Sartre und Tintoretto

Der Künstler verkauft Visionen. Jean-Paul Sartre und Tintoretto

> Sartre und die Kunst

Vortrag. Freitag, 12. 1. 2007, 19 h 30
Institut français, Berlin, Kurfürstendamm 211, U1 Uhlandstraße

Auf Deutsch und Französisch. Der Vortrag wird von Vincent von Wroblewsky gedolmetscht.
Eine Veranstaltung der Sartre-Gesellschaft und des Institut français, Berlin.

“L’artiste, c’est l’ouvrier suprême: il s’épuise et fatigue la matière
pour produire et pour vendre des visions.”
J.-P. Sartre, Le Séquestré de Venise,
in: id. Situations, IV, Paris 1964, S. 319.

Der Maler Jacopo Robusti, genannt Tintoretto (1518-1594), gehört einer ganz anderen Epoche an, als die Künstler, Schriftsteller und Dichter, deren Werke Jean-Paul Sartre in seinen Künstlerstudien untersucht hat. In ihnen hat er ein Verfahren entwickelt, mit der er auch die Gemälde des venezianischen Meisters untersucht.

Es liegen mehrere Fragmente seiner Studie über Tintoretto vor. 1957 wendet er seine psychanalyse existentielle, die er im letzten Kapitel von L’être le néant (1943) beschrieben hat, auf den Künstler an. Im gleichen Jahr verfaßt er den Aufsatz Questions de méthode, in dem der Beitrag der Hilfsdiziplinen (Psychonalyse u.a.) zu seiner progressiv-regressiven Methode erläutert werden. 1961 vergleicht er viele Gemälde Tintorettos untereinander, bevor er 1966 das Bild San Girogio uccide il drago (1558, National Gallery, London) in all seinen Details untersucht. Ein weiteres Fragment erscheint 2005 im Ausstellungs-katalog der Pariser Nationalbibliothek unter dem Titel Un vieillard mystifié (Sartre, éd. M. Berne, Gallimard, Paris 2005, S. 186-190), in dem Sartre das Selbstporträt des Meisters (1585, Louvre, Paris) analysiert. Die Bedeutung der Beziehungen zwischen Theorie und den Künstlerporträts für seine Ästhetik wird mit dem ersten Satz der Flaubert-Studie “L’Idiot de la famille est la suite de Questions de méthode” ausdrücklich unterstrichen.

Sartre hat mit mehreren, unterschiedlichen Ansätzen die Gemälde Tintorettos untersucht. Dabei wird eine Porträtmethode erkennbar, mit der Sartre Grundsätze seiner Philosophie nutzt, um eine Ästhetik zu formulieren. Wie in seiner Literaturtheorie geht es auch bei Tintoretto um die Mitarbeit des Rezipienten, also hier des Betrachters, den der Maler mittels seiner Maltechnik an der Entstehung des Werks beteiligt. Bei Tintoretto, wie bei den anderen Künstlern, deren Werke Sartre untersucht hat, gehören die Freiheit und die Unabhängigkeit zu den Bedingungen seines Erfolgs.

“Après sa première nuit vénitienne, l’animal touristique seréveille amphibie; il constate en même temps qu’il lui a poussé des nageoires et il retrouvé l’usage de ses pieds. Ce matin, je marche, je vais au hasard … suivant des calli, traversant des ponts, débouchant sur des campi, m’égarant, tombant dans un cul de sac, revenant sur mes pas, repassant par les mêmes calli et les même campi sans trop m’en aviser. ”
J.-P. Sartre, La Reine Albemarle ou le dernier touriste, fragments, éd. A. Elkaïm-Sartre, Paris 1991, S. 84.
“A Venise, les Vénetiens sont chez eux. Et il suffit d’un ciel un peu doux, comme ce matin, d’une lumière un peu tendre, gaie come un sourire, pour que le touriste se sente un peu moins touriste, presque vénetien.” Sartre, op. cit., S. 86
“Au bout d’un certain temps, ce qui m’inquiète c’est presque moral : à moins de monter sur le Campanile de Saint-Marc, Venise est une ville qui se dérobe à toute vue d’ensemble. Elle fuit, vous contraint à vous prendre dans le détail…” Sartre, op. cit., S. 106
“Venise a ses propres coordonnées : la place Saint Marc, la lagune, les Fondamenta Nuova : elle ignore les points cardinaux. Je me trompais, tout à l’heures, en disant qu’elle fabrique ses vitesse : à l’intérieur de Venise il n’y a pas de vitesse du tout.” Sartre, op. cit., S. 87.
“L’humidité dans l’air, au ciel. L’eau. Douce humidité, fraîcheur, fond de l’air tiède. Gondole. La gondole c’est exactement un fiacre.” Sartre, op. cit.,. S. 80.
“Les campis ne sont parcurus par aucune ligne,droite ou courbe : ce sont des étendues de pierre stragnante, de marécages de pierre.” Sartre, op. cit., S. 88
“L’eau à Venise palpite, elle se dilate et se contracte, dit-on, notre univers. Sorti de la gondole, je reste longtemps à regarder une crème verdâtre à la surface du rio, qui tantôt se resserre, tantôt file doucement vers le canal de la Giudecca, tantôt recule et tantôt s’arrête. Sartre, op. cit., 109
“Venise est la ville qui protège le moins contre l’espace. Le ciel et l’eau sont complices, ils sont trop. L’eau s’enroule sur elle-même, le ciel a un autre genre de foisonnement, il écarte les regards, il éblouit,distend par des épanouissements mats de lumière.” Sartre, op. cit., S. 104
Links zum Buch Sartre und die Kunst Sartre-Gesellschaft Bibliographie Colloque, GES, Paris

Thomas R. Flynn, Der Existentialismus und seine Geschichte

Thomas R. Flynn, Existenzialismus. Eine kurze Einführung. Aus dem Amerikanischen von Erik M. Vogt. (Engl. Existentialism. A Very Short Introduction, Oxford University Press, New York 2006), Wien, Berlin: Verlag Turia + Kant, 2007. 191 S., ISBN 978-3-85132-488-4,.

Thomas R. Flynn, Professor für Philosophie an der Emory University, USA, hat eine knappe Einführung in den Existentialismus, für den gemeinhin Sartre und Camus stehen, aus historischer Sicht verfasst. Die enge Verbindung des Existentialismus mit der Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg ist nicht zu übersehen, aber Flynn erinnert daran, dass die Wurzeln des Existentialismus bis in die antike Philosophie reichen.
Flynn weist auf die Bedeutung von Sartres Untersuchung Was ist Literatur? (1947) hin, in der Freiheit und Verantwortung des Schriftstellers als untrennbare Einheit erscheinen, und nennt den Appellcharakter des Kunstwerks als das zentrale Thema der Ästhetik Sartres. Die Auseinandersetzung mit Edmund Husserls (1859-1938) phänomenologischer Methode und seiner Theorie der Intentionalität des Bewußtseins nutzt Sartre bei der Entwicklung seiner Theorie über die Vorstellungskraft, gleichwohl grenzt er sich von Husserl ab. Die Hauptaussagen des Existentialismus Sartrescher Prägung, Verantwortung, Wahl, Situation, Authentizität, Freiheit, Bewußtsein und “mauvaise foi”, werden von Flynn als grundlegende Begriffe in einen Zusammenhang gestellt und dienen hier als Einführung in Sartres philosophisches Hauptwerk.
Nach Flynn wird der Existentialismus nach 1945 im Wesentlichen von Sartre bestimmt. Dabei vernachlässigt er aber doch den erheblichen Einfluß Camus’ auf den Existentialismus. Die Ausführungen zu Camus sind, trotz der Bemerkungen zu Le Mythe de Sisyphe (S. 74 f.) und zum Streit mit Sartre über L’homme révolté (1951), auch im Rahmen dieser Einführung zu knapp geraten.
Trotz aller Verkürzungen, die durch die Konzept dieses Buches als Short Introducation verlangt werden, ist es dem Autor gelungen, eine lesenswerte Einführung vorzulegen.

 

Jüngst erschien eine weitere Einführung mit dem Titel Der Existentialismus von Roland Galle, Universität Duisburg-Essen. Zu Beginn seiner Einleitung spricht Galle von “Anleihen” des Existentialismus bei Hegel, Kierkegaard, Husserl und Heidegger, verzichtet aber auf weitere inhaltliche Ausführungen mit der Begründung, der Existentialismus sei “von einem auffallenden Pathos der Voraussetzungslosigkeit” geprägt. Einer solchen Trennung des Existentialismus von seinem philosophischen Kontext hat Flynn mit Recht widersprochen. Schwerer wiegt die Ausblendung der Ästhetik Sartres und Camus’. Mit der Analyse von Sartres Roman La nausée. Journal (1938) stellt der Autor fest, dass der im Roman geschilderten Auflehnung gegen die Welt “der Begriff der Geschichte und erst recht der des Politischen noch vollkommen fremd” (S. 91) sei. Hier verpasst der Autor die Chance, die von Roquentin am Ende von La nausée deutlich zum Ausdruck gebrachte Bedeutung der Ästhetik für den Existentialismus Sartrescher Prägung in den Blick zu nehmen: “Eine Geschichte zum Beispiel, wie es keine gegeben kann, ein Abenteuer. Sie müßte schön sein und hart wie Stahl und müßte die Leute sich ihrer Existenz schämen lassen,” (Sartre, Der Ekel, in: ders., Gesammelte Werke. Romane und Erzählungen I, Hamburg 1987, S. 91) sagt sich Roquentin auf dem Rückweg nach Paris. Leider erwähnt Galle auch nicht die zahlreichen Studien Sartres über Baudelaire, Flaubert, Leconte de Lisle, Genet, Mallarmé, Tintoretto, Calder, Wols, Masson, Giacometti und Leibowitz, in denen Sartre seine ästhetischen Analysen mit ausgewählten Aspekten der Psychoanalyse unter dem Stichwort la psychoanalyse existentielle verbindet.
Dies gilt auch für Galles Nichtberücksichtigung der Rolle von Kunst und Künstlern im Gesamtwerk Camus’. In langen Passagen in Le mythe de Siyphe und L’homme révolté hat Camus seine Schlussfolgerungen über das Absurde darlegt. Die Kapitel über die Kunst in diesen beiden Büchern sind keine bloßen Anhängsel, sie gehören zu ihrem eigentlichen Konzept und enthalten Camus’ Begründungen hinsichtlich der Zusammenhänge von Kunst und Freiheit.
Diese Aussparungen der ästhetischen Positionen Camus’ und Sartres führen zu einem erheblichen Defizit dieser Studie, die durch ihre perspektivische Enge beeinträchtigt wird.
Roland Galle
Der Existentialismus. Eine Einführung
W. Fink, UTB 3188, Paderborn 2009.

Heiner Wittmann

André Guigot: Eine Einführung in Sartres Philosophie

André Guigot, Sartre. Liberté et histoire,
Paris 2007,
Librairie philosophie J. Vrin,. ISBN 978-27116-1913-9

Die von André Guigot verfaßte Studie ist keine einfache Einführung in Sartres Philosophie. Die vielen verschiedenen Themen setzen ein Vorwissen und auch eine gute Kenntnis der Werke Sartres voraus. Damit sei aber nur gesagt, daß Guigots Band dem eiligen Leser eher anspruchsvoll erscheinen mag. Läßt man sich aber auf seine Argumentation ein, dann vermittelt dieses Buch eine sehr präzise, interessante und lesenswerte Einführung in die Philosophie Sartres.

Für seine Darstellung hat André Guigot mit Recht einen chronologischen Aufbau gewählt, der die Entwicklung seines Werkes auf der Grundlage der deutschen Phänomenologie über die Kriegserfahrung hinaus mit seinem Bemühen, die Moral begrifflich zu fassen und seinem Engagement ein theoretisches Fundament zu geben, umfaßt. Gerne wird immer wieder von zwei Abschnitten seiner Entwicklung gesprochen, wobei seine Auseinandersetzung mit dem Marxismus oft als Kennzeichen seines Werkes nach 1950 zitiert wird. Sein Versuch, den Existentialismus mit dem Marxismus zu verbinden, war nicht von Erfolg gekrönt, und Guigot akzentuiert viel mehr das Engagement im Verständnis Sartres und seine Suche nach einer Intelligibilität menschlicher Verhaltensweisen, die sowohl durch eine Dialektik wie auch durch die Geschichte beeinflusst werden, die Sartre bis zur Flaubert-Studie geführt hat.

In fünf Kapiteln untersucht Guigot nacheinander Sartres Auseinandersetzung mit der Phänomenologie, dann die Entstehung seiner ersten Schriften über die Einbildungskraft L’imagination (1936) und L’imaginaire (1940) und deutet mit der Überschrift des 3. Kapitels “L’aboutissement inachevé de L’être et le néant“, das nicht mit einer Lösung, sondern mit Fragen zur Verantwortung endet, eine Kontinuität mit seinen fol-genden Arbeiten an, die im allgemeinen zu der des 2. Sartre gerechnet werden. Im Ka-pitel IV geht es um die Entwicklung von der Moral zur Geschichte, womit Guigot auch hier nebenbei – aber in zutreffender Weise – darauf hinweist, daß in der letzten Zeit zunehmend die Überlegungen zur Geschichte vermehrt in den Blick der Forschung geraten. Seine Anmerkungen zur Ästhetik in Qu’est-ce que la littérature? (1947), seine Réflexions sur la question juive (1946) wie auch die langen Kapitel in den Cahiers pour une morale ([entstanden um 1946)] aus dem Nachlass veröffentlicht: 1983) bieten dazu viele Ansätze. Das letzte Kapitel untersucht das Problem der Gewalt im Rahmen der Geschichte, ein Thema, das im Zuge einer Neubewertung der Critique de la raison dialectique wieder mehr in den Blick geraten dürfte. L’Idiot de la famille (1970/72), das umfangreiche Flaubert-Porträt, hätte vielleicht in diesem Band von Guigot eine größere Aufmerksamkeit verdient als lediglich in der Zusammenfassung behandelt zu werden. Andererseits verleiht Guigot dieser Studie als “prolongement herméneutique de la raison dialectique” (S. 231, vgl. W., Sartre und die Kunst, Tübingen 1996, S. 107 ff.) mit wenigen Worten den Platz, der ihr in Sartres Werk zukommt.

Im Verlauf der Studie entwickelt Guigot die Bedeutung aller wichtigen Schlüsselbegriffe. Dabei fällt auf, daß er schon bezüglich der Einbildungskraft, vor allem bei der Analyse von L’imaginaire sachgerecht und zutreffend die engen Beziehungen zwischen dem Imaginären und der Freiheit herstellt. Auch hinsichtlich seiner Darstellung des Analogons werden Entwicklungslinien deutlich, die bis zur Flaubert-Studie reichen. Zunächst aber erinnert er daran, daß die Theorie der Emotionen und des Imaginären eine Grundlage der Ontologie in L’être et le néant bilden. Tatsächlich ist die Lektüre von L’imaginaire eine wichtige Vorbereitung zu seiner Untersuchung über die phänomenologische Ontologie. Am Ende des zweiten Kapitels bestätigt Guigot in Form eines Resümees, daß die Ablehnung des psychologischen Determinismus kein System begründen könne, denn um die menschliche Realität zu begreifen, werde etwas Grundlegenderes benötigt: Das ist die Ontologie, mit der die Theorie des Imaginären angewandt auf die Kunst aber weitgehend ergänzt um die Fragen der Geschichte wiederaufgenommen werde, so Guigot. Und er ergänzt diese Aussage mit dem Hinweis auf den Zusammenhang von L’être et le néant, Qu’est-ce que la littérature? und den Cahiers pour une morale. . Schließlich ist die Freiheit eine Tatsache, deren Verständnis die menschliche Realität aufdeckt. Es ist nicht einfach, den Kern der Sartreschen Philosophie so verkürzt zusammenzufassen, aber unbestreitbar ist es dem Autor hier gelungen, das Verständnis der Sartreschen Philosophie zu erleichtern.

Im folgenden Kapitel über L’être et le néant zeigt Guigot – um hier nur ein Beispiel zu nennen – bezüglich der Kontingenz wichtige Parallelen zu La Nausée (1938), wodurch wieder die Verbindungen zwischen Sartres literarischem und philosophischen Werk betont werden. Dieses dritte Kapitel seiner Untersuchung zeigt die Fragen, die in L’être et le néant nach dem Anderen, der Angst und der Verantwortung gestellt werden. Dieses Kapitel kann auch als eine Einführung in die Lektüre von Sartres philosophischem Hauptwerk gelesen werden. Durch die Art und Weise, wie Guigot auch die offenen Fragen erläutert, wird der Leser verstehen, wie auch L’être et le néant in die Kontinuität des Sartreschen Denkens eingebunden ist. Im vierten Kapitel geht es um die historische Dimension, deren Einführung Guigot anhand der Überlegungen zu seinem Manifest über die Literatur erläutert: “L’ouvrage critique de Qu’est-ce que la littérature? (1947) fait de la création le sens même de l’interrogation éthique et esthétique,” (S. 135) heißt es bei Guigot, der auf diese Weise an die fundamentale Bedeutung der Ästhetik im Werk Sartres erinnert. Der Schriftsteller ist engagiert, es geht bei Sartre nicht darum, daß dieser sich engagieren kann. Er schreibt und deshalb trägt er dafür eine Verantwortung, woraus auch wieder eine moralische Pflicht (S. 137) entsteht. “Ecrire, c’est agir,” (S. 166) lautet die kurze Zusammenfassung, die auf den Appell (S. 168) an die Freiheit hindeutet. Aber auch die Cahiers pour une morale bleiben unvollendet und erscheinen erst 1983 aus seinem Nachlaßt. Auch dieses Kapitel endet mit einer Bewertung der Unterschiede zwischen L’être et le néant und den Cahiers pour une morale. Es geht u.a. um das unaufhebbare Verhältnis zum Anderen, das durch Abhängigkeit und Verantwortung gleichermaßen geprägt ist. Eine Aktion ist immer durch die Zukunft, das ist wieder das Überschreiten einer Situation aber auch durch die fehlende Garantie für eine moralische Vorschrift geprägt. Eine solche Verkürzung wird dem Autor der Studie sicher nicht gerecht, aber die Lektüre seiner Studie fördert das Verständnis der Philosophie Sartre. Nicht die Brüche charakterisieren sie, sondern sein Bemühen, die menschliche Realität der Freiheit und ihrer Möglichkeiten zu analysieren, wodurch die Kontinuität in seinem Werk gekennzeichnet ist, gehört zu seinen Hauptinteresse.

Es ist die Verbindung zwischen Kunst, Philosophie und Literatur, die in den 30er Jahren mit L’imagination und L’imaginaire sowie dem Roman La nausée sein Anfangswerk geprägt hat. In seinem philosophischen Hauptwerken hat Sartre mit seinen Untersuchungen zur Ontologie, zur Moral und zur Geschichte seine Überlegungen systematisiert und schließlich in der Flaubert-Studie von neuem angewandt. Guigots Studie behandelt kein isoliertes Thema seiner Philosophie, sondern zeigt die Kunst als Ausgangspunkt seines Gesamtwerks, und sie gibt so zu verstehen, daß die Philosophie bei Sartre kein Selbstzweck ist, da sie ein ständiger Bezugspunkt jedes seiner anderen Werke ist, und daher auch nur im Gesamtzusammenhang seines Werkes unter Berücksichtigung seiner Schriften über die Kunst und die Literatur erläutert werden kann.


Heiner Wittmann

Hinweise auf Bücher: Philosophie

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Knopp Peter / Wroblewsky Vincent von (Hrsg.):
Carnets Jean-Paul Sartre: Eine Moral in Situation
Verlag Peter Lang, 2008            
Inhaltsverzeichnis *.pdf

(978-3-631-56902-3)

Sartre-Gesellschaft


Recherches en esthétiques n° 12 – La Rencontre ist erschienen


Atkinson, Catherine
Inventing Inventors in Renaissance Europe
Polydore Vergil’s ‘De inventoribus rerum’ (1499 and 1521)

“Trotz der Bedeutung von Polydor Vergils enzyklopädischem Erfinder-Werk (De inventoribus rerum, Venedig 1499 und Basel 1521) hat sich die Humanismusforschung des Werks bislang nur zögerlich angenommen. Erstmals ist das gesamte Werk (Bücher I-VIII) nun Gegenstand einer eingehenden Untersuchung. Catherine Atkinson gibt Einblick in die Arbeitsweise des aus Urbino stammenden italienischen Humanisten. Ideenreich und unter Verwendung des in der antiken Literatur überlieferten Inventor-Topos verfaßte Vergil eine prototypische Kulturgeschichte (Bücher I-III). In dieser Lobpreisung der kulturschaffenden menschlichen Erfindungsgabe verzeichnet der Autor alle “Erfindungen” seit der Schöpfung (alle Künste, Wissenschaften und Institutionen) und ordnet sie in einem erweiterten “ordo artium” an. Ferner unternimmt der in England lebende Kurialer und Priester – am Vorabend der Reformation – eine Analyse der Institution Kirche. Er geht dem Ursprung, der Entstehung und damit der Legitimation ihrer Riten, Liturgie und Ämter nach und vergleicht sie mit religiösen Praktiken der Antike, womit er die Singularität der christlichen Religion hinterfragt. Die Autorin stellt Vergils Werk in ideengeschichtlicher, wissenschaftsgeschichtlicher und rezeptionsgeschichtlicher Perspektive dar und bietet eine diachronische Untersuchung des Begriffes “inventio” sowie ein biographisches Kapitel über den Autor.” Klappentext


Mohr und Siebeck. 2007. XIII, 325 Seiten (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 33).
ISBN 978-3-16-149187-0 Leinen € 84.00 Isabell Stal


La philosophie de Sartre. Essai d’analyse critique,
PUF (coll. Thémis Philosophie) Paris 2006. ISBN 2-13-055642-6

Les questions posées par I. Stal: “Peut-on, comme l’a pensé Sartre, construire une philosophie concrète qui répudie les abstractions de la méthaphysique en étendant la réduction phénoménologique au domaine de l’expérience humaine? Et peut-on fonder une telle démarche sur l’évidence de l’existence, promue au rang de certitude apodictique?” (Couverture) – Nous venons de recevoir cet ouvrage. Le compte-rendu suivra.WittgensteinKunst.
Annäherungen an eine Philosophie und ihr Unsagbares

Eine Philosophie und ihr Unsagbares

»Die Ästhetik lag nicht im Zentrum von Wittgensteins Interessen«, notiert das Wittgenstein-Lexikon lakonisch, »aber die Künste, insbesondere die Musik, hatten einen hervorragenden Platz in seinem Leben.«

Es ist diese Spannung zwischen der Ablehnung ästhetischer Theorie und der Bedeutung von Kunst in der alltäglichen Lebenspraxis Wittgensteins, die das Buch aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. In sechs Essays werden Wittgensteins Reflexionen über die Farben ebenso besprochen wie sein Verhältnis zur Musik und seine Arbeit als Architekt; thematisiert wird außerdem die Rezeption seiner Philosophie in der bildenden Kunst und der Literatur wie die filmische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Wittgenstein. Das Gespräch mit Allan Janik ist ein Versuch, diese vielfältigen Bezüge zur Kunst in ihren Auswirkungen auf den ganz eigenen Philosophiebegriff Wittgensteins auszuloten.
So wird das, worüber man nach dem Diktum des Traktatus zu schweigen habe, in seiner konstitutiven Funktion als das Unsagbare Wittgensteinschen Philosophierens gewürdigt. Mit Beiträgen von Jacques Bouveresse, Leszek Brogowski, Fabian Goppelsröder / Maja Weyermann, Mirjam Schaub, Wendelin Schmidt-Dengler und Antonia Soulez.
Fabian Goppelsröder (Hg.), Wittgenstein – Kunst. Annäherungen an eine Philosophie und ihr Unsagbares, 160 Seiten, Brochur, Fadenheftung, ISBN 3-935300-14-x       Diaphanes


Sens public est une revue électronique internationale
http://www.sens-public.org.
Celle-ci compte aujourd’hui des rédactions en Italie,
Slovaquie et République Tchèque, mais aussi en Amérique latine (Brésil, Colombie). Elle dispose de correspondants autrichiens, allemands, britanniques et roumains, en Chine et au Japon, ainsi qu’aux USA. Créée voici trois ans, la revue a publié plus de 3500 pages à fort contenu de réflexion, pluridisciplinaire et internationale.


Le rapport à l’oeuvre
Dirigé par Dominique Berthet et Jean-Georges Chali
Ouverture Philosophique
Série: Arts, Esthétique, vie culturelle, philosophie
254 pages, Ed. L’Harmattan, Paris 2006. 21,50 € Commander
Les éditions L’Harmattan offrent une version en *.pdf de ce livre.

Les textes rassemblés dans ce volume sont issus d’un cycle de conférences ayant pour thème “Le rapport à l’oeuvre”. Des littéraires, des comparatistes, des philosophes de l’art et des artistes venant des Antilles, de France, du Canada et de Grande-Bretagne éclairent de leur point de vue cette question. Le notion d’oeuvre est prise ici au sens de production littéraire, plastique et musicale. Evoquer l’oeuvre d’art amène à prendre en compte le créateur, le regardeur et le critique ; chacun entretenant avec l’oeuvre une relation privilégiée et à chaque fois singulière. Table de matière


Eine neue Ausgabe von Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie mit dem Titel Imagination und Invention. herausgegeben vom Interdisziplinären Zentrum für Historische Anthropologie der FU Berlin ist im Akademie Verlag, Berlin erschienen.
Die hier vorgelegten 19 Beiträge wurden auf der Tagung “Imagination und Invention” im Januar 2005 vorgetragen. Die Veranstalter der Tagung war das Graduiertenkolleg “Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozesses” der Universität der Künste Berlin in Kooperation mit derAkademie der Künste.
U.a. Emanuel Alloa: Imagination zwischen Nichtung und Fülle. Jean-Paul Sartres negative Theorie der Einbildungskraft auf dem Prüfstein von Tintorettos Malerei
Rainer Bayreuther, Voraussetzungen des musikalischen Schaffensprozesses im 16. und 17. Jahrhundert
Anette Brunner, Der zum Himmel erhobene Blick als Ausdruck enthusiastischen Schöpfertums. Die Darstellung der Invention im Künstlerbildnis der Goethezeit
Katharina Münchberg, Der erfindungslose Dichter. W.G. Sebald
Gert Mattenklott, Aspekte der Einbildungskraft
Michael Thomas Taylor, Blindness und Imagination in Kant

Bezugsmöglichkeiten: Oldenbourg Verlagsgruppe, Zeitschritenservice, Postfach 80 13 60 – 81613 München
Tel. 089 – 4 50 51- 2 29/-3 99 Fax 089 -4 50 51, – 3 33
Bezugspreis 2006: Inland 38.00 EUR, AUsland 41,00 EUR


Michel Kail
Simone de Beauvoir philosophe, PUF, Paris 2006

“Cet ouvrage met en lumière la “partie” philosophe de Simone de Beauvoir, son ambition philosophique originale que trop souvent on lui refuse.”

IntroductionI — Qu’est-ce qu’un monde ? II — Beauvoir, Sartre, Merleau-Ponty III — Simone de Beauvoir, philosophe politique IV — Paradoxe et liberté V — La sexualité, une situation. Le cas Sade VI — Les discours de la justification, biologie, psychanalyse et matérialisme historique VII — Ce n’est pas arrivé. Bibliographie

CR: Deise Quintiliano, Online-Zeitschrift Sens public


Recherches en esthétiques: Nr. 11 – Oktober 2005: Die neue Ausgabe Utopies ist erschienen.


En l’honneur du centenaire de la naissance de Sartre, six philosophes des deux côtés du Rhin interrogent sa pensée dans ses fondements ontologiques et ses perspectives morales.

Sartre. Conscience et liberté
Sous la direction de Laurent Husson et Guillaume Seydoux:

La théorie sartrienne de la conscience, éclairée dans sa singularité à l’aide des traditions allemande et anglo-saxonne, les vives résistances à la thèse sartrienne de la liberté ainsi que la signification et la valeur du projet d’une psychanalyse existentielle, font l’objet des trois premiers articles. Les trois suivants explorent les champs ouverts par les « conclusions » de L’Être et le Néant : la possibilité d’une approche métaphysique des phénomènes naturels et le questionnement moral, qui connaîtra bien des avatars tout au long de la réflexion de Sartre. Ainsi, toutes ces analyses visent à éclairer de manière critique le nœud de la pensée de Sartre, par lequel il demeure philosophiquement notre contemporain : l’articulation entre ontologie et morale.

Textes de: Manfred Frank, Guillaume Seydoux, Jean-Christophe Merle, Laurent Husson, Alain Flajoelt, Gerhard Seel, Erwan Sommerer L’Espace de la démocratie (Arendt)
Le [parlement des philosophes], Recensions


 

Eine Rekonstruktion der Denkwege Wittgensteins

Fabian Goppelsröder,
Zwischen Sagen und Zeigen. Wittgensteins Weg von der literarischen zur dichtenden Philosophie,
transcript Verlag, Bielefeld 2007.
168 S., kart., 18,80 € ISBN: 978-3-89942-764-6

Dieser Band legt eine knappe und einleuchtende Einführung in die Philosophie Ludwig Wittgensteins (1889-1951) vor. Es geht um seine philosophischen Grundsätze und um ihre Form, deren werkimmanente Bedeutung über seine rein philosophischen Argumente hinausragt. Auf diese Weise wird ein literarisch-poetischer Ansatz seines Werkes erkennbar, der sein eigentliches Werk eigentlich erst jenseits des Gesagten entfaltet. Verfolgt man die Entwicklung dieser Ankündigung in dem vorliegenden Buch, verspricht der Autor eine Einsicht in die “philosophische (Überzeugungs-) Kraft Wittgensteins, die nicht allein in seinen Argumenten zu suchen ist. Trotz den zwei deutlich voneinander getrennte Werkphasen will der Autor in seinem Buch das Vermögen, Kunstwerke angemessen wahrzunehmen, die Aisthesis nutzen, um den philosophischen Denkweg Wittgenstein darzustellen.

Es gibt im Werk Wittgensteins kein “abstrakt reduzierbares Denkgebäude” (S. 7) stellt der Autor in seiner Vorbemerkung fest. Wenn nun berechtiger- und notwendigerweise nach einer Form für sein Werk gesucht wird, macht sich der Autor nach eigenem Bekunden eher widerwillig auf den Weg einer “Allgemeinheit ihrer Thesen zielenden Vorgehensweise” (S. 7) Der Autor umgeht aber mögliche Klippen durch eine chronologisch an den Wittgenstein’schen Texten entlang geführte Darstellung, in die er “Zwischenglieder” einfügt. In diesem Zusammenhang verweist der Autor auf den umfangreichen Anmerkungsapparat, in dem wichtige Beziehungen zu anderen Denkern untersucht werden. Das Kapitel über das Palais Stonborough in Wien nutzt der Autor geschickt als “eine Art Folie”, die die späteren philosophischen Probleme bereits erkennbar werden läßt.

Die Teilung des Werks Wittgenstein in zwei Teile – auf die “logische Idealsprache der Frühphase” und der “linearen Denkweise” des Tractatus folgt die täglich Umgangssprache und die “aossoziative, nur in Paragraphen geordnete” Denkweise der Philosophischen Untersuchungen (S. 9) -, wird vom Autor als revisi-onsbedürftig dargestellt. Offenkundig diente diese Einteilung bisher oft als Versuch, sich dem Gedankengebäude Wittgensteins zu nähern. Allerdings hat Wittgenstein selbst die Beziehungen zwischen seinen Hauptwerken betont. Neben den inhaltlichen und formalen Erwägungen gilt es nun einen Weg zu finden, der den literarischen Charakter seines Werkes berücksichtigt. Der Autor, der diesem folgt, stellt dem Leser in Aussicht, daßss so nicht nur seine Philosophie sondern sein Philosophieren aufgedeckt wird. Dieser Ansatz eröffnet dem Autor den Weg, die Brüche und die Kontinuitäten im Werk Wittgensteins in einen Zusammenhang zu stellen.

Der Autor weiß sich zu Recht auf der sicheren Seite, da Wittgenstein im Vorwort des Tractatus logico-philosophicus (1921) sein Werk nicht als ein Lehrbuch bezeichnet, sondern vom Leser Vergnügen erwartet und nur Verständnis von den Lesern erwartet, die Ähnliches schon einmal gedacht haben. Für Goppelsröder ist der Tractatus auch ein literarisches Werk und damit auch als “Manifest einer neuen Philosophie” (S. 17). Das Kapitel mit einigen wenigen biographischen Angaben zum Werdegang Wittgensteins “Von der Mathematik zur Logik – vom Paradox zur Philosophie” erklärt einleuchtend die Grundlagen des Tractatus, dessen erster Satz “Die Welt ist alles, was der Fall ist,” lautet.
Das zentrale Kapitel behandelt die “Ethnologische Wende am Leitfaden der Poesie”.

“Sprachphilosophie und Wahrnehmung” sind die Stichwörter für die späte Philosophie Wittgensteins, die auf die Folgen aus der “,ethnologisch-poetischen Wende’ seines Denkens” (S. 63) zielt, wobei das Sprachspiel als Modell verstanden wird, das eine Entdeckung der Sprache mittels der Nennung nicht rational definierbarer Zusammenhänge nachzuvollziehen versucht, indem das philosophische Thema auf dem Umweg über die Infragestellung des Gewohnten erreicht werden soll. Schließlich ist “Wittgensteins eigene philosophische Praxis” das Thema des letzten Kapitels, das die “Radikalisierung der litera-rischen zur dichtenden Philosophie” darstellt.

Dem Autor dieses Bandes ist eine sehr lesenswerte Einführung in das Werk Wittgensteins gelungen, indem er die sprachlichen Schwierigkeiten des Tracta-us und der Philosophischen Untersuchungen keinesfalls etwa als schwierig oder gar obskur dargestellt hat, sondern ihren literarischen Anspruch aufgegriffen hat und den mit ihr verbundenen philosophischen Ideen einleuchtend dargestellt hat. Sein Kapitel über “Wittgenstein als Architekt” ist viel mehr als nur ein dem Leser in der Einleitung versprochene Ruhepol, denn als eine praktische Interpretation des Zusammenhangs von “Sagen und Zeigen” zu verstehen. Der Autor greift die Zweiteilung des Werkes wieder auf, aber nicht unter dem Aspekt der Trennung, sondern als eine Entwicklung, die an vielen Grundsätze, die den Bau des Hauses in der Kundmanngasse mitbestimmt haben, abzulesen sind. Archiktektur stellt in ihrer materiellen Form alle gegenseitigen Verweise und Abhängigkeiten vor, sie wird zu einer Geste, und der Autor kündigt nebenbei wenn auch indirekt sein nächstes Buch an.

“Das Sprachspiel ist nicht Resultat wissenschaftlichen Kommunizierens, (…) es ist ein Modell (…) welches sich (…) in die Situation hinein überwindet.”(S. 63) Die folgenden Kapitel zeigen die praktischen Seiten der Philosophie Wittgen-steins und nehmen ihr viel von dem Image schwer durchdringbar zu sein. Goppelsröders Art, die Entwicklung der Sprachphilosophie Wittgensteins mit verständlichen Beispielen zu illustrieren, zeigt auch, wie sich Wittgensteins Wunsch, seine Philosophie möge Vergnügen bereiten, hier erfüllen läßt. Aber gerade mit der Sprache zeigt der Autor, daß Wittgenstein die Unterscheidung von Sagen und Zeigen im Sinne der “gerahmten Wahrnehmung” in den Philosophischen Untersuchungen keineswegs aufgibt, sondern sie um angemessene Aspektwechsel erweitert und so das Unaussprechbare thematisieren kann.

Es ist hier völlig unangemessen, diese gedrängte Einführung, die den Leser mit sicherer Hand durch das Labyrinth des Wittgenstein’schen Denkens lenkt, resümieren zu wollen. Mein kurzer Text geriet viel länger, weil die Kapitel des hier zu besprechenden Bandes so ausdrücklich zur genauen Lektüre einladen, die wiederum zur Lektüre von Wittgenstein selbst verführen. Das besondere Verdienst des Autors, der hier nicht ein einziges oder gar nur ein Spezialthema der Philosophie Wittgensteins aufgegriffen hat, eine Untersuchung vorgelegt zu haben, mit der es ihm gelingt, auf spannende Weise die Philosophie Wittgensteins vorzustellen, sollte auch Literaturwissenschaftler dazu bewegen, über den Rand ihrer Disziplin einmal hinauszuschauen.

Heiner Wittmann

Fabian Goppelsröder studiert Philosophie und Geschichte in Berlin und Paris. Zur Zeit arbeitet er an einer Dissertation in Stanford (CA). Er ist Herausgeber von Wittgensteinkunst. Annäherungen an ein Philosophie und ihr Unsagbares, diaphanes Verlag, Berlin 2006.

Isabell Stal: Eine Einführung in Sartres Philosophie

Isabell Stal,
La philosophie de Sartre. Essai d’analyse critique,
PUF (coll. Thémis Philosophie) Paris 2006.
ISBN 2-13-055642-6

In ihrer Einleitung weist Stal auf die Vielfalt in Sartres Werk hin und nennt sie sein Paradox. Was sich nicht einordnen läßt, wird zweideutig. Jede seiner Interpretationen und Ansätze sei für sich wahr – aber immer nur bis zu einem bestimmten Punkt, an dem die gewöhnliche Einordnung und Klassifizierung in bekannte Denkschamata aufhört, möchte man ergänzen. Und es gibt in den Universitäten keine eigentlichen Sartre-Schüler oder – Anhänger. Stal nennt zwar die Temps modernes und auch die Groupe d’études sartriennes, deren Anhängerschaft eher in einem vertraulichen Rahmen bleiben. Die Vielfalt der Beiträge beim Kolloqium 2005 in Cérisy-la-Salle und die Aufmerksamkeit, die Sartre während zahlreicher Kolloquien 2005 zuteil wurde, erlauben es, dieses Urteil ein wenig zu nuancieren.

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Maître Eckhart et la naissance de la ‘mystique allemande’ de l’esprit de la philosophie arabe

Azelarabe Lahkim Bennani (Autor dieses Beitrags)
Maître Eckhart

Kurt Flasch
Meister Eckhart
Die Geburt der „Deutschen Mystik“ aus dem Geist der arabischen Philosophie
Beck, München 2006, 192 Seiten. ISBN 3-406-54182-8

Kurt Flasch vient récemment de publier le livre intitulé ” Meister Eckhart. Die Geburt der ‘deutschen Mystik’ aus dem Geist der arabischen Philosophie “, ” Maître Eckhart et la naissance de la ‘mystique allemande’ de l’esprit de la philosophie arabe ” (2006) chez C.H. Beck à Munich. Kurt Flasch, professeur émérite à l’Université de Bochum et spécialiste de l’histoire de la pensée philosophique, a reçu d’innombrables distinctions, dont le Prix Sigmund Freud (2000) et le Prix Kuno Fischer de l’Université de Heidelberg (2001).

Le livre se distingue d’abord par la richesse des références bibliographiques spécialisées. Mais l’apport décisif et inédit de l’auteur est d’ordre méthodologique : Il renonce à la distinction sommaire que les historiens n’ont de cesse de ressasser, à savoir à la dichotomie entre ” scholastique ” et ” mystique “. Flasch estime à juste raison, textes latins d’Eckhart à l’appui, que ce genre de distinctions sommaires ne représente que des ” abstractions historiques ” qui ne résistent guère à l’investigation philologique de ses textes latins. Ce sont , par ailleurs, des textes qui ne sont découverts que durant la décennie de 1880. Le dépassement de telles dichotomies abstraites aura des incidences palpables sur l’économie de ce livre et sur ses hypothèses de travail.

Le but auquel Flasch s’est consacré dans ce livre était de ” décrypter la pensée d’ Eckhart dans des aspects fondamentaux à partir d’Averroes ” (153), bien que cette hypothèse de travail ne fasse pas l’unanimité parmi les spécialistes. A titre d’illustration de ces réticences, force est de constater que les inconditionnels de la ‘mystique’ d’Eckhart préfèrent le soustraire à toute influence provenant d’Averroes, alors que les adeptes d’un rationalisme étroit limitent dangereusement l’idée de ‘rationalité’ aux seuls disciples d’Aristote, et regardent d’un mauvais œil l’idée d’un Eckhart mystique et ‘rationaliste’. Une telle restriction de l’idée du rationalisme est trop exclusive pour être vraie. Flasch renonce également au préjugé qui réduit Eckhart au rôle d”exégète’ et l’insère à tout prix dans une herméneutique de la ‘tradition’. (21). Flasch veut rétablir Eckhart dans sa ‘liberté’ de pensée et sa volonté de réconcilier la théologie chrétienne avec la théologie de la philosophie première, ayant pour objet l”étant en tant qu’étant “, au détriment le l’interprétation littérale des textes sacrés. Mais le souci de ” la réinterprétation libre ” ” Umdeutung ” ne l’incite pas à tomber dans l’exagération inverse de l’interprétation ‘symbolique’, qui se met plutôt du côté du Protestantisme, ou sert au moins son animosité déclarée contre la scholastique.
Flasch nage à contre courant des lectures exclusives, exégète et mystique du Maître Eckhart, et montre comment celui-ci s’est approprié le legs aristotélicien à travers la réception d’Albert le Grand et de Dietrich du texte majeur d’Aristote De anima, lu et commenté par Averroes, Avicenne El Farabi, entre autres.

La thématique principale du livre retrace l’histoire de la réception des Grands Commentaires d’Averroes traduits en latin (Le commentaires concernent les textes d’Aristote De Anima, la Métaphysique et la Physique. (46) Ces commentaires se distinguent des autres types de commentaire par le souci d’expliquer en détail le propos d’Aristote phrase après phrase, tout en le débordant à maintes reprises, en exprimant des doutes ou en proposant une conception nouvelle. Flasch se restreint à Averroes latin, en négligeant ses œuvres publiés en arabe. Car le type de réception est différent en terre d’Islam et dans le monde latin, en raison de la différence des types de commentaire de part et d’autre des frontières. Néanmoins, Averroes a permis, dans les deux contextes différents, de ‘purifier’ l’œuvre d’Aristote du syncrétisme ambiant de la Gnose et du Néo- Platonisme. Mais Flasch, réfractaire à tout ‘puritanisme’ abstrait, a le mérite de ne pas surévaluer l’abîme existant entre le philosophe de Cordoue et de Marrakech d’une part et les maîtres antérieurs comme Al Kindi, El Farabi, Avicenne, Algazel ou Avempace, de l’autre. L’Averroes, qui ressort des textes étudiés par Flasch, est différent de l’ ” Averroisme ” forgé par les théologiens, puis par d’Ernst Renan.(46).

Flasch corrobore son propos par l’étude de certaines notions fondamentales, notamment celle de l’Intellect chez Aristote, Averroes et les autres philosophes péripatéticiens. Il montre comment Averroes a réfuté la theorie de l’émanation d’Avicenne et comment il a exclu les causes efficiente et finale de la métaphysique pour les intégrer dans la physique, afin de centrer la problématique principale de la métaphysique sur le statut ontologique de I’intellect agent et de l’intellect possible. Flasch consacre de longs chapitres aux différentes conceptions de l’Intellect chez Alexandre Aphrodisiaque, Themistius, Saint-Thomas, comme chez les philosophes arabes. Selon la conception originale d’Aristote, pour que l’Intellect puisse saisir le tout, il ne doit pas faire partie de ce tout. Il s’en suit que l’Intellect est simple, vide de tout contenu du monde ; il n’a pas d’essence déterminé ou réifié, afin de pouvoir saisir le tout. En fin de compte, l’Intellect est impassible, dénué de toute matière. ” C’est pourquoi son activité est identique avec son contenu. ” (58). Par conséquent, Averroes en tire la conclusion que ” l’âme doit être vide. Pour qu’elle puisse saisir les formes matérielles, elle ne doit pas être l’une de ces formes. “(62). ” La vision doit être incolore pour qu’elle puisse saisir les couleurs- on doit être muni de toutes ces formules aristotelo-averroeciennes afin de pouvoir étudier Dietrich et Eckhart. Ce sont des images de la négativité de l’Intellect. “(62) On retrouve ici le relais entre négativité de la raison et théologie négative chez Maître Eckhard. Flasch s’attarde également longuement sur les correspondances entre dieu et l’Intellect agent, l’intellect possible et l’intellect humain, sur les formes d’unité et de conjonction entre Intellect possible et Intellect agent. Une comparaison exhaustive entre les différents protagonistes religieux (dont Thomas Aquino) et philosophiques a pour but de savoir si l’intelligence est identique à l’intelligible, comment cette intelligence provient d’un Intellect agent et être considérée comme ma propre intelligence humaine, sans réellement doter l’Intellect d’aucune qualité intramondaine.
Pour étayer son propos, Flasch a subdivisé le livre en huit chapitres, augmenté d’une introduction concernant l’image d’Eckhart et de deux registres. Il consacre deux chapitres à Averroes. Le troisième chapitre dresse l’ouverture d’Albert le Grand sur le monde arabe. Le quatrième chapitre est consacré à la nouvelle métaphysique de Dietrich de Freiberg. Les trois chapitres suivants étalent les différentes liaisons qui ont lié Maître Eckhart à Averroes, à Avicenne et à Maimonide. Dans le chapitre final, Flasch justifie à nouveau la pertinence de ses choix méthodologiques qui l’ont amené à rapprocher Eckhart d’Averroes, en renvoyant dos-à-dos aussi bien le mysticisme prétendu de l’un et l’averroisme dogmatique de l’autre. Le livre se compose de 192 pages, dans une édition élégante.

Azelarabe Lahkim Bennani ist Professor für Philosophie in der Abteilung für Philosophie, Soziologie und Psychologie. der Faculté des Lettres et des Sciences Humaines, (Dhar Mehraz), Marokko.

Er lehrt vor allem Deutsche Philosophie, Philosophie der Logik, Ethik, Sprachphilosophie, Hermeneutik.
und Religionsphilosophie.

Alle Rechte vorbehalten – Tous droits réservés © Azelarabe Lahkim Bennani, 2006.

Schönherr-Mann, Sartre. Philosophie als Lebensform

Hans-Martin Schönherr-Mann,
Sartre. Philosophie als Lebensform,
C. H. Beck, München 2005. ISBN 3-406-51138-4.

Die Einführung, die Schönherr-Mann in das Werk Sartres anlässlich seines 100. Geburtstags vorgelegt hat, konzentriert sich auf die Entwicklung des Existentialismus und dessen Verhältnis zum Marxismus. In den ersten drei Kapiteln entwickelt der Autor die Grundlagen von Das Sein und das Nichts (1943) und vor allem die Entwicklung seines Freiheitsbegriffs. Er zeigt, wie Sartre mit dem Bezug auf Husserls Phänomenologie und in Abgrenzung zu Descartes eine Definition des Bewusstseins entwickelt, das immer ein Bewußtsein von etwas ist (S. 32), und gleichzeitig von der Existenz zu unterscheiden ist, in dem Sinne, wie das Bewusstsein über diese Existenz hinausweist, also die eigene Situation überschreiten kann. Schönherr-Mann stellt die Entstehung von Das Sein und das Nichts in einen Zusammenhang mit Sartres Kriegserlebnissen, der Besatzungszeit in Paris und erklärt die Bezüge zu den Werken, die seinem philosophischen Hauptwerk vorausgingen, wie La Nausée (1938) und folgten wie seine Theaterstücke und der Romanzyklus Die Wege der Freiheit.

 

Die Freiheit ist gemäß der bekannten Formulierung, der Mensch ist zur Freiheit verurteilt, auch selber ein Zwang; sie ist eine schwierige und riskante Herausforderung, der wir aber nicht entgehen.” (S. 58) Die Freiheit beschreibt die menschliche Realität, die Sartre mit dem Begriff der Situation kennzeichnet, die er mit dem projet des Menschen, mit seinem Entwurf verbindet. .

In den folgenden Kapiteln entwickelt Schönherr-Mann jeweils einen der Grundbegriffe der Sartreschen Philosophie, wie die mauvaise foi, die Verantwortung und das Engagement, die er einzeln untersucht und deren Entwicklung im Werk Sartres er in einen Zusammenhang mit dessen politischen Engagement stellt. Schönherr-Mann entscheidet sich gegen Traugott König, der von der Unaufrichtigkeit sprach, dafür die mauvaise foi mit dem verdrehten Bewusstsein zu übersetzen und begründet dies mit der Verdrehung der Freiheit (S. 79), wodurch er im Gegensatz zum Freudschen Unbewußten die absichtliche Verdrehung von Fakten und das Umdefinieren von Faktizitäten verstehen möchte. Der Autor versucht so, Sartres Absicht, Freuds Theorie vom Unbewussten abzulehnen, wiederzugeben, wobei aber zu bedenken ist, dass so eine Aspekt dieses Begriffs möglicherweise unterschätzt wird: “Das wahre Problem der Unaufrichtigkeit kommt evidentermaßen daher, daß die Unaufrichtigkeit [mauvaise foi] ein Glaube [foi] sei.” (Sartre, Das Sein und das Nichts, S. 154) und nicht unbedingt eine Lüge sondern ein “Seinsmodus”( ib. S. 156) ist. Diese Unterscheidung ist wichtig, da Sartre auf dieser Grundlage, nämlich eines Bewusstseins, das etwas ist, was es nicht ist und gleichzeitig nicht das ist, was es ist, die permanente Versuchung der Unaufrichtigkeit aufdeckt, und damit das Bewusstsein selbst untersuchen will, “… das nicht Totalität des menschlichen Seins ist, sondern der instantane Kern dieses Seins.” (ib. S. 160)

Das Engagement stellt Schönherr-Mann mit dem Begriff der littérature engagée in den von Sartre gemeinten Zusammenhang mit der Rezeptionsästhetik, die dem Leser am Entstehungsprozeß des Werkes beteiligt. Allerdings kommt in diesem Kapitel der Gedanke, daß ein Schriftsteller sich nicht ausdrücklich mit einem bestimmten Werk engagieren kann, etwas zu kurz, denn er ist immer engagiert, das heißt, er kann der Verantwortung für seine Werke nicht ausweichen. Andererseits weist Schönherr-Mann auch in seinen anderen Kapiteln sehr wohl auf die Bedeutung der Verantwortung gerade in der Verbindung mit dem Sartreschen Konzept der Freiheit ausdrücklich hin. Sartres Behauptung, die Wörter seien sein Abschied von der Literatur gewesen, darf, so wie Bernard-Henri Lévy dies getan hat, und Schönherr-Mann zitiert ihn, nicht überbewertet werden. Die monumentale Flaubert-Studie ist der beste Beweis dafür, daß ihn die Literatur sehr wohl weiter beschäftigt hat.

Seine Flaubert-Studie ist, wie es in ihrem Vorwort steht, die Fortsetzung von Questions de méthode, einem Artikel der zunächst 1957 in einer polnischen Zeitschrift erschien und dann in überarbeiteter Form im gleichen Jahr in Les Temps modernes, in dem Sartre die Zusammenhänge zwischen dem Existentialismus und dem Marxismus untersucht. Die Kritik, die Sartre in diesem Aufsatz, der 1960 wieder zu Beginn der Kritik der dialektischen Vernunft erscheint, am Marxismus äußert, erlaubt es nicht, vorbehaltlos von seinem “marxistisch orientierte[m] Denken” zu sprechen. Seine Kritik am Marxismus in seiner damaligen Praxis ist so deutlich, daß eine Verbindung zwischen Der Idiot der Familie und der Kritik der dialektischen Vernunft allenfalls auf der Ebene einer Kritik an der Dialektik selbst zu erkennen ist. Im übrigen übersieht Schönherr-Mann Sartres deutliche Reserviertheit gegenüber dem Stalinismus oder dem Kommunismus sowjetischer Prägung. Er zitiert den von Sartre und Merleau-Ponty zusammen unterzeichneten Artikels “Les jours de notre vie”, der 1950 in Les Temps modernes erschien, in der es heißt, daß die UdSSR sich im Gleichgewicht der Kräfte auf der Seite derer befinden würden, die gegen die uns bekannten Ausbeutungsformen kämpfen würden. (S. 137) Die Schlußfolgerung auf eine Zurückhaltung Sartres hinsichtlich einer Kritik am sowjetischen Lagersystem kann durch den Zusammenhang nicht gerechtfertigt werden. Sartre fügt an dieser Stelle hinzu: Die Dekadenz des russischen Kommunismus könne die marxistische Kritik nicht ungültig machen, und man müsse keine Nachsicht gegenüber dem Kommunismus zeigen, das heißt aber auch nicht, daß man sich mit seinen Gegnern verbinden könne. (Cf. Sartre, Merlau-Ponty, Les jours de notre vie, in: TM, Nr. 51, 1950, S. 1162 f). Im diesem Artikel heißt es u.a.: “A moins d’être illuminé, on admettra que ces faits remettent entièrement en question la signification du système russe.” (ib. S. 1154) und “… il n’y a pas de socialisme, quand un citoyen sur vingt est au camp.” (ib, S. 1155) und “En regardant vers l’origine du système concentrationnaire, nous mesurons l’illusion des communistes d’aujourd’hui.” (ib. S. 1160) Sartres Wegbegleitung der KPF von 1951-1956 hat ihn zu keiner Zeit dazu veranlaßt, seine Prinzipien und Konzepte hinsichtlich der Freiheit des Menschen aufzugeben.

Sein 1970 in einem Interview geäußertes Erstaunen, (cf. Sartre par Sartre, in: ders., Situations, IX, S. 101 f.) darüber , daß er geschrieben habe, der Mensch sei immer frei, zu entscheiden, ob er ein Verräter oder nicht sein werde, wird von Schönherr-Mann mit der Frage verbunden, ob er mit seinem marxistischen Engagement die Freiheit aufgegeben habe? Eine unmittelbare Antwort gibt er nicht, aber beim Leser bleibt vielleicht ein bestimmter Eindruck von diesem Interview haften. Man muß Sartres ganze Antwort lesen, in der er ganz unmarxistisch wiederholt, daß jeder immer dafür verantwortlich sei, was man aus ihm gemacht habe, denn jeder Mensch könne immer etwas aus dem machen, wozu man ihn gemacht habe. Dies sei die Definition, die er jetzt der Freiheit geben würde.

“Philosophie als Lebensform” heißt der Untertitel des hier besprochenen Buches, in dem Autor im letzten Kapitel sein Ergebnis vorlegt: “… Sartres Existentialismus zeigt den Menschen ihre Freiheit und Selbstverantwortlichkeit sowie den Reflexionszwang, um ihr Leben selber zu gestalten.” (S. 158)

Mit diesem Band ist dem Autor eine interessante Darstellung gelungen, die aufgrund einer geschickten Auswahl verschiedener Konzepte die Entwicklung des Denkens Sartres sowie seine festen Bezugspunkte in einen Zusammenhang mit seiner Zeitgeschichte bringt.

Heiner Wittmann

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Ronald Aronson, Camus & Sartre, Amitié et combat

Ronald Aronson, Camus & Sartre, Amitié et combat, übers. v. D. B. Roche, D. Letellier, Alvik Editions, Paris 2005. ISBN 2-914833-28-8 

Über den Streit zwischen Camus und Sartre, der der sich an der Ideologiekritik in L’homme révolté (1951) entzündete und nach einem öffentlichen Schlagabtausch in Les Temps modernes zum vollständigen Bruch zwischen beiden führte, ist immer wieder berichtet worden. 1)

Jetzt ist die französische Übersetzung der Untersuchung (2004) erschienen, mit der Ronald Aronson die Beziehungen zwischen Jean-Paul Sartre und Albert Camus zwischen ihrem ersten Zusammentreffen von 1943 und dem Bruch von 1952 eingehend analysiert. Mit einem Abstand von 50 Jahren, so der Autor, liegen jetzt genügend Dokumente vor, die eine Untersuchung dessen erlauben, was sich zwischen beiden zugetragen hat. Ihre Beziehung wurde so eng, daß schließlich auch ihre Werke Antworten auf Fragen formulierten, die sich beide stellten. Es ergaben sich aber dennoch Differenzen, die Aronson im Vorwort ankündigt, und die schließlich zu ihrem Zerwürfnis führten. Es kommt also darauf an, zu ermitteln, zu welchem Zeitpunkt und aufgrund welcher Themen oder Ereignisse ihre Meinungsverschiedenheiten erkennbar wurden. Der Kalte Krieg und seine Auswirkungen, so lautet Aronsons Erklärung, habe lange Zeit einer Aufarbeitung ihrer Geschichte im Wege gestanden, da ihre Interpreten immer wieder versucht waren, sich für die eine oder die andere Seite zu entscheiden. (Cf. S. 11, 15 )

Nach dem Ende des Kalten Krieges kann nun das historische Verdikt, dass Camus’ Ideen als einen Irrtum bezeichnete, umgedreht werden, um nun seine politische tadellose Klarsicht zu hervorzuheben. Mit dieser Auffassung entsteht ein methodisches Problem, das den Ansatz dieser Untersuchung betrifft. Muß Camus’ L’homme révolté unter dem Eindruck der Beurteilung seiner Gegner und damit entsprechend den Spezifika seiner Zeit gelesen werden, um den Streit von 1952 in seiner ganzen Tragweite verstehen zu können? Mit diesen beiden Fragen, die den Beginn ihres Disputs und die Interpretation von L’homme révolté und der daraus erkennbaren Bedeutung für ihren Streit betreffen, soll die vorliegende Untersuchung geprüft werden.

Aronson glaubt nicht daran, daß der Bruch zwischen beiden durch ihre Auffassungen von Anfang an vorherbestimmt gewesen sei, sondern vielmehr der Kalte Krieg habe ihre zunächst guten Beziehungen getrübt und schließlich scheitern lassen. Aronson möchte sich nicht auf die vorhandenen Biographien beider und Zeugnissen andere verlassen, sondern er will sich auf ihre Werke konzentrieren und so die Bezugspunkte finden, die sich auf das Werk des jeweils anderen beziehen.

Camus rezensiert 1938 La nausée (Camus, Essais, Paris 1965, S. 1417-1419) und Sartre rezensiert seinerseits 1942 L’étranger (Sartre, Situations, I, Paris 1947, S. 120-147). Aronson zeigt die Zusammenhänge zwischen diesen Texten der beiden Rezensenten. Wenn auch Sartre bald der Bekanntere von beiden ist, so ist der doch von Camus’ Engagement überrascht. “Sartre et tout à fait étranger au pragmatisme de l’action.” (S. 40) erklärt Aronson und erinnert an die immer mal wieder von einigen Autoren geäußerte Verwunderung über Sartres späte Entdeckung der Politik. In der ersten Jahreshälfte 1944, so Aronson, wird Camus, der Chefredakteur der Zeitung Combat ist, zum Mentor Sartres. Die Politik, die beide 1952 trennen wird, hat auch beide zusammengeführt, so lautet Aronsons These. Wenn auch beiden gewisse Grenzen der Übereinstimmung bewußt waren, so wurde doch Camus zu einem der engsten Freunde Sartres.

Der Text, der Sartres Engagement auslöste oder zumindest mitbestimmte, soll Camus’ Roman La peste (1947) gewesen sein. Aronsons Analyse, wie beide Ihre Ansichten austauschen und gemeinsame Berührungspunkte beibehalten, widerspricht der späteren Darstellung von Simone de Beauvoir, die in den Cérémonies d’adieux behauptete, Camus habe mit dem Existentialismus nichts gemein gehabt. Hier wird beispielhaft der Vorteil von Aronsons Ansatz deutlich, die vorhandenen Werke und Schriften der beiden Autoren genau zu lesen und sich nicht nur auf damalige oder spätere Meinungen und Aussagen zu verlassen. Die zunehmende Politisierung Sartres entwickelt sich parallel zu der Camus’ aber manchmal auch in umgekehrter Richtung. Damit deutet der Autor Sartre Verhältnis zur Kommunistischen Partei an, das die Qualität ihrer Beziehung bald beeinflussen sollte. Ihre Haltungen zur Geschichte lassen weitere Indizien erkennen, die ihre unterschiedlichen Auffassungen andeuten. Die präzise Untersuchung ihrer Texte, die nach der Befreiung entstanden sind, bietet dafür interessante Nachweise. Gerade in bezug auf die Begründung der Freiheit, in deren Rahmen Sartre, so der Autor, seine eher unhistorischen Begriffe der Situation und der absoluten Freiheit zumindest bis zum zweiten Band der Critique de la raison dialectique nicht mit den Realitäten der Menschen in Verbindung bringt, möchte Aronson deutliche Unterschiede zwischen beiden erkennen.

Aronson hält sich an den eingangs versprochenen Vergleich der Texte der beiden Autoren, führt aber immer wieder Äußerungen wie z.B. von Simone de Beauvoir an, erklärt aber auch, welche Details sie aus mehr oder weniger offenkundigen Gründen ausläßt (S. 110), und er beschreibt die Rollen von Merleau-Ponty und Arthur Koestler. Aronson zeigt auch, daß Camus Sartre nicht genau liest und beschreibt, wie es zu unterschiedlichen Interpretationen des Geschichtsbegriffs bei beiden kommt. Die Übereinkunft zwischen Sartre und Camus, daß das Kapitel über Nietzsche aus L’homme révolté in Les Temps modernes veröffentlicht werden soll, zeigt, daß beide von dem herannahenden Gewitter noch nicht so recht etwas ahnen. Nach dem Erscheinen des Buches (1951) kommt es 1952 zum Bruch zwischen beiden, der von der heftigen Ideologiekritik Camus, seine Ablehnung des Kommunismus, und Sartres heftiger Reaktion als Antwort auf Camus Klagen wegen der Rezension aus der Feder Francis Jeansons sich vollzieht: Aronsons Satz “On a vu devenir Sartre un révolutionnaire, Camus devenir un homme révolté.” (S. 191) läßt noch ein wenig die Absicht erkennen, doch ein Lager wählen zu wollen, die Aronson zu Beginn des Kapitels allen Interpreten von L’homme révolté zuschrieb. 2)

Beide hätten, so Aronson, in den Monaten nach dem Ende ihrer Freundschaft wenig geschrieben.- Camus veröffentlicht 1954 die Novellensammlung L’été, deren Themen seine Grundüberzeugungen Revue passieren lassen und er schreibt mehrere wichtige Texte über die Aufgaben des Künstlers -. Sartre veröffentlicht die Artikelserie Les communistes et la paix. 1956 erscheint La Chute, mit dem Camus sogleich einen beachtlichen Erfolg erzielt. Aronson liest diesen Roman als eine Antwort auf die Vorwürfe, die Sartre 1952 an Camus gerichtet hatte. 1975 erwähnte Sartre in einem Interview das Zerwürfnis mit Camus, erklärte daß er sich gegen den Brief Camus’, der mit den Worten “Monsieur le Directeur” begann, gewandt habe. Aber, er fügt auch hinzu: Camus sei vielleicht der letzte gute Freund gewesen.

Aronson zeigt in überzeugender Weise, wie es aufgrund der Zeitumstände und der unterschiedlichen Geschichtsauffassungen Sartre und Camus’ zu ihrem Streit kam, der das Ende ihrer Freundschaft besiegelte. Er zeigt aber auch, daß der Streit an beiden nicht spurlos vorbeigegangen ist und wie ihre späteren Werke immer wieder von diesem Streit geprägt sind. Nach Camus’ Tod hat Sartre in seinem Nachruf auf die Nähe Camus’ zu den französischen Moralisten hingewiesen. Er ordnete Camus in die lange Reihe der Erben der Moralisten ein , deren Werke das repräsentieren, was zum Ursprünglichsten der französischen Literatur gehöre. Und Camus habe durch die Hartnäckigkeit seiner Verweigerungen gegen die Machiavellisten und das goldene Kalb des Realismus die Existenz der Moral bestätigt.

Heiner Wittmann

www.logosjournal.com/issue_4.1/aronson_postel.htm:
Camus, Sartre, and Us: The Story of a Friendship and the Quarrel That Ended It
An Interview with Ron Aronson
With Danny Postel

1) Cf. u.a. : C. Kuhn, “Monsieur le Directeur”, “Mon cher Camus”. Die Anatomie eines Bruchs, in: B. Wilczeck, Hrsg., Paris 1944-1962. Dichter und Denker auf der Straße, Bühl-Moos 1994, S. 93-102;
H. Wittmann, Albert Camus. Kunst und Moral, Kapitel V: Albert Camus und Jean-Paul Sartre, Frankfurt/M. 2001, bsds. S. S. 94-98.
2) Cf. H.Wittmann, Sartre und die Kunst. Die Porträtstudien von Tintoretto bis Flaubert, Tübingen 1996, S. 73-88: Die Kritik am Marxismus.

Sartre und Foucault


Thomas R. Flynn, Sartre, Foucaul, and Historical Reason. Volume Two. A Poststructuralist Mapping of History, The University of Chicago Press, Chicago, London 2005. ISBN (paper) 0-226-25471-2

Sartre, Foucault und die Geschichte

Dieser kürzlich erschienene Band folgt dem ersten Band “Toward an Exististentialist Theory of History”. Der Autor beabsichtigt eine Rekonstruktion des philosophischen Geschichtsansatzes von Foucault zu unternehmen. In dieser zweibändigen Studie sollen die Geschichtstheorien zweier führender französischer Intellektuellen untersucht werden. Flynn verspricht sich durch diesen Vergleich weiterführende Erkenntnisse vor allem, weil beide sich kannten, aber die Methoden und Konzepten des jeweils anderen rundherum ablehnten. In diesem zweiten Band werden zuerst die Grundlagen des Foucaultschen Ansatzes untersucht, der er in einem zweiten Schritt mit Sartre verglichen wird. In der Einleitung erklärt Flynn detailliert den Aufbau seiner Untersuchung. Das 1.Kapitel führt den Leser in das Denken Foucaults ein und legt drei Abschnitte seines Denkens dar: der archäologische, der genealogische und der problematische Ansatz. Im 2. und 3. Kapitel wird sein Bezug auf die Ereignisgeschichte und sein Nominalismus untersucht, der ihn dazu führt “Macht” an sich in Frage zu stellen und sich auf individuelle Aktionen zu konzentrieren. Es folgen zwei Kapitel, in denen er Autor einzelne Schriften Foucaults analysiert. Im 2. Teil des Buches wird das Werk Foucaults der Dialektik Sartres gegenübergestellt. Auf diese Wei-se wird z.B. das Konzept des “vécu” von Sartre mit dem Foucaultschen Ausdruck der Erfahrung verglichen.

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