbert Wichert zeigen, mit den Illustrationen ihres Beitrags wie Bilder in Texten funktionieren.
Die Animationen und Simulationen sowie Ausdifferenzierungen im Rahmen des kooperativen Lernen lösen sich ebenfalls von einschlägigen Lernprogrammen und nutzen den Computer als ein Medium unter anderen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Zeit der Lernprogamme oder des programmierten Lernens vorbei ist. Dafür spricht auch das Lernen durch Gestalten von digitalen Medien, das Elmar Stahl erläutert. Das eigene Erstellen von Inhalten mittels der Computertechnik eröffnet neue didaktische Dimensionen, deren Wert für den Lernprozess von Stahl hier so einleuchtend dargestellt. Zum Abschluss untersuchen Alwine Lenzner und Wolfgang Stotz das Aktivieren von Lernstrategien durch Bilder. Vergleicht man diesen Beitrag mit den Ausführungen von Elmar Stahl beginnt man hier die Einbeziehung der Schülerperspektive zu vermissen. Die Lernstrategien mit Hilfe von Bildern werden hier in der Hoffnung vorgestellt, dass die Schüler auf sie ansprechen werden. Alle Erkenntnisse von Web 2.0, die vielleicht auch als Lernen 2.0 einmal in die Didaktik aufgenommen werden, regen die Beteiligung der Schüler schon bei die Initiierung von Lernprozessen an. Auf diese Weise fällt auf, dass das Web 2.0 in diesem Band keine Rolle spielt. Es muss aber auch nicht extra genannt werden, da alle hier vorgetragenen theoretischen Überlegungen sich als Grundlagen vorzüglich dazu eignen, auch den Einsatz des Internets für das Lernen 2.0 zu untersuchen. Vgl dazu:

 

 

> Französischunterricht 1.0 => 2.0 > www.france-blog.info

Heiner Wittmann

Die deutsch-französischen Beziehungen: Eine Bestandsaufnahme

Astrid Kufer, Isabell Guinaudeau, Christophe Premat (Hrsg),
Handwörterbuch der deutsch-französischen Beziehungen,
Nomos, Baden-Baden 2009, 245 S., Broschiert, 24,- €
ISBN 978-3-8329-4807-8

Dieses Handbuch ist kein Nachschlagewerk im eigentlichen Sinne. Rund 40 Wissenschaftler aus Frankreich und Deutschland, viele unter ihnen auf dem Weg zur Promotion, haben die wichtigsten Begriffe zusammengestellt, die von allen bemerkenswerten Facetten des deutsch-französischen Verhältnisses in historischer Perspektive und aus der Sicht von heute geprägt werden. Die vielen Querverweise und Ergänzungen innerhalb der einzelnen Beiträge lassen kaum Lücken erkennen. Von ARTE über den Deutsch-französischen Motor, Erbfeind, Existentialismus, Intellektuelle Kulturbeziehungen, Städtepartnerschaften und Weimarer Dreieck, um nur ein kleine Auswahl zu nennen, werden historische, kulturelle und politische Aspekte gründlich behandelt. Der interessierte Leser wird sich in kurzer Zeit mit Hilfe der Beiträge dieses Bandes einen Überblick über Grundbedingungen des deutsch-französischen Verhältnisses aneignen können.

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Wahlkampf im Internet

Manuel Merz/Stefan Rhein (Hg.):
Wahlkampf im Internet
Handbuch für die politische Online-Kampagne
2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
LIT Verlag, Münster 2009
ISBN 978-3-8258-9262-3

Wahlkampf im Internet wurde von Manuel Merz und Stefan Rhein herausgegeben. Es ist die zweite Auflage des 2006 erschienen Bandes, dessen Untertitel Handbuch für die politische Online-Kampagne lautet.

Dieser Untertitel verät die Zielgruppe des Buches. Es richtet sich an Kandidaten, die gerne zusätzliche Prozentpunkte mittels eines Online-Wahlkampfes holen würden, aber bisher keine oder kaum Ahnung von den heutigen Möglichkeiten der vielen Internet-Anwendungen haben. In genau dieser Hinsicht kommt der Band zur kommenden Bundestagswahl wahrscheinlich ein bisschen zu spät. Analysiert man die Websites aller im Bundestag vertretenen Parteien, so ist die Anzahl der Funktionen oder Aktionen, die die Besucher der Wesbites zum Mitmachen, neudeutsch Partizipation, auffordern, sehr gering, umso wichtiger ist dieses Buch. Einige Parteien und Kandidaten haben schon einen Facebook-Account, laden Videos bei YouTube hoch oder haben auch schon vereinzelt mal einen Blog. Insgesamt ist das Ergebnis einer solchen Analyse sehr ernüchternd, zumal wenn man die deutsche politische Web 2.0-Landschaft mit der Intensität des amerikanischen Wahlkamps ( Blogs in den USA) Blogs in den USA) oder mit dem Wahlkampf zur französischen Präsidentschaft – blogopole.observatoire-presidentielle.fr/ – vergleicht. Damit ist die Lücke angedeutet, die der vorliegende Band bestens ausfüllen kann.

Den Kapiteln “Strategischer Online-Wahlkampf” und “Organisation der Onlinekampane” folgt eine Aufzählung der wichtigsten Internetanwendungen von E-Mails über Blogs bis Downloads, deren Funktion, Aufbau, Vor- und Nachteile erläutert werden. Sehr spannend ist das Kaptel “Fallbeispiele”, in dem einzelene AKtionen, Websites, Wahlkampfportale und Entwicklungen des amerikanischen Wahlkampfs vorgestellt werden, wenn auch viele Beiträge sich auf 2004 beziehen, nur ein Abschnitt bezieht sich auf den Wahlkampf von 2008. Eine noch gründlichere Überarbeitung dieses Kapitels hätte dem Buch sicherlich gut getan. Das ist aber nicht sehr bedauerlich, weil der amerikanische Wahlkampf 2004 auch vielen unserer heutigen Partein-Websites voraus gewesen zu sein scheint. – Liegt das daran, dass bei uns viele Kandidaten auf ihren sicheren Listenplatz vertrauen?

Die vielen Fremdworte, die vielen Spezialausdrücke können Wahlkampfneulinge sicher verwirren. Nimmt ein Wahl-Neuling dieses Buch zur Hand, ohne bisher von Web 2,0 gehört zu haben, ist er möglicherweise hinterher nicht viel schlauer. Die Kandidaten meines Wahlkreises, denen ich bisher eine seriöse E-Mail geschickt habe, ohne eine Antwort zu bekommen, würden von der Lektüre dieses Buches möglicherweise in Form einiger und manchmal sogar entscheidender Prozentpunkte profitieren können. Es geht nicht um eine Verlagerung des Wahlkampfes ins Internet, es geht einfach um die Möglichkeit, Wähler direkter anzusprechen. In diesem Zusammenhang müsste in diesem Buch die Notwendigkeit, Web 2.0-Anwendungen aufgrund der eigenen Kampagne richtig zu mixen, viel deutlicher hervorgehoben werden. Die Autoren dieses Buches kennen solche Probleme, sind sich ihrer sicher bewußt und beantworten im Kapitel 5 “Fragen aus der Praxis”, deren Antworten rundweg nützliche Hilfestellungen geben.

Die Website zum Buch Wahlkampf im Internet verdient aufgrund ihres Themas wesentlich mehr Links, die auf sie verweisen. Einfache Tricks, die Wirkung der eigenen Website zu überprüfen, oder die eigenen Seite im Suchmaschinenranking ganz oder möglichst weit nach oben zu bringen, würden sicher auch manchen Kandidaten nützen Eine Linkliste mit den Websites der Parteien, Online-Ergänzungen für das Buch, eine Liste politischer Blogs, die sich mit dem Wahlkamp beschäftigen, also aktuelle Informationen, wie sich der Online-Wahlkampf entwickelt – www.wahlradar.de oder www.parteigefluester.de – würden die Bekanntmachung des Buches sicher erleichtern. Während der Analysen der Online-Aktivitäten der Parteien in den letzten Jahren ( Blogs in Frankreich und Deutschland) ist dieses Buch nicht aufgefallen. Richtig zu spät kommt es aber nicht, da jederzeit Kanidaten und Parteimitglieder hier nützliche Anregungen finden können.

Übrigens: Jeder Link auf die Website des Buches zählt, deshalb sollte auch der Link des Verlagsseite auf die Website zum Buch anklickbar sein.

Heiner Wittmann

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