Eine neue Machiavelli-Biographie

Sandro Landi, Machiavel, Ellipses, Paris 2008.

Die Legende Machiavelli übergehe den Autor selbst. Es sei an der Zeit, ihm seine Biographie wiederzugeben, so der Klappentext und so der Auftrag an den Verfasser dieser Studie. In dieser Hinsicht ist die Aufgabe gelöst. Sandro Landi rekonstruiert das Leben Niccolò Machiavellis. Er beschreibt seine Ausbildung, die ersten Publikationen, die Begegnung mit der Politik, die Erfolge und Misserfolge im Kontakt mit den Medici, der Absturz und der mühsame Wiederaufstieg und zeichnet damit zugleich ein beeindruckendes Fresko seiner Zeit.

Der Legende Machiavelli nähert man sich aber nicht auf diese Weise. Die Biographie eines Autors und besonders im Falle Machiavellis ist wie so oft keinesfalls der Schlüssel zum Verständnis seines Werkes. Es bleibt nur die Lektüre aller seiner Werke als einziges Mittel, um, wenn man es wirklich will, die Absichten des Autors zu durchschauen. Die Lektüre der Werke Machiavellis kann man dem Verfasser dieser Studie nicht absprechen, zudem er auch ihre entscheidenden Stellen aufzeigen kann. Aber er hat sie nicht systematisch gelesen, es fehlen die Zusammenhänge zwischen den Werken, er nutzt die wichtigen Stellen meist nur als Illustration der Lebensgeschichte Machiavellis. Der Verfasser skizziert in einem Absatz (S. 125) die Struktur und den Aufbau des Principe; diese Analyse bleibt aber oberflächlich. Eine durchgängige, genaue Lektüre unterlässt er zugunsten der Illustrierung seiner Biographie (S. 125, S. 133-136. S. 156 et passim). Ganz ohne Zweifel ist der Principe ein Buch seiner Zeit, denn sein Ursprung, die darin eingefügten Bezüge können nur mit guten Kenntnissen der Geschichte vollständig erfasst werden. Aber eine Erklärung dieses Buches, die sich auf die Biographie Machiavellis konzentriert und es immer wieder als Versuch, sich den neuen Machthabern zu empfehlen, beschreibt, wird lediglich dessen Lektüre, die auf einen realen Fürsten zielt, favorisieren, und damit das Missverständnis dieses Werkes weiter befördern. Auf diese Weise unterschlägt, wenn auch ungewollt, der Verfasser die für dieses Werk so eminent wichtige Form dieses Traktats, und folglich kann er dem Leser nicht die eigentliche Bedeutung dieses Traktats über die politische Theorie vermitteln, die nämlich das Modell eines Fürsten vorstellt. Eine solche Erkenntnis ist für die Entschlüsselung der Machiavelli-Legende ungleich wichtiger als eine erneute Erzählung seiner Biographie.

Das lange Kapitel über Machiavelli als Historiker (S. 196-206) enthält viele interessante Ansätze, sein Werk zu entschlüsseln. Fast gewinnt man hier den Eindruck, Landi durchbricht hier gerne Aufgaben des bloßen Biographen. Aber der Hinweis auf die Schriften wie die über Castruccio Castracani bleibt auch hier leider nur eine Nebensache. Manche Bemerkungen sind unverständlich. Machivellis Versdichtung Der Goldene Esel nach Apuleus in toskanische Verse soll ihm misslungen sein? Immerhin kann Lani die Bedeutung des Esels als Symbol für die Allgegenwärtigkeit des Schlechten richtig deuten, womit Machiavellis Text aber keinesfalls erschöpfend behandelt worden ist.

Der Verfasser zitiert andere Schriften Machiavellis wie das Theaterstück La Mandragola, aber immer als Illustration seines Lebenswegs und beweist damit einmal mehr, dass die Biographie und das Werkverzeichnis nicht immer harmonieren. Gedichte, Verse, politische Traktakte, Theaterstücke, diplomatische Relationen, Abhandlungen über die Geschichte waren Machiavellis Leben, jedes dieser Genre ist auf das andre bezogen, die Lebensdaten sind nur das Gerüst. Hätte Landi das Werkverzeichnis zur Grundlage seiner Untersuchung gemacht und dann eventuell einige Lebensstationen illustrierend eingefügt, wäre er der Entschlüsselung der Machiavelli-Legende ungleich näher gekommen.

Heiner Wittmann