Albert Camus und die Kunst

Albert Camus et le monde de l'art

Elisabeth Cazenave,
Albert Camus et le monde de l’art
Préface de Philippe Lejeune
140 illustrations couleur
Atelier Fol’Fer éditions
Co-édition Association Abd-El-Tif, Anet 2009.

Elisabeth Cazenave hat mit ihrem Band Albert Camus et le monde de l’Art (1913-1960) ein livre-témoin vorgelegt. Sie erinnert an die zahlreichen Künstler, denen Camus immer wieder begegnet ist und denen er – das ist diesem Band leicht zu entnehmen – grundlegende Inspirationen für sein Werk verdankt. Auch 50 Jahre nach seinem Tod werden immer noch Bücher und Aufsätze geschrieben, deren Autoren sich immer noch auf eine Analyse des Absurden und der Revolte beschränken, ohne die Kunst im Werk von Albert Camus in den Blick zu nehmen: „L’art et la révolte sont confondus chez Camus dans la recherche d’une unité universelle, ses amis partagent la même enquête.“ (S. 67) schreibt E. Cazenave.

Die vielen Abbildungen von Werken der Künstler, mit denen Camus freundschaftlich verbunden war, und von denen einige, wie Pierre-Eugène Clairin für Noces, auch die Illustrationen für seine Bücher geliefert haben, machen aus diesem Buch ein beeindruckendes Zeugnis für die enge Verbindung von Kunst und Literatur in seinem Werk. Nach einer kurzen biographischen Einleitung folgen Kapitel über das Mittelmeer mit Abschnitten über Tipasa und Djemila, die Villa Abd-El-Tif, in der von 1907-1962 87 Künstler gearbeitet haben und über Realtität und Mythos. La Maison de la culture, das 1936 in Algier gegründet wurde, zusammen mit dem Theater (1936-1939) und dann die Berichte über das journalistische Engagement von Camus illustrieren sehr nachhaltig seinen Hinweis auf die Kunst, so, wie er ihn in seiner Nobelpreisrede formuliert hat: Die Kunst gehört nicht dem einzelnen Künstler, sie muss sich an alle richten.

Im Anhang dieses Buches werden über sechzig Künstler von Maurice Adrey (18-99-1950) über Sauveur Galliéro (1914-1963), Richard Maguet (1896-1940) bis Marie Viton (avant 1900-1950) mit ihren Beziehungen zu Camus vorgestellt.

Nach der Lektüre dieses Bandes darf man sich zu Recht fragen, wieso die Bedeutung und die Tragweite der Kunst im Werk von Camus so lange unterbewertet oder gar übersehen wurde? Es ist der Autorin dieses Bandes in eindrucksvoller Weise gelungen, die in diesem Band versammelten Abbildungen von Kunstwerken keinesfalls als bloße Illustrationen vorzulegen, auch nicht immer wieder das Absurde als Lebensanschauung Camus‘ endlos zu wiederholen, sondern es nur als eine Diagnose zu erwähnen, nach der man sich wieder der Handlung und damit auch der Kunst als ein Mittel die Welt zu beschreiben zuwendet. Das Buch erscheint zum richtigen Zeitpunkt, ist es doch eine sehr treffende Ergänzung für viele Biographien Camus, die die Tragweite der Kunst, in Le mythe de Sisyphe, in La peste oder in L’homme révolté nicht ihrer Bedeutung entsprechend wahrnehmen. In seiner Nobelpreisrede hat Camus die Kunst unmißverständlich in das Zentrum seines Werkes gerückt. Er hat sich allerdings auch in ihr gegen den Mißbrauch der Ideologien verwahrt.

Man darf aber doch anmerken, dass Jean-Paul Sartre in diesem Band nicht erwähnt wird. Bedenkt man sein sehr ausgeprägtes Interesse für die Kunst, z. B. seine Rezension des L’étranger und an die Freundschaft, die beide bis zu ihrem Streit verbunden hat, so wie den Nachruf den Sartre im Januar 1960 formuliert hat, hätte er in diesem Band nicht fehlen dürfen. Er und Camus haben sich mit ihrem Gesamtwerk für die unaufhebbare Verbindung von Kunst und Freiheit eingesetzt. In bezug auf Camus ist die Kunst in seinem Werk von vielen Autoren nicht erkannt worden. Wird sie berücksichtigt, kann der eigentliche Gehalt und die Bedeutung seines Werks besser verstanden werden. Sartres La Nausée ist nur im Rahmen seiner anderen philosophischen Werke zu verstehen, L’étranger hingegen ist selbst ein Kunstwerk, das die Autonomie der Kunst auf eine sehr nachhaltige Weise illustriert. In diesem Sinn öffnet E. Cazenave neue Perspektiven zum Verständnis seines Werkes.

Heiner Wittmann

Crise écologique et crise sociale

Hervé Kempf,
Pour sauver la planète, sortez du capitalisme,
Paris, Editions du Seuil 2009.

Zwei Jahre nach seinem Band > Comment les riches détruisent la planète, hat Hervé Kempf, Journalist bei LE MONDE, den Titel seines neuen Buches auf den Punkt gebracht. Wollen Sie den Planeten retten, dann geben Sie den Kapitalismus auf, fordert er.

Eine Verschärfung der Umweltprobleme werde unsere Zivilisation zu einer schweren Existenzkrise führen. Er ist überzeugt, dass unsere natürlichen Lebenssystems sich bald schon nicht mehr selbst regenerieren können. Kempf will mit seinem Buch erklären, dass nur eine Reduzierung der sozialen Ungleichheit die Zivilisation vor Schlimmeren bewahren kann. Für ihn sind Umweltschutz und soziale Fragen eng miteinander verbunden.

Korruption, Spekulation wie ungebremstes Wachstum und der Triumph der Ungleichheit sind für ihn die Kennzeichen des Kapitalismus. Aber er erkennt eine Nervosität der Märkte, die u. a. auch durch die Ungleichheit ausgelöst wird. Kempfs Überlegungen erinnern an Richards Sennets Buch: Der Verfall des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt/Main, S. Fischer Verlag 1998, das einen so viel schöneren englischen Titel The Fall of Public Man hat. Die Mitreisenden, die im Zug telefonieren: “Ja Schatz, ich sitze im Zug…” und ihre Sorgen alle mitteilen, nehmen an dieser Gesellschaft nicht mehr teil. Die Solidarität in der Gesellschaft ist in Gefahr oder bereits verschwunden, und Kempf nennt einige Beispiele von der Werbung bis zur Sexualität, die er in seinem Kapitel Indoktrinierung notiert. Und wieder warnt er vor der RFID-Technik, die zur totalen Überwachung eingesetzt werden kann. Einen Austausch ohne Worte nennt er das. – So wie unsere Kuhlschränke sich eines Tages selber prüfen und die Bestellung zu ihrer Auffüllung verschicken können. –

Le Mirage de la croissance verte: Grünes Wachstum? Tschnernobyl hat keine Euphorie zugunsten der Abschaffung der Atommeiler ausgelöst, und die Atomenergie hält keine Lösung für den Klimawandel bereit. Die Windkraft wird nach ihrer Besichtigung von Kampf ebenfalls abgeschrieben. Das Abholzen der Wälder, wie die Versenkung von CO2 bei der Gasförderung, wie Erdölgewinnung in Canada aus ölhaltigen Sand sind für Kempf bemerkenswerte Misserfolge.

Kempf weiß, dass er auch Konferenzen nicht immer die besten Karten hat, und er berichtet davon, wie seine Ideen von den Skeptikern aufgenommen werden, S. 109 ff.: Sollen wir zum Kerzenlicht zurückkehren und unser Handy abgeben?

Im letzten Kapitel berichtet Kempf von alternativen Wirtschaftsformen und dem langem Atem, den diese Veränderungen erfordern. Er erwähnt die Siedlungs- und Wohnungsfragen unserer Zeit, die es mit sich bringen, dass Arbeitnehmer lange Anfahrtszeiten haben – die Eigenheimzulage und KM-Pauschale haben bei uns die Zersiedelung der Landschaft und den Bau von Rennpisten nachhaltig erfolgreich gefördert -. Kempf fordert eine neue Verdichtung in unseren Städten, wodurch ein neues Verhältnis zum Auto entstehen könnte. Richtig, wir brauchen keine > Hauptstätter Straße mit 14 Spuren. – Stattdessen lieber Versuche, den Feinstaub mit diversen Mitteln zu binden… -.

Das Buch sticht aus der Fülle an Diskussionsbeiträgen zum Klimawandel heraus. Der unbedingte Zusammenhang zwischen sozialen Fragen und Umweltfragen wird in dieser Schärfe und mit diesem Konsequenz nicht von allen geteilt. Mit seiner wohlbelegten Analyse (Nachweise, S. 135-152) hat Kempf einen interessanten Beitrag zur Klimadebatte vorgelegt.

Heiner Wittmann

> Hervé Kempf et Stefan Rösler: La crise du climat et la crise du capitalisme. La fin du progrès sans bornes
Veranstaltung im Institut français de Stuttgart am 17. November 2009

Sartre von A-Z

Cabestan, Philippe
Dictionnaire Sartre
Paris:   Editions Ellipses , 2009.
224 Seiten
ISBN 978-2-7298-4347-2

Cabestan weist in der Einleitung seine Leser daraufhin, dass die Einheit von Sartres Denken keinesfalls durch eine Aufzählung einzelner, isolierter Begriffe erklärt werden kann. Es geht nur darum, mit diesem Band Sartre-Lesern einige Brücken zum Verständnis anzubieten. Ein Leser, der sich nur auf die Lektüre von Cabestan Dictionnaire beschränkt, wird auch die Entwicklung der Begriffe im Werk Sartres übersehen. Damit meint der Autor auch die persönliche Entwicklung Sartres, die für manche Interpreten auf der Suche nach seinen ideologischen Veränderungen besonders wichtig ist. Ihnen gegenüber betont der Autor mit Recht die Beharrlichkeit Sartres, seine frühen Erkenntnisse, die die Einheit seines Werkes bestimmen, zu der seine Entwicklung gehört, eine totalisation, die erst mit seinem Leben endete. Allerdings erinnert Cabestan mit einem Beispiel an Sartres eigene Versuche, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen: 1975 erklärter er in einem Gespräch mit M. Contat, dass die Freiheit ohne die Möglichkeit ihrer Entfremdungen nicht verstanden werden könne. (Situations, X, 13) Ob durch eine solche Aussage die Bedeutung der von Cabestan in diesem Zusammenhang zitierten Schriften L’existentialisme est un humanisme (1947) oder L’être et le néant, in ihrer Aussagekraft wirklich tangiert werden?

Jeder Sartre-Leser wird in diesem Dictionnaire nach den Stichworten suchen, die ihm vertraut sind. Eine Seite zum Stichwort Ästhetik im Werk von Sartre reicht natürlich nicht aus. Aber Passagen, die Cabestan zitiert oder resümiert, erinnern den Leser an wichtige Werke Sartres : Qu’est-ce que la littérature?, La responsabilité de l’écrivain und bestimmte Texte in Les Ecrits de Sartre. Stichwörter wie Analogon, Beau, Création, Esthétisme, Gestalttheorie, Image et Imagination, littérature engagée, Œuvre d’art, Perception, Phénoménologie, Prose et poésie, Psychanalyse existentielle, Regard, Sens et signification d’une œuvre d’art, Universel singulier u.a. belegen wie eng Sartres Ästhetik mit seiner Philosophie verbunden ist. Es ist nur zu leicht, Lücken in den einzelnen Beiträgen aufzuspüren. Die Lektüre der hier genannten Einträge gibt aber tatsächlich einen kompakten Einblick in seine Philosophie, und Cabestan vermittelt auf geschickte Weise Querverbindungen zu anderen Themen und erklärt, Abgrenzungen und Gegensätze Sartres zu anderen Autoren.

Natürlich habe ich in meinem eigenen Zettelkasten zu L’Idiot de la famille nachgesehen und nach Karteikärtchen mit wichtigen Stichwörtern gesucht. So scheint die literarische Seite seines Werkes in diesem Dictionnaire weniger stark als die Philosophie vertreten zu sein. Déréalisation, Individu, Laideur, Vérité, Artiste, Confiance, Nature, Activité passive, Appel hätten vielleicht einen eigenen Eintrag verdient, aber viele andere Begriffe, die möglicherweise auch noch fehlen, sind in den vorhandenen Einträgen zu finden. Die Suche nach fehlenden Stichwörtern war eine gute Übung, denn damit wurde deutlich, wie sorgfältig und mit welchem Sachverstand Cabestan die Auswahl der Stichwörter vorgenommen hat.

Einträge wie der zum Marxismus zeigen in aller Kürze Sartres Entwicklung. Nannte er ihn noch 1960 eine unüberschreitbare Philosophie unserer Zeit, so war er 1975 auf der Suche nach einer Philosophie, die ihn überschreitet. Nur den Marxismus von Marx hielt Sartre für unüberschreitbar, den seiner Anhänger kritisiert Sartre in scharfer Form, aber auch Marx gegenüber bewahrte er eine kritische Distanz. Beispiele wie diese zeigen, wie es dem Autor gelingt, auf zwei Seiten eine sehr komplexe Frage im Rahmen der zur Verfügung stehenden Seiten präzise darzustellen.

Die einzelnen Einträge sind alle nach einer ähnlichen Form gestaltet: Bien et Mal: „Libre, l’homme doit agir et par ses actions décider lui-même du bien et du mal. Le Bien ‚existe pas en dehors de l’acte qui le fait‘ (Cahiers pour une morale, p.573)“

Im ersten Absatz jedes Beitrags erscheint ein knapper Satz, der die Bedeutung des Stichworts umreißt, der dann von einem Zitat als Beleg gefolgt wird. Auf diese Weise vermittelt der Autor am besten sein Wissen und seinen Einblick in das Werk Sartres und macht aus den Beiträgen tatsächlich Bücken, die das Verständnis zwischen dieses Begriffen erleichtert. So auch im Artikel Responsabilité: „Reprenant l’acceptation courante de ce temre, Sarte définit la responsabilité comme la conscience d’être l’auteur d’un événement ou d’un objet.“ Et Cabestan ajoute une citation clé de Sartre: „En ce sens, la responsabilité du pour-soi est accablante.“ (L’être le néant, p. 612 f.)

Die anfängliche Skepsis weicht beim Ausprobieren dieses Buches der Überzeugung, ein nützliches Buch in der Hand zu halten.

Was die Website der Editions Ellipses betrifft, so ist es sehr schade, dass dort nicht mehr über dieses Buch zu erfahren ist. Immerhin, der Verlag hat einen Blog, auf dem kürzlich eine neue Version der Website angekündigt wurde.

Heiner Wittmann


Colloque Levinas et la philosophie du XX° siècle en France
organisé par Jean-Michel Salanskis (univ. Paris X) et Frédéric Worms
(univ. Lille III, CIEPFC, ENS)

Cogito et phénoménologie : Husserl, Sartre et Levinas
Philippe Cabestan (philosophe) [27 avril 2006 à 14h00]
Enregistrement audio de la conférence de Philippe Cabestan

Können Schüler mit Hilfe des Computers besser lernen?

Können Schüler mit Hilfe des Computers besser lernen?
Rolf Plötzner, Timo Leuders, Adalbert Wichert (Hrsg.)
Lernchance Computer.
Strategien für das Lernen mit digitalen Medienverbünden
> Waxmann, Münster 2009.
ISBN 978-3-8309-2216-2
Beim Konzipieren und Herstellen von Computerprogrammen für die Schule stießen wir schon in den 90er Jahren tagtäglich auf ein immer wieder kehrendes Problem. So ausgetüftelt diese PC-Programme auch waren, sie mußten immer möglichst viele Antworten des Schülers kennen, um ihm ein Feedback geben und dazu beitragen zu können, seine Lernleistung zu verbessern.

Dieses grundlegende Problem ist auch heute noch nicht perfekt gelöst worden. Aber die Lernforschung hat erhebliche Fortschritte gemacht, und der Band Lernchance für den Computer dokumentiert diesen Fortschritt im Bereich der Mediengestaltung und der Mediennutzung. Dazu kommen Medienverbünde, also die gemeinsame Nutzung von Texten, Bildern, Videosequenzen und Simulationen. Daraus werden Lernstrategien abgeleitet, die sich aber auch heute noch daran messen lassen müssen, inwieweit sie dem Schüler eine sinnvolle Rückmeldung geben können.

Helmut Felix Friedrich untersucht das Lernen mit Texten. Sein Beitrag macht den Verwendung des Computers im Lernprozess einsichtig. Der Schüler ist in diesem Fall von keinem Feedback abhängig, er benutzt die PC-Technik als ein echtes Hilfsmittel. Die vielen Anregungen für die Arbeit mit Texten und Lesestrategien vermitteln hier wichtig Einsichten in die Methoden, wie Schülern die Aneignung von Texten vermittelt werden kann. Tina Seufert untersucht das Verhältnis von Text und Bild: Lernen mit multiplen Repräsentationen – Gestaltungs- und Verarbeitungsstrategien. In diesem Sinn analysieren Maria Bannert und Peter Reimann das Metakognitive Fördern des Lernens mit digitalen Medien durch Prompting-Maßnahmen. Auch die beiden folgenden Beiträge über das Strategische Lernen mit interaktiven digitalen Medienverbünden lösen sich vom Problem des Programm-Feedbacks und konzentrieren sich auf die Initialisierung von Lernprozessen. Die Beiträge Lernen mit informierenden Bildern in Texten und Lernen mit illustrierten Texten können die Krux eines Sammelbandes nicht verbergen. Es entsteht hier der Eindruck einer gewissen Redundanz, die sich aber beim genauen Lesen wieder relativiert. Die Autoren dieser Beiträge stellen unterschiedliche Ansätze vor, die für die Entwicklung des Designs von Lernprogrammen sehr nützlich sein können. Ihre Anmerkungen gehen weit über bloße Designüberlegungen hinaus und stellen alle Facetten des komplizierten Verhältnisse von Texten und Bildern vor, das übrigens vom Fernsehen heute mit seinem ihm als Medium inhärenten Drang immer Bilder zu zeigen kaum noch beachtet wird. Besonders Berthold Metz und Adalbert Wichert zeigen, mit den Illustrationen ihres Beitrags wie Bilder in Texten funktionieren.
Die Animationen und Simulationen sowie Ausdifferenzierungen im Rahmen des kooperativen Lernen lösen sich ebenfalls von einschlägigen Lernprogrammen und nutzen den Computer als ein Medium unter anderen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Zeit der Lernprogamme oder des programmierten Lernens vorbei ist. Dafür spricht auch das Lernen durch Gestalten von digitalen Medien, das Elmar Stahl erläutert. Das eigene Erstellen von Inhalten mittels der Computertechnik eröffnet neue didaktische Dimensionen, deren Wert für den Lernprozess von Stahl hier so einleuchtend dargestellt. Zum Abschluss untersuchen Alwine Lenzner und Wolfgang Stotz das Aktivieren von Lernstrategien durch Bilder. Vergleicht man diesen Beitrag mit den Ausführungen von Elmar Stahl beginnt man hier die Einbeziehung der Schülerperspektive zu vermissen. Die Lernstrategien mit Hilfe von Bildern werden hier in der Hoffnung vorgestellt, dass die Schüler auf sie ansprechen werden. Alle Erkenntnisse von Web 2.0, die vielleicht auch als Lernen 2.0 einmal in die Didaktik aufgenommen werden, regen die Beteiligung der Schüler schon bei die Initiierung von Lernprozessen an. Auf diese Weise fällt auf, dass das Web 2.0 in diesem Band keine Rolle spielt. Es muss aber auch nicht extra genannt werden, da alle hier vorgetragenen theoretischen Überlegungen sich als Grundlagen vorzüglich dazu eignen, auch den Einsatz des Internets für das Lernen 2.0 zu untersuchen. Vgl dazu:

 

 

> Französischunterricht 1.0 => 2.0 > www.france-blog.info

Heiner Wittmann

Die deutsch-französischen Beziehungen: Eine Bestandsaufnahme

Astrid Kufer, Isabell Guinaudeau, Christophe Premat (Hrsg),
Handwörterbuch der deutsch-französischen Beziehungen,
Nomos, Baden-Baden 2009, 245 S., Broschiert, 24,- €
ISBN 978-3-8329-4807-8

Dieses Handbuch ist kein Nachschlagewerk im eigentlichen Sinne. Rund 40 Wissenschaftler aus Frankreich und Deutschland, viele unter ihnen auf dem Weg zur Promotion, haben die wichtigsten Begriffe zusammengestellt, die von allen bemerkenswerten Facetten des deutsch-französischen Verhältnisses in historischer Perspektive und aus der Sicht von heute geprägt werden. Die vielen Querverweise und Ergänzungen innerhalb der einzelnen Beiträge lassen kaum Lücken erkennen. Von ARTE über den Deutsch-französischen Motor, Erbfeind, Existentialismus, Intellektuelle Kulturbeziehungen, Städtepartnerschaften und Weimarer Dreieck, um nur ein kleine Auswahl zu nennen, werden historische, kulturelle und politische Aspekte gründlich behandelt. Der interessierte Leser wird sich in kurzer Zeit mit Hilfe der Beiträge dieses Bandes einen Überblick über Grundbedingungen des deutsch-französischen Verhältnisses aneignen können.

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Wahlkampf im Internet

Manuel Merz/Stefan Rhein (Hg.):
Wahlkampf im Internet
Handbuch für die politische Online-Kampagne
2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
LIT Verlag, Münster 2009
ISBN 978-3-8258-9262-3

Wahlkampf im Internet wurde von Manuel Merz und Stefan Rhein herausgegeben. Es ist die zweite Auflage des 2006 erschienen Bandes, dessen Untertitel Handbuch für die politische Online-Kampagne lautet.

Dieser Untertitel verät die Zielgruppe des Buches. Es richtet sich an Kandidaten, die gerne zusätzliche Prozentpunkte mittels eines Online-Wahlkampfes holen würden, aber bisher keine oder kaum Ahnung von den heutigen Möglichkeiten der vielen Internet-Anwendungen haben. In genau dieser Hinsicht kommt der Band zur kommenden Bundestagswahl wahrscheinlich ein bisschen zu spät. Analysiert man die Websites aller im Bundestag vertretenen Parteien, so ist die Anzahl der Funktionen oder Aktionen, die die Besucher der Wesbites zum Mitmachen, neudeutsch Partizipation, auffordern, sehr gering, umso wichtiger ist dieses Buch. Einige Parteien und Kandidaten haben schon einen Facebook-Account, laden Videos bei YouTube hoch oder haben auch schon vereinzelt mal einen Blog. Insgesamt ist das Ergebnis einer solchen Analyse sehr ernüchternd, zumal wenn man die deutsche politische Web 2.0-Landschaft mit der Intensität des amerikanischen Wahlkamps ( Blogs in den USA) Blogs in den USA) oder mit dem Wahlkampf zur französischen Präsidentschaft – blogopole.observatoire-presidentielle.fr/ – vergleicht. Damit ist die Lücke angedeutet, die der vorliegende Band bestens ausfüllen kann.

Den Kapiteln “Strategischer Online-Wahlkampf” und “Organisation der Onlinekampane” folgt eine Aufzählung der wichtigsten Internetanwendungen von E-Mails über Blogs bis Downloads, deren Funktion, Aufbau, Vor- und Nachteile erläutert werden. Sehr spannend ist das Kaptel “Fallbeispiele”, in dem einzelene AKtionen, Websites, Wahlkampfportale und Entwicklungen des amerikanischen Wahlkampfs vorgestellt werden, wenn auch viele Beiträge sich auf 2004 beziehen, nur ein Abschnitt bezieht sich auf den Wahlkampf von 2008. Eine noch gründlichere Überarbeitung dieses Kapitels hätte dem Buch sicherlich gut getan. Das ist aber nicht sehr bedauerlich, weil der amerikanische Wahlkampf 2004 auch vielen unserer heutigen Partein-Websites voraus gewesen zu sein scheint. – Liegt das daran, dass bei uns viele Kandidaten auf ihren sicheren Listenplatz vertrauen?

Die vielen Fremdworte, die vielen Spezialausdrücke können Wahlkampfneulinge sicher verwirren. Nimmt ein Wahl-Neuling dieses Buch zur Hand, ohne bisher von Web 2,0 gehört zu haben, ist er möglicherweise hinterher nicht viel schlauer. Die Kandidaten meines Wahlkreises, denen ich bisher eine seriöse E-Mail geschickt habe, ohne eine Antwort zu bekommen, würden von der Lektüre dieses Buches möglicherweise in Form einiger und manchmal sogar entscheidender Prozentpunkte profitieren können. Es geht nicht um eine Verlagerung des Wahlkampfes ins Internet, es geht einfach um die Möglichkeit, Wähler direkter anzusprechen. In diesem Zusammenhang müsste in diesem Buch die Notwendigkeit, Web 2.0-Anwendungen aufgrund der eigenen Kampagne richtig zu mixen, viel deutlicher hervorgehoben werden. Die Autoren dieses Buches kennen solche Probleme, sind sich ihrer sicher bewußt und beantworten im Kapitel 5 “Fragen aus der Praxis”, deren Antworten rundweg nützliche Hilfestellungen geben.

Die Website zum Buch Wahlkampf im Internet verdient aufgrund ihres Themas wesentlich mehr Links, die auf sie verweisen. Einfache Tricks, die Wirkung der eigenen Website zu überprüfen, oder die eigenen Seite im Suchmaschinenranking ganz oder möglichst weit nach oben zu bringen, würden sicher auch manchen Kandidaten nützen Eine Linkliste mit den Websites der Parteien, Online-Ergänzungen für das Buch, eine Liste politischer Blogs, die sich mit dem Wahlkamp beschäftigen, also aktuelle Informationen, wie sich der Online-Wahlkampf entwickelt – www.wahlradar.de oder www.parteigefluester.de – würden die Bekanntmachung des Buches sicher erleichtern. Während der Analysen der Online-Aktivitäten der Parteien in den letzten Jahren ( Blogs in Frankreich und Deutschland) ist dieses Buch nicht aufgefallen. Richtig zu spät kommt es aber nicht, da jederzeit Kanidaten und Parteimitglieder hier nützliche Anregungen finden können.

Übrigens: Jeder Link auf die Website des Buches zählt, deshalb sollte auch der Link des Verlagsseite auf die Website zum Buch anklickbar sein.

Heiner Wittmann

Wird E-Learning das Lernen verändern?

Nicolas Apostolopoulos, Harriet Hoffmann, Veronika Mansmann, Andreas Schwill (Hrsg.),
E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter
Waxmann, Münster 2009.
ISBN 9783830921998 (ISBN: 3-8309-2199-3)
432 Seiten, Paperback, 2009.

Noch immer gibt es viele unterschiedliche Meinungen, ob das Lernen mit elektronischer Unterstützung effektiver ist und zu besseren Lernergebnissen führen kann. Ist der PC ein Lehrerersatz? Kann ein PC die Motivation eines Lernenden unter bestimm-ten Umständen günstig beeinflussen? Hilft er beim dezentralisierten Lernen? Welche Rolle spielt das Internet bei neuen Lernformen? Können bestimmte fachgebundene Verfahren oder Methoden mit Hilfe der Computertechnik neu gefaßt oder mit ihrer Hilfe weiterentwickelt werden? LNoch immer gibt es viele unterschiedliche Meinungen, ob das Lernen mit elektronischer Unterstützung effektiver ist und zu besseren Lernergebnissen führen kann. Ist der PC ein Lehrerersatz? Kann ein PC die Motivation eines Lernenden unter bestimmten Umständen günstig beeinflussen? Hilft er beim dezentralisierten Lernen? Welche Rolle spielt das Internet bei neuen Lernformen? Können bestimmte fachgebundene Verfahren oder Methoden mit Hilfe der Computertechnik neu gefasst oder mit ihrer Hilfe weiterentwickelt werden? Lohnt sich der immense technische Aufwand hinsichtlich der zu erwartenden Lernergebnisse? Können Computerprogramme Lernergebnisse in irgendeiner Form bewerten und für die Lerner individuelle Förderungen bereitstellen? Das immer noch neue Stichwort Web 2.0, das als Schlagwort das Mitmach-Internet umschreibt, scheint dem Internet mit soziale Medien ganz neue Perspektiven zu eröffnen, deren Auswertung in vielen Bereichen des Lernens noch gar nicht realisiert, geschweige denn wirklich untersucht worden sind.

Stellt man sich diese und ähnliche Fragen, kommt der Band E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter gerade im richtigen Moment und pünktlich, druckfrisch kurz dem Ende der Tagung und verspricht Forschungsergebnisse auf aktuellem Stand. Rund 100 Autoren, die zusammen 37 Beiträge verfasst haben, bieten in diesem Band einen aktuellen Überblick über alle Themenbereiche des “Lernens im digitalen Zeitalter”. Der Band ist das Ergebnis der Tagung mit dem gleichnamigen Titel E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter, die als 14. Jahrestagung von der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) ausgerichtet wurde und an der FU in Berlin vom 14. – 17. September 2009 stattgefunden hat.

Die Versuchung ist groß, den Inhalt jeden Beitrags hier zu referieren, da jeder von ihnen interessante Teilaspekte vorstellt, die sich wie Mosaikbausteine zu einem Gesamtüberblick vereinen lassen und den Veranstaltern der Tagung tatsächlich einen Erfolg bescheinigen. Ihnen ist es gelungen, die vielen Autoren dieser Beiträge zu einem konzentrierten Überblick über dieses Thema zu vereinen, die zunächst eine unglaubliche Vielfalt wiedergeben, aber dennoch zielgerichtet einige Hauptthesen vorstellen und ihre Bewertungen diskutieren.

Die Aufsätze sind in drei Kapitel gegliedert: Neue Lernkulturen – Nachhaltige Veränderungen durch E-Learning, Neue Entwicklungen im E-Learning und Institutionalisierung von E-Learning.

Die Mehrzahl der Beiträge in diesem Band beschäftigt sich mit theoretischen Grundlagen des E-Learning, mit den notwendigen wissenschaftlichen Definitionen und mit Evaluierung von Perspektiven. Es fällt auf, dass Inhalte der Lehre und einzelne Fächer kaum oder höchsten nur am Rand (Wirtschaftsinformatik, S. 19) genannt werden. Ohne Zweifel gibt es Fächer und Themen, wie auch viele Methoden des Spracherwerbs, für die Formen des E-Learning sehr viel besser geeignet sind, als zum Beispiel für philologische Fächer, bei denen oft das Lesen im Vordergrund steht.

Gudrun Bachmann, Antonia Bertschinger, und Jan Miluška sprechen sich in ihren Beitrag E-Learning ade – tut Scheiden weh? dafür aus, den Begriff des E-Learning zu vergessen, ihn nicht mehr zu verwenden, sondern künftig nur noch von “Neuen Medien in der Lehre” zu sprechen. Recht haben sie! Das Lernen mit der Unterstützung durch einen Computer mit einem Lernprogramm hat immer noch mehr mit dem Intellekt des Schülers oder des Studenten als mit der Elektronik zu tun. Vielleicht war es Anfang dieses Jahrtausend die Faszination, die das elektronisch gestützte Lernen auf Didaktiker ausübte, die zu dem Begriff E-Learning geführt hat und die das bloße Mittel gleich zur Bezeichnung der Lernmethode erhob und den Blick auf die vielen Möglichkeiten ganz unterschiedlicher Ansätze computergestützen Lernens verstellte. Be-gnügt man sich auf die Nennung der Neuen Medien, wird das Kreativitätspotenzial erkennbar, das mit ihnen verbunden ist.

Die Beiträge im ersten Teil des Bandes Neue Lernkulturen – Nachhaltige Veränderungen durch E-Learning, stellen Lernverfahren vor, die mit Hilfe der Computertechnik im Verbund mit dem Internet entwickelt wurden. Aber gerade hier fehlen oft praktische Bezügen zu den Inhalten, wodurch der Eindruck entsteht, die technischen Voraussetzungen liegen vor, jetzt werden Anwendungsgebiete gesucht. Der Einsatz von “Lerntagebüchern / Blog” hieß zu Zeiten vom Lernen 1.0 ganz einfach Mitschrift, die man auch schon mal einem Kommilitonen überließ. Elektronisch gestütztes Lernen ist eine willkommene Hilfe für standortunabhängige Lernszenarien. Einige der vorliegen-den Beiträge liefern dazu nützliche Beurteilungskriterien und zeigen mögliche künftige Entwicklungslinien auf.

Elektronisches Lernen kämpft oft mit notwendigen und technisch bedingten Einschränkungen. Computerprogramme können Antworten der Lernenden nur dann evaluieren, wenn ihnen die Antworten in irgendeiner Form vertraut sind, oder ihnen die Analyse und die Beurteilung in einem komplizierten Prozeß, der kaum realisierbar ist, beigebracht worden ist. Folglich müssen sich die Autoren von Lernprogrammen oder Lernumgebungen – mit diesem Begriff geht man vielen Schwierigkeiten aus dem Weg – zunächst auf die Definition von didaktischen Konzepten und Einschränkungen konzentrieren, mit denen der Einsatz elektronischer Unterstützungen erst möglich wird. “Entwurfsmuster”, so wie Christian Kohls sie vorstellt, gehören in diesen Bereich, wenn es darum geht “Komplexität zu reduzieren”, also Lernthemen den Neuen Medien anzupassen. Die “Patternbeschreibung” bei www.e-teaching.org dient solchen Zielen. Die wissenschaftliche Begleitung dieser Lernformen ist sinnvoll und führt zu überzeugenden Ergebnissen, solange man die Vermittlung der Inhalte aus der Perspektive der Neuen Medien betrachtet. Ob allerdings spezifische Inhalte, die über die Vermittlung von Informationen hinausgehen, auf die elektronische Weise wirkungsvoller vermittelt werden, würde nur durch die Konkretisierung von Anwendungsszenarien einsichtig werden. Der Einsatz von Neuen Medien kann auch ganz einfach zu einer Reizüberflutung führen, die den Studenten die Fähigkeit entzieht, eine Vorlesung zu verfolgen und eine nützliche Mitschrift anzufertigen, die ihnen die Fähigkeit vermittelt, nach der Vorlesung die Kernaussagen der wiederzugeben und zu behalten.

Die Beurteilung von Lehre und Unterricht wird durch den Einsatz elektronischer Mittel gefördert, man könnte auch noch sagen auf die Spitze getrieben. Melanie Paschke, Matthias Rohs und Mandy Schiefner haben in ihrem Beitrag Vom Wissen zum Wandel beispielhaft an einem Blended-Learning-Kurs gezeigt, wie die Evaluation durch die Teilnehmer dazu beitragen kann, das “didaktische Design” = Lehrmethode einer Veranstaltung günstig zu beeinflussen. Auch in diesem Beitrag fehlt jeder thematische Bezug, dadurch entsteht der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit der didaktischen Überlegungen, die sich trotz des guten Willens der Autoren von den Inhalten des Studiums entfernen. Auch hier gilt, dass das Lernen mit Hilfe der Neuen Medien in bestimmten Fächern mehr Erfolg haben kann als in andern Fächern. Die Art und Weise, wie die Autoren dieses Beitrags, Studenten nach der Evaluation von Lehr- und Lernstrategien befragen (S. 78 f), lassen eine merkwürdige Distanz zu den Inhalten erkennen. Ob sich dahinter die Vorlesung eines Historikers oder eines Juristen verbirgt? Aber das ist vielleicht eine grundsätzliche Frage von Evaluationen im Hochschulbereich, die über die Fragestellungen von Bewertungen im Bereich des E-Learning weit hinausgeht.

Jutta Pauschenwein, Maria Jandl und Anastasia Sfiri haben in ihrer Untersuchung zur Lernkultur in Online-Kursen verschiedene Formen von E-Tivities mit Hilfe der Aussagen der Studenten evaluiert. Den Autoren gelingt es, interessante Ansätze vorzustellen. Ihre Konzentration auf die Lernenden der beobachteten Kurse übergeht aber an manchen Stellen die didaktischen Vorstellungen derjenigen, die die Kurse geleitet haben. Eine solche Konzentration auf Lernergebnisse aus Lernersicht ist wiederum eine Folge einer Intensivierung von Evaluationsformen, die der Hochschullehre nicht immer förderlich ist. Ein solche Eindruck entsteht, wenn das Feedback sich zunehmend auf di-daktische Fragen oder gar nur auf Fragen der Lernorganisation beschränkt und die inhaltliche Diskussion immer mehr zurückdrängt.

Rolf Schulmeister trägt mit einem Beitrag Studierende, Internet, E-Learning und Web 2.0 zu einer Ernüchterung und einer Ausgewogenheit dieses Bandes bei. Seine Skepis gegenüber dem tatsächlichen Gebrauch und Einsatz von Web.2.0 ist nur zu sehr be-rechtigt. Betrachtet man die Ergebnisse der mg-studie, die er zitiert (S. 131) kann man den Eindruck gewinnen, dass außer dem Kommunikationsangebot des Internets bei Schülern und Studenten und vielleicht noch das Nachschlagen in einer Online-Enzyklopädie kaum etwas anderes hängenbleibt. Schulmeiser dreht die enttäuschenden Ergebnisse seines Beitrags in Positive und erklärt, dass Studenten “eine sehr pragmatische und rationale Einstellung zum Gebrauch der Neuen Medien einnehmen” (S. 140), wobei aber nicht vergessen werden darf, dass nur 1,7 Prozent seiner befragten Studenten an das Veröffentlichen eigener Texte im Internet denkt. Ach. hätte ich doch im Studium dach auch schon meine Internet-Seite mit den Rezensionen gehabt.

Auch Birgit Gaiser und Anne Thillosen widmen ihren Beitrag dem Web 2.0: Hochschulehre 2.0 zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Mit ihren Überlegungen zur “Um-strukturierung der klassischen universitären Vorlesung” (S. 191) bin ich allerdings gar nicht einverstanden. Die einmalige Vorlesung, die den Studenten Konzentration und den Aufbau von Sachkenntnis abverlangt ist nicht durch die überall wieder abspielbare Podcastkino zu ersetzen, sie ist so allenfalls im Sinne einer Dokumentation also einer späteren Veröffentlichung zu ergänzen. Die Überlegungen, die die Autorinnen hier vortragen, entstehen nur durch die technischen Möglichkeiten, sie sind nicht aufgrund inhaltlicher Bedürfnisse gerechtfertigt. Wikis und die “Praxis kollektiven Schreibens” sind ebenfalls technikgetrieben, so wie Beiträge in Wikipedia sich zu einem Spiel wie die stille Post entwickeln, wenn anonyme Autoren Einträge mit dem Antrieb sie in ein bessere Format zu bringen, inhaltlich deformieren ohne bereit zu sein, ihre eigene Identität aufzudecken. Und so kommen wir wieder zu der Frage, ob neudeutsch kollaboratives Lernen unbedingt nur eine Folge von E-Learning sein muss. Die Autorinnen sprechen von “hypertextueller Struktur” und meinen damit die Verweise in alle Richtungen. Wikipedia-Artikel haben oft solche Verweise, die ihren Autoren nützlich er-scheinen, die oft nur wegen ihrer vordergründigen Nützlichkeit gesetzt werden, aber keine inhaltliche Relevanz haben. In den Geisteswissenschaften haben Indizes einen ganz praktischen Sinn, aber die Verweise innerhalb von Texten sind nur selten geeignet, Einsichten und Wissen zu vermitteln. Die Beschreibung von Wikis und Podcasts in der Hochschullehre reicht nicht aus (S. 192), um daraus “bereits eine Veränderung der akademischen Lernstruktur” abzuleiten. Gabi Reinmann fragt iTunes oder Hörsaal? Ihre Zusammenfassung S. 265 f.) zeigt, dass sie sich des Problems, das schon durch den Titel ihres Beitrags aufgeworfen wird, bewußt ist. Es geht um die “bloße Rezeption von Inhalten”, die sie “interaktive[n] und soziale[n] Prozesse des Lernens gegenüberstellt”. Anstatt zu einer Verhärtung beizutragen, will sie moderne Technologien, nutzen, um “eine neue Kultur der mündlichen Weitergabe wissenschaftlichen Wissens zu entwickeln.” (S. 266)

Brigitte Grote und Stefan Cordes konzentrieren sich in ihrem Beitrag Web 2.0 als Inhalt und Methode in Fortbildungsangeboten zur E-Kompetenzentwicklung ebenfalls auf die technischen Möglichkeiten und akzentuieren in dem Titel ihres Beitrags das E. Man kann den Beitrag der beiden Autoren auch als eine soziologische Fragestellung verstehen. Ihr Erstaunen, dass vernetztes Lernen für viele Teilnehmer der von ihnen beobachteten Kurse ungewohnt ist, hängt mit der Erwartungshaltung der Autoren zusammen. Vernetztes Lernen im Web 2.0 ist in sich nichts Neues. Web 2.0 und Social media stellen hier nur Plattformen oder Websites zur Verfügung, mit der real vorhandene Prozesse abgebildet oder unterstützt werden können. Wenn aber ein Wiki oder ein Blog oder eine Website mit Rezensionen den Austausch von Informationen unter den Studenten oder gar nicht den Kontakt zu ihren Hochschullehrern verbessert, dann ist viel gewonnen. Und dafür sind die E-Medien ein Hilfsmittel, sie sind überhaupt nicht geeignet, diese Netzwerkbildung zu ersetzen.

Im dritten Teil Institutionalisierung von E-Learning wird eine beeindruckende Zahl von Lehrformen, die an verschiedenen Hochschulen durch die Neue Medien unterstützt werden, vorgeführt. Einerseits wird die Kreativität der an diesen Projekten Beteiligten (“Brückenkurse zur Senkung der Studenabbrecherquoten” S. 208) deutlich, andererseits kann auch der Eindruck entstehen, dass die Neuen Medien über die Bereitstellung von Informations-Angeboten noch nicht hinausgekommen sind. Vernetzungen in alle Richtungen reicht nicht aus, um den sachgemäßen Vorteil für ein Fach unter Beweis zu stellen.

Statt einer Besprechung auf nur einer knappen Seite zeigen nun vier Seiten, wie anregend der vorliegende Band ist.

Heiner Wittmann

Wir sollen die Herrschaft über die Computer zurückgewinnen.

Frank Schirrmacher,
Payback .Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen
Blessing, München 2009.
240 Seiten. ISBN: 978-3-89667-336-7

Zwei Teile hat das Buch. Zuerst erklärt Frank Schirrmacher, warum wir hinsichtlich unserer digitalen Welt tun, was wir nicht tun wollen, und im zweiten Teil stellt er Überlegungen an, dass wir und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen müssen. Damit sind auch die Hauptthesen dieses Buches knapp und präzise umschrieben. Die Computerwelt hat uns zu Verhaltensweisen verleitet, die wir eigentlich gar nicht mögen, schon gar nicht wahrhaben wollen. Und so lautet die Botschaft des Autors, es ist für eine Rückbesinnung noch nicht zu spät, allerdings muß die Neujustierung der digitalen Welt, womit er aber im wesentlichen unseren Umgang mit ihr meint, unbedingt bald und ohne Zögern erfolgen. Der Befund ist eindeutig und nach der Lektüre sind die Urteile im ersten Teil des Buches (über 160 Seiten) zwar nicht überall wirklich überzeugend, aber der Autor hat sein Anliegen verständlich formuliert. Leider ist der zweite Teil nur knapp halb so lang und bietet folglich auch nur einige Einsichten und Handlungsanweisungen.

Ohne Zweifel kennt sich der Autor in soziologischen Fragen rund um das Internet vorzüglich aus, wie die zahlreichen Belege dies ausführlich dokumentieren. Seine Berufung auf wissenschaftliche Untersuchungen an vielen Universitäten und die Hinweise auf renommierte Experten bergen aber auch Gefahren der Einseitigkeit, weil eine andere Auswahl möglicherweise andere Ergebnisse stützen könnte. Zum Beispiel warnt er in dem Kapitel „Warum Menschen nicht denken“ vor der Verschiebung der Aufmerksamkeit in „Skripte“ (S. 118 f.), eine Art Drehbücher, die unseren Umgang mit digitalen Informationen bestimmen und die es uns erschweren, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden. Schauen wir uns die Argumentation auf diesen beiden Seiten genauer an: Schirrmacher fragt, was geschehe, wenn unsere Aufmerksamkeit aufgefressen werde, und warum es geschehe? Dann folgt eine rhetorische Frage mit einer eindeutigen Antwort: „Ist es dieser Zustand, den der Computer nutzt und verstärkt, ohne dass wir es merken? Kurz gesagt: Ja, er ist es.“ Das ist aber keineswegs so sicher, klingt aber hier nur so. Dann kommt noch eine kurze Erklärung dieser Bestätigung, bevor der Autor den „britische(n) Mathematiker – und einer der Väter der Informatik – Alfred North Whitehead“ als Illustrierung dieses Gedankens zu Wort kommen lässt, der „die dazugehörige Ideologie stellvertretend für viele formuliert: „,Zivilisation entwickelt sich in dem Ausmaß, in dem wir die Anzahl der Operationen ausdehnen können, die wir ausüben, ohne über sie nachzudenken…‘.“ Man könnte diese Passage auch als eine Art Skript oder Modell für das ganze Buch bezeichnen, weil immer wieder Hinweise auf wissenschaftliche Studien oder Aussagen renommierter Wissenschaftler als Belege von Gedankengängen des Autors erscheinen. Dadurch wird aus dem ersten Teil dieses Buches viel mehr eine Art Wissenschaftgeschichte als eine fundierte Kritik an der Art und Weise, wie wir die digitale Welt nutzen oder diese uns benutzt. Dabei gibt es eine Reihe von Überlegungen oder Analysen, die auch ohne wissenschaftliche Untersuchungen, die im übrigen meistens nur bedingt zu den Thesen oder dem Anliegen Schirrmachers passen, unseren Umgang mit der digitalen Welt und die Missstände und die Gefahren, die daraus erwachsen, viel besser illustrieren könnten.

Schirrmachers Anmerkungen zu den Suchergebnissen von Google sind unvollständig. Es sind nicht alleine die Links, die auf eine Website zeigen, die über deren Platzierung im Suchergebnis entscheiden. Wenigsten 8-10 weitere Kriterien von über 100 wären auch zu nennen. Aber das völlige Ungenügen des Google-Algorithmus, die Websites auf der eigenen Ergebnisseite in eine wie auch immer geartetete sinnvollere Reihenfolge zu bringen, die der Bedeutung der Websites auch nur annähernd gerecht werden könnte, fehlt in den Überlegungen des Autors. Dieses elementare Defizit wird Google kaum je in den Griff bekommen. Schirrmacher benennt ganz richtig – aber aufgrund eines anderen Zusammenhangs – den „Kontrollverlust über Informationen“ (S. 58). Die willkürliche Anordnung von Suchergebnissen hat für Studenten und Schüler fatale Folgen. Sie vertrauen nur allzu gerne aus Bequemlichkeit den oberen Suchergebnissen, nutzen vielleicht auch nicht so häufig die vielen Funktionen, mit denen die Suchabfrage präzisiert werden kann. Die vielen Meinungen über Informationsgewinn aus dem Netz, die Schirrmacher zitiert, verstellen den Blick auf das Wesentliche. Welche Gefahren treten bei der Nutzung von Google auf? Welche Websites werden von Google wohl nicht angezeigt werden, welche alternativen Suchformen gibt es? Hätte der Autor diese Fragen wenigstens gestreift, dann würde man seine Feststellung, sein Buch wäre ohne Google nicht geschrieben worden, die richtige Einschätzung verleihen können. Hat er Google in Kenntnis seiner Defizite benutzt oder so wie alle Google nutzen?

Das Wort Wikipedia kommt nur zwei oder dreimal in seinem Buch vor. Leider fehlt im vorliegenden Band eine eingehende Analyse dieses Mitmachlexikons, mit deren Ergebnis er seine These „Mein Kopf kommt nicht mehr mit“ bestens hätte belegen können. Früher gab es in Enzyklopädien präzise Darstellungen eines Sachverhaltes vielleicht mit einigen gezielten Querverweisen. Heute sind manche Einträge in Wikipedia Pro- oder Hauptseminarbeiten geworden, die bisweilen von seitenlangen Diskussionsseiten ergänzt werden, zu denen bei vielen Beiträgee ein nutzloses Versionsgerangel hinzukommt, die die Thesen und die Klagen Schirrmachers wunderbar illustrieren und seiner Untersuchung eine weitere und besondere Schärfe hätten verleihen können, so dass sie manchen der zitierten Untersuchungen wirklich überlegen gewesen wäre.

Die wenigen Bemerkungen über soziale Netzwerke zeugen nicht von einer profunden Kenntnis von deren Konzeption, Möglichkeiten und Gefahren. (Cf. H. Wittmann, Web 2.0 und soziale Netzwerke,- hier:  www.stuttgart-fotos.de/web-2-0-und-soziale-netzwerke – Eine Analyse des ungebremsten Drangs so vieler, in diesen Netzwerken vertreten sein zu wollen, verlangt eine eingehendere Untersuchung. Überhaupt fehlen in diesem Buch Anmerkungen zu Web 2.0, dem Mitmachnetz, um die Frage zu analysieren, ob das mit vielen Web 2.0-Seiten einhergehendes oder vorgegaukelte Mehr an Demokratisierung stimmt, und ob der Begriff der Demokratie sich überhaupt eignet, um die Qualität der Partizipationsangebote zu testen oder zu belegen. Mitmachen und Partizipation, Beeinflussung und Manipulation, die Grenzen sind eben nicht mehr eindeutig zu bestimmen. In diesem Zusammenhang müssten Beispiele und Geschäftsmodelle analysiert und diskutiert werden, um den Partizipationsgedanken von allzu platter Werbung trennen zu können.

Der Autor übernimmt aber lieber Ergebnisse von Studien, so wie das 2007 in den USA durchgeührte „National Enowment of Arts“, mit der das Lesen untersucht wurde. (S. 35) Ihr Ergebnis war die Einsicht, das der Verlust von Lesekonzentration Folgen für den sozialen Aufstieg hat und immer mehr Kinder und Erwachsene nicht mehr systematisch lesen können. Schirrmacher schreibt „Die Studie erbrachte den Beweis für die Veränderung aller Gehirne. Und für die bemerkenswerte Geschwindigkeit, in der die digital entwickelste Gesellschaft der Welt verlernt, komplexe Texte zu erfassen.“ Diese Interpretation der Untersuchungsergebnisse mag zutreffend sein, es stört hier nur, wie diese Studie hier genutzt wird, um in den folgenden Absätzen zu der Einsicht zu kommen: „Unser gesamtes Bildungswesen ist instabil geworden“ (S. 36). Nebenbei bemerkt, der Kritik an den „Zertifizierungen“ „Normen“, mit denen man diesen Missständen abhelfen will, ist voll und ganz zu teilen. Statt sich immer wieder auf Wissenschaftler zu berufen, und die eigene Argumentation an deren Ergebnissen entlangzustricken, gäbe es Beobachtungen in Hülle und Fülle, mit denen die Vermutung „Unser Denkapparat wandelt sich“ vom Autor genausogut hätte belegt werden können. Seminararbeiten, Examensarbeiten und Doktorarbeiten werden durch die Computertechnik immer länger und unlesbarer. Kaum ein Student käme heute noch auf die Idee, seine Arbeit mit Füller auf weißes Papier zu schreiben, wobei er selbst eine wunderbare Entdeckung machen könnte, nämlich die seiner zusammenhängenden Gedanken, die vom Korrekturfunktion der Schreibprogramme ausgelöscht wurden. Der unreflektierte Umgang mit der PC-Technik spiegelt sich auch im oben genannten Informationschaos in Wikipedia wider. Man benötigt keine Studien, in der Art wie Schirrmacher sie immer wieder zitiert, um das Unvermögen vieler mit Schreibprogrammen umgehen zu können, zu analysieren. Ein kürzlich erschienener Band zum
E-Learning 2009 zeigt welche Hoffnungen Pädagogen und Medienwissenschaftler in die PC-Technik setzen. Die Berücksichtigung dieser und ähnlicher Stellungnahmen hätte für Schirrmachers Untersuchung sicherlich weitere interessante Aspekte geliefert.

Die Einsicht Schirrmachers, er hätte sein Buch ohne Google nicht schreiben können, deutet möglicherweise auch auf eine unzureichende Beobachtung und Auswertung unserer Gewohnheiten im Umgang mit der digitalen Welt hin. Ich kenne Studenten, die ganz enttäuscht waren, weil sie keine Sekundärliteratur zu ihrem Thema fanden. Das Werk, das ihnen als Lektüre des Seminars bekannt war, hatten sie noch nicht gelesen und das Googeln hatte Ihnen auch keine Ergebnisse gebracht. Seitdem habe ich Bedenken, wenn Studenten oder auch Autoren sich bei der Informationsbeschaffung auf Google beschränken und ihren Text um die Suchergebnisse herum verfassen.

Aufmerksamkeitsdefizit, Chaos im Kurzzeitgedächtnis, die Vermutung oder Einsicht, „dass die Maschinen uns bereits überwältigt haben“, die Veränderung des Denkens, die Kritik am „Mulitasking“, der Möglichkeit, die zum Zwang mutiert, mehrere Tätigkeiten gleichzeitig auszuführen haben, so der Autor, gravierende Folgen: „Menschen verlieren buchstäblich all das, was sie von Computern unterscheidet – Kreativität, Flexibilität und Spontaneität…“ (S. 69 f.). Ist das wirklich so? Wie immer, da ist ein bisschen was dran und auch wieder nicht. Genauso könnte man mit der Digitaltechnik ein Plus für die Kreativität konstruieren – wie der Autor dies auch im zweiten Teil seines Buches macht.

„In unserer Gesellschaft überlebt nicht mehr, wie es – früher ebenso falsch – hieß, der ‚Tüchtigste‘; sondern der Bestinformierte.“ (S. 121) Mit einem solchen Satz muss man nicht unbedingt einverstanden sein und dies erst recht dann nicht, wenn er am Anfang eines Kapitels steht, also die folgende Argumentation auf dieser Aussage aufbauen. Der Bestinformierte? Gemeint sind wohl diejenigen, die mit den Informationen richtig umgehen können? Auch in diesem Kapitel „Der digitale Darwinismus“ (S. 121-142) zitiert der Autor viele Aussagen von Wissenschaftlern und illustriert damit seine Argumentation. Wenn Studenten die Hnweise auf die Sekundärliteratur n die Fußnoten verbannen und in ihrem Text ihre Argumentation vortragen, können ihre Arbeiten richtig gut werden. Die Arbeitsergebnisse des Soziologen Robert Merton, des Psychologen Geoge Miller, des Philosophen Daniel Dennett, der Informatiker und Kognitionspsychologen Peter Pirolli und Steve Card verleihen der Argumentation Schirrmachers durchaus interessante Aspekte, aber sie machen aus seinem Buch und besonders aus seinem ersten Teil ein Referat über deren Forschungsergebnisse und lenken den Autor und damit auch den Leser vom eigentlichen Thema, wie wir unsere werden Informationen nutzen ab. Das Ergebnis sind dann solche Sätze wie: „Die Auswertung und Analyse unserer Assoziationen, die unsere Aufmerksamkeit im Netz und in allen anderen Informationssystemen lenken und erleichtern soll, halte ich für einen der gravierendsten Vorgänge der aktuellen Entwicklung.“ (S. 142) Man spürt was der Autor hier meint, es geht um die Art und Weise, wie Informationen aufgenommen und von uns, den Nutzern des Internets – und nicht nur durch Hyperlinks – mit anderen Informationen verknüpft wird.

Der Autor betont ausdrücklich, dass sein Buch kein Pamphlet gegen Computer sein soll. (S. 157). Sein erstes Kapitel „Mein Kopf kommt nicht mehr mit“ (S. 13-21) klingt aber ganz anders, bis auf den letzten Absatz, dessen erster Satz „Aber im Internet und den digitalen Technologien steckt auch ein gewaltige Chance…“ den Ton des zweiten Teil seines Buches angibt. Wiederum nennt Schirrmacher viele andere Wissenschaftler und ihre Arbeiten. Aber er kommt auch zu wesentlichen Einsichten, die „Konsequenzen der Informationsrevolution“ in den Schulen und Hochschulen fordern. Recht hat er. Und in diesem Zusammenhang nennt er auch den „Zertifizierungswahn“ und die „groteske Verschulung heutiger Hochschulausbildung“. Und jetzt folgen entscheidende Sätze: „Die Informationsgesellschaften sind gezwungen, ein neues Verhältnis zwischen Wissensgedächtnis und Denken zu etablieren. Tun Sie es nicht, sprengen sie buchstäblich das geistige Auffassungsvermögen ihrer Bewohner.“ Schirrmacher meint wohl, dass die digitale Technik Möglichkeiten bietet, die die Hochschulen bisher nicht wahrgenommen haben. Nebenbei bemerkt, das Wort Informationsgesellschaft ist ein unnützes Kunstwort, Gesellschaften mit mehr oder weniger Information gab es immer. Er meint wohl, dass es auch neue Formen des Umgangs mit Informationen geben wird, aus denen Wissen erzeugt werden kann. Im Grunde genommen öffnet er hier ein weites Feld, nämlich das der Erkenntnistheorien und die werden zunächst einmal nicht grundlegend durch die digitale Technik verändert. Sie gewinnen möglicherweise einige neue Perspektiven hinzu. Es gibt zusätzliche Formen der Wissenserarbeitung, wie die vom Autor zitierte Form der Fragestellung vor einer Vorlesung: „Sie lernen nicht mehr, was sie wissen möchten, sondern was sie nicht verstanden haben.“ Diese Auffassung von einer interaktiv unterstützten Vorlesung teile ich nicht. So etwas entspricht eher der krampfhaften Suche nach einem Anwendungsfeld bestimmter vorhandener Techniken als einer sinnvollen Modifikation des Vorlesungsbetriebs. Aber der Autor ist sich sicher, dass der „Perspektivwechsel in Zeiten des digitalen Lebens“ (S. 221) wichtig ist und kommen wird. Die Gefahren glaubt er bewußt gemacht zu haben: „Aber die Chancen, dass daraus etwas Gutes wird, sind ebenso groß.“ (S. 222) Und: „In den Schulen, Universitäten und an den Arbeitsplätzen muss das Verhältnis zwischen Herr und Knecht, zwischen Mensch und Maschine neu bestimmt werden.“ Die vielen interessanten Ansätze des zweiten Teils wären in ausführlicherer Form noch einleuchtender geworden. Vielleicht haben die vielen interessanten Suchergebnisse zu den Themen des ersten Teils zum Ungleichgewicht dieses Buches mit beigetragen.

Ein Website mit den anklickbaren Links in der Bibliogaphie wäre eine gute Ergänzung für dieses Buch.

Heiner Wittmann

Auf YouTube steht eine Präsentation dieses Buches durch den Autor:

Une introduction à l’étude des Fleurs du Mal.


Pierre Brunel, Giovanni Dotoli (Éd.), 1857. Baudelaire et Les Fleurs du Mal (Biblioteca dela Ricerca, Baris-Paris 4, Schena Editore, Fasano 2007.

Dans son introduction, Georges Molinié a bien raison de souligner avec force la “fracassante modernité” de Baudelaire. Une modernité qui n’a pas passé sous silence son mal et les destructions jusqu’à Auschwitz. Tout en évoquant le mal, les poèmes de Baudelaire réussissent de rappeler “une esthétique de l’illimité au ras de l’humain résiduel”. Pierre Brunel décrit les “Tombeaux poétiques de Baudelaire” en parlant de l’histoire de la réception de ces poèmes. Après tout, il faut toujours revenir à “son tombeau le plus beau et le plus vrai”, justement aux Fleurs du Mal.

Ce recueil qui réunit les contributions d’une journée de commémoration à l’occasion du 150e anniversaire des Fleurs du Mal est une introduction très réussie à l’étude des poèmes de Baudelaire et ceci pour trois raisons. L’effet de la lecture, les interprétations personnelles et les remarques sur la structure et la composition des Fleurs du mal avancent tous les trois des pistes importantes de recherche. Ce volume de 150 pages a le grand mérite de ne pas avoir la prétention de vouloir épuiser le sujet, mais il explique pourquoi il vaut la peine de lire et de bien lire les poèmes de Baudelaire.

Salah Stétié y livre un témoignage émouvant de sa découverte des Fleurs du Mal et fait envie de revivre cette aventure. Stétié évoque la “préhension du paysage” comme l’inconscient et d’autres thèmes qu’il a rencontrés dans ses poèmes et comment il a découvert les rapports entre eux. Giovanni Dotoli, lui, propose une interprétation originale sous le titre “Vertige des Fleurs du mal” en apportant son propre poème sur Baudelaire : “Théâtre immortel de ton âme amère…”. Lise Sabourin s’est penché sur les épreuves de l’édition de 1857 des Fleurs du Mal et elle revient à la question de l’organisation du recueil de Baudelaire en sections. En lisant son article on comprendra ce que la suite des poèmes contribue d’essentiel à leur sens et à leur compréhension.

En ce qui concerne les interprétations personnelles, Gabrielle Althen s’est interrogé sur la douleur essentiellement dans L’Héautontimoruménos qui est l’occasion pour le poète d’évoquer le mal sans passer par des médiations divines ou autres. Ce rapport intime avec le mal soulève aussi la question de faire du mal qui ne perd pas de vue la distinction entre le bien et le mal. De cette manière, ce poème évoque aussi des questions éthiques. Ainsi, il conjuge être et mal et en médite la conscience. Lionel Ray analyse les poèmes sous le titre du “Défini et de l’inépuisable” en partant de l’interprétation de Paul Claudel. Ray relit “La servante au grand cœur…” (1857) et “Petites Vielles” (1861). Maxime Durisotti a relu ” Le Masque ” et tient compte de la place de ce poème dans les Fleurs du Mal, une place qui est particulièrement importante en ce qui concerne son esthétique. Les différents thèmes, et avant tout celui de la modernité, dépendent de cette place devant Hymne à l’a Beauté. Steve Murphy évoque la “Personnalité et impersonnalité du Cygne” et décrit ici en détails et explique “le point de vue de Baudelaire touchant les méthodes de composition s’avère assez variable”. Son analyse est un modèle pour les étudiants qui hésitent de livrer par écrit les fruits de leur lecture de ces poèmes. Murphy y montre comment on peut lier les thèmes des poèmes avec les significations de mots tout en tenant compte de l’histoire contemporaine comme p. ex. la transformation de l’urbanisme parisien. Brigitte Buffard-Moret analyse ” Les Origines de la musique baudelairienne “. En peu de lignes, elle évoque l’histoire littéraire autour de 1857 et détaille les implications de la musique dans Les Fleurs du Mal. Sylvain Détoc propose une analyse du ” Dernier Voyage “. le dernier poème des Fleurs du Mal (1861), et pour conclure, il n’est pas surprenant que Sylvie Thorel, dans son article à la fin du recueil s’interroge sur ” …les Postulation de la morale ” chez Baudelaire. Elle aussi revient à l’histoire littéraire et rappelle entre autres comment le style des poèmes de Baudelaire était, à l’époque déjà, le sujet de beaucoup d’interprétations souvent controversées.

La littérature critique réussit bien surtout, si elle, comme ce livre sur Baudelaire, propose des approches, conduit à des interprétations détaillées sans perdre de vue, comme dans le cas présent, le rapports des Fleurs du Mal a son époque, ce qui n’empêche pas, de voir plus loin et de remarquer qu’on ne se limite pas à constater une modernité de Baudelaire, car il faut bien voir, dans quelle mesure, aussi un poète comme Baudelaire prouve que la poésie, elle aussi, contribue au développement de l’esthétique comme à la critique de la société tout en insistant sur part de prédiction qui revient aussi à la poésie.


Heiner Wittmann

Crise écologique et crise sociale

Hervé Kempf, Comment les riches détruisent la planète,
Paris, Editions du Seuil (Poche, Essais 611), Paris 2007.

Hervé Kempf, Journalist bei LE MONDE hat in zwei Büchern Comment les riches détruisent la planète und > Pour sauver la planète, sortez du capitalisme seine Kritik an einem ungebremsten Kapitalismus vorgetragen und vor allem gezeigt, wie soziale Fragen und Umweltschutz eng miteinander verbunden sind. Die Nachweise (S. 127-148) belegen, dass Kempf nicht nur ein Pamphlet verfasst hat, er legt hier die Summe seiner mit bester journalistischer Methode ausgeführten Untersuchungen vor.

Unsere Politiker reisen weltweit zu Kongressen, um die Finanzkrise in den Griff zu bekommen, sie verbuchen es gleich als ihren Erfolg, wenn die Indizes leichte Erholungen der Märkte andeuten, wenn sich langsam wieder Wachstum einstellt. Die gleichen Politiker besuchen Klimakonferenzen und zeigen sich von den Vorhersagen beeindruckt, sind einsichtig und fordern eine Reduktion der Treibhausgase, ohne ein Erfolgsrezept im Gepäck bereitzuhalten.

Kempf erinnert daran, dass das weltweite Artensterben einen engen Zusammenhang mit der ungebremste Landnahme durch den Menschen wie die Überfischung der Weltmeere zusammenhängt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Kurz, die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten ist an ihr Ende gekommen. Aber es geschieht nichts. Der Fortschritt wird weiter durch mit dem Bruttosozialprodukt gemessen, das die Kosten für die Umwelt unberücksichtigt lässt. Die Eliten lassen Umweltfragen nicht an sich herankommen, sie sind im wahrsten Sinne des Wortes von ihrer Umwelt abgeschottet.

Die Armut kehrt in Folge der Globalisierung in verschärftem Maße wieder, wie dies mit vielen Zahlen belegt werden kann. Außerdem ist weltweit der Zuzug in die Städte als Alternative keine Lösung mehr. Die Landflüchtlinge finden dort nur neue Probleme vor. Armut und Umweltprobleme wiegeln sich gegenseitig auf.

Der Reichtum ist auf einige Wenige verteilt, die für Kempf Angehörige einer blinden Oligarchie sind. Die zahlenmäßig geringe Oberklasse, die besonders viel verdient und so bei allen anderen Klassen nach Thorsten Veiblen den Wunsch nach Imitation, Aufstieg und Unterscheidung auslöst, sind Kempf ein Dorn im Auge. Kempf ist überzeugt davon, dass eine Steigerung der Produktion unsere sozialen und Umweltprobleme nicht lösen werden. Mit Veiblen plädiert er für eine Reduktion der Produktion und damit des materiellen Konsums. Viel spricht dafür, so Kempf, dass diese Forderung nicht so schnell zu realisieren sein wird. Aber für Kempf gibt es weitere Anzeichen dafür, dass jetzt gehandelt werden muss:

Er sieht die Demokratie in Gefahr. Sein Vorwurf wiegt schwer. Eine Welt-Oligarchie hat der Demokratie und der Freiheit den Kampf angesagt (S. 93). Er formuliert dieses Vorwurf aufgrund der Anstrengungen vieler Staaten ihre Bürger immer mehr zu kontrollieren. Er denkt dabei an die 500 Seiten des Patriot Act in den USA, aber auch an die RFID-Chips, die wei auch bei den Personalausweisen in Deutschland von immer mehr Staaten, eingesetzt werden. – Ich habe schon immer ein mulmiges Gefühl, wenn der Zugschaffner meine Bahncard in seinem Gerät “durchzieht”: Wieviel Missbrauch kann damit angerichtet werden. Erstmal dient dieser Datenwust der Bahn das optimale Preismodell zu ihren alleinigen Gunsten auf unsere Kosten zu ermitteln, und herauszufinden, wann ich von wo nach wo reise. Die RFID-Technik kann nicht nur den Weg von Leergut überwachen, diese Technik kann dazu missbraucht, uns zu überwachen. – Kempf legt also den Finger auf die Wunde. Und er berichtet auch vom Verrat der Medien (S. 108 ff), die unkritisch über den Krieg in Afghanistan und im Irak berichten.

Was ist zu tun? Kempf ist überzeugt, dass der Glauben an das ungebremste Wachstum nicht gerechtfertigt ist, genauso wenig, wie der technische Fortschritt die Umweltprobleme nicht lösen wird. Das Problem der Arbeitslosigkeit ist für ihn kein isoliertes Problem. In diesem Punkt wird er sehr deutlich. Er hält den Kapitalismus für fähig, eine gewisse Arbeitslosigkeit beizubehalten, um eine Willfährigkeit der Arbeitnehmer und niedrige Löhne beibehalten zu können. (S. 117) Und die Gehälter der oben erwähnten Oligarchie will er von oben her kürzen: RMA – Revenu maximal admissible.

Manche seiner Lösungen sind radikal. Aber er beruft sich auf eine sorgfältige, nachprüfbare Analyse. Er hat ein anregendes Buch verfasst, das man ruhig mal als Messlatte für manche unserer Politikerreden lesen und heranziehen sollte. Kempf trägt seine Überlegungen vor und nennt die Konsequenzen, die unsere Politiker immer wieder gerne übergehen.

Heiner Wittmann

> Hervé Kempf et Stefan Rösler: La crise du climat et la crise du capitalisme. La fin du progrès sans bornes
Veranstaltung im Institut français de Stuttgart am 17. November 2009

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